Sachsen droht Korruptionsskandal
Reinigungsarbeiten am Sächsischen Landtag (Foto: dpa)
Sachsen droht ein Korruptionsskandal noch unbekannten Ausmaßes. Bislang streng geheime Verfassungsschutzdaten über ein mutmaßliches Geflecht organisierter Kriminalität unter hohen Amtsträgern sollen an die Strafverfolgungsbehörden übergeben werden. Das ordnete Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) am Mittwoch an.
Amtsmissbrauch und Kinderprostitution
Die Affäre war durch Ermittlungen des Landesverfassungsschutzes ins Rollen gekommen. Medienberichten zufolge enthalten dessen Unterlagen brisantes Material zu Straftaten wie Korruption, Amtsmissbrauch, Verrat von Dienstgeheimnissen und Kinderprostitution. Angeblich hatten sich in Leipzig Amtsträger erpressbar gemacht, weil sie Anfang der 90er Jahre in einem Bordell verkehrten, in dem minderjährige Mädchen zur Prostitution gezwungen wurden.
Möglicherweise auch Richter beteiligt
Nach Angaben des Generalstaatsanwaltes geht es um ein "Geflecht organisierter Kriminalität" in Leipzig, Chemnitz und Plauen. Darin verwickelt seien ranghohe Politiker und Polizeibeamte, möglicherweise auch sächsische Richter und Staatsanwälte.
Generalbundesanwaltschaft soll ermitteln
Die Staatsanwaltschaft Dresden wird bei dem Fall federführend sein. Auch ein Spezial-Team der Anti-Korruptionseinheit INES wird ermitteln. Nach dem Willen der Landesregierung soll sich auch die Generalbundesanwaltschaft mit dem Fall befassen.
"Wie in einem schlechten Krimi"
Der CDU-Vertreter in der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) des sächsischen Landtages, Frank Kupfer, äußerte sich betroffen über den Umfang der in den Akten des Verfassungsschutzes enthaltenen Vorwürfe: "Ich persönlich konnte mir nicht vorstellen, dass so etwas, was man in einem schlechten Krimi sieht, auch wirklich Tatsache ist", sagte er dem Sender. Die Akten belegten, dass es in Sachsen kriminelle Machenschaften "in einer ganz schlimmen Form" gebe.
Verwendung der Akten rechtlich umstritten
Die Erstellung der Verfassungsschutzakten und ihre Verwendung bei der Strafverfolgung sind allerdings rechtlich umstritten. Die Beobachtung der Organisierten Kriminalität sei grundsätzlich nur Polizei und Staatsanwaltschaft erlaubt, sagte der sächsische Datenschutzbeauftragte Andreas Schurig dem Nachrichtensender N24. Der Verfassungsschutz dürfe dies nur in ganz engen Grenzen. "Das bereitet uns natürlich das Problem, dass wir hier Aktenbestände haben, die nie hätten entstehen dürfen." Nach Ansicht von Schurig müssten sie deswegen vernichtet werden.
Kontrolle der Kontrolle
Sachsens Justizminister Geert Mackenroth (CDU) sagte im MDR: "Ich bin überzeugt, dass sich der Verfassungsschutz überwiegend an die gesetzlichen Vorgaben hält." Das müsse aber immer wieder im Einzelfall von der parlamentarischen Kontrollkommission beobachtet werden. Diese hatte sich für eine Weitergabe des Großteils der umstrittenen Akten ausgesprochen und zugleich Kritik am sächsischen Verfassungsschutz geübt. In den vergangenen Jahren seien in einigen Fällen relevante Straftatbestände anscheinend ohne erkennbare Hinderungsgründe nicht an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden übergeben worden.
15.000 Seiten Material
Der Dresdner Staatsanwalt Christian Avenarius warnte indessen vor allzu großen Erwartungen. Die Dauer der Untersuchungen könne noch nicht abgeschätzt werden. Nach Medienberichten sollen die Unterlagen zu dem Fall mehr als 100 Ordner mit rund 15.500 Seiten umfassen.