Berghahn, Volker: Der Erste Weltkrieg (= Wissen in der Beck´schen Reihe). München: C.H. Beck Verlag 2003. ISBN 3-406-48012-8; 117 S.; € 7,90.
nur 115 Seiten :
[Links nur für registrierte Nutzer]Berghahn analysiert den Krieg zunächst ‚von oben’. Den Generälen auf beiden Seiten kann er nicht viel Gutes nachrühmen: eiskaltes Kalkül, Starrsinn, Erbarmungslosigkeit, übergroßes Selbstvertrauen, Fehlkalkulationen, unglaubliche Inkompetenz und schlicht Versagen - so lautet sein harsches Urteil. Aber auch andere Elitegruppen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft schneiden nicht besser ab: Alle wurden vom ‚Geist der Härte’ erfasst, stellten ihr Fachwissen und ihre Arbeitskraft zur Verfügung, um den Sieg zu ermöglichen. Der Krieg führte in allen Ländern zu einer immer stärkeren Zentralisierung in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft; die politische und militärische Führung wirkte von oben auf die innenpolitischen Entwicklungen ein. Während England und Frankreich eher zu Reformen und Verfassungsänderungen bereit waren, konnten sich in Deutschland die reformwilligen Kräfte in Regierung und Wirtschaft nicht durchsetzen.
Bei seiner Analyse des Krieges ‚von unten’ zeigt Berghahn, dass die Begeisterung der Bevölkerung in Deutschland, Frankreich und England selbst für einen kurzen Verteidigungskrieg wohl doch nicht so groß war, wie sie über Jahrzehnte hinweg in den Geschichtsbüchern geschildert worden ist. Aber warum kämpften dann die Soldaten in einem Krieg, der seit 1915 immer totaler und brutaler wurde? Motive waren kameradschaftlicher Zusammenhalt, Pflicht- und Ehrgefühl, Vaterlandsliebe und nicht zuletzt das militärische Disziplinarrecht. Je länger allerdings der Krieg dauerte, desto lauter wurde die Frage nach dem Sinn des großen Sterbens gestellt; Meutereien und Streiks zeigten die wachsende Neigung, die Bestimmung des Kriegsendes nicht mehr allein den politischen und militärischen Führern zu überlassen.
Vielen Dank schon mal für die interessanten Antworten!
Ah ja, gut, wusste ich noch nicht. Als ich das in der Schule hatte, war es ja auch noch vor 2003 (Sek I hatte ich 1998-2002).
Das Joffe-Zitat von carlson.vom.dach ist ja im Grunde nichts Anderes als das, was ich im Eingangs-Beitrag schon geschrieben hatte, nämlich dass es eben um die Ehre des Vaterlandes ging, nur dass es diesen Aspekt nochmal etwas genauer ausführt und somit etwas verständlicher macht. Aber es hatte mich auch nicht so wirklich überzeugt als ausreichende Erklärung, weil Nationalismus hin oder her - ich kann mir kaum wirklich vorstellen, dass im Zweifelsfall nicht die Hose näher als das Hemd ist, d.h. der Überlebenswille des Menschen nicht über Allem steht, eindeutig auch über der Nation. Ich glaube, in den Krieg zieht man nur dann von selbst, wenn man sich angegriffen fühlt, und ich fragte mich wo wohl der Grund für dieses Angegriffen-Sein zu suchen ist, und da ergibt die Theorie von Vril mit dem Faktor der Mobilmachung Russlands natürlich Sinn, und in diesem Zusammenhang wird dann auch das Joffe-Zitat von carlson.vom.dach etwas überzeugender. Dazu kommt natürlich das was Walter Hofer und Mark Mallokent gesagt hat, dass es wohl doch nicht so stark ausgeprägt war. Aber soweit ich weiß (ich weiß ja nicht was Burghahn dazu schrieb), war diese Begeisterung ja auch beim Bürgertum und Intellektuellen vorhanden (siehe Jünger), was mich besonders verwundert hatte. Beim ,,einfachen" Volk wäre es ja noch verständlich, wenn man bedenkt was für eine Begeisterung, Indoktrination und Durchdringung des ganzen Denkens schon zeitweise Hitler auslösen konnte. Es ist also wohl ein bisschen was vom Allem gewesen, was die User hier geschrieben haben, ihr habt euch also gut ergänzt. Letztlich ist es mir immer noch ein bisschen rätselhaft.
Auf ,,Wikipedia" steht da kurz im Artikel über den ersten Weltkrieg im Unterpunkt ,,Kriegsbegeisterung" Folgendes:
Finde ich aber auch nicht wirklich überzeugend.Lange Zeit war in der Forschung, insbesondere aber in populärwissenschaftlichen Abhandlungen unbestritten, dass die Propaganda auf fruchtbaren Boden fiel und sowohl in Österreich-Ungarn, als auch in Frankreich und vor allem im Deutschen Reich eine große Kriegsbegeisterung herrschte. Insbesondere für Frankreich ist jedoch inzwischen eine differenzierte Sichtweise vorherrschend. Zwar zeigte sich ein Großteil der Bevölkerung bereitwillig zur Verteidigung der Nation, jedoch erst nach der deutschen Kriegserklärung. Bis dahin beschäftigte sich die Öffentlichkeit vorrangig mit innenpolitischen Fragen, von einer Erwartung oder gar Begeisterung eines bevorstehenden Krieges kann keine Rede sein. Lediglich nationalistische Politiker und Intellektuelle waren bereits vor dem Angriff offen für einen Krieg eingetreten, etwa zur Revanche und zur Rückgewinnung des Elsass und Lothringens.
Erklärungen für die These der Kriegsbegeisterung kamen etwa von George L. Mosse: Er beschrieb den Wunsch nach Wiederherstellung einer intakten Männlichkeit nach einer Phase der sogenannten Dekadenz, zu der neben einer vermeintlichen Vormachtstellung des Judentums die Frauenbewegung, erste Ansätze einer Schwulenbewegung und Künstler wie die „Dekadenzdichter“ gezählt wurden.
Umstritten ist auch, ob sich diese Kriegsbegeisterung in der gesamten Bevölkerung wiederfand oder - wie der Historiker Jeffrey Verhey behauptet – vor allem in der großstädtischen Mittel- und Oberschicht verbreitet war. Im Deutschen Reich wurde ein Notabitur eingeführt, damit kriegsbegeisterte Oberprimaner vorzeitig ins Heer eintreten konnten.
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