Die Erfolge der NPD in der Sächsischen Schweiz sind erschreckend, aber nicht überraschend - ein Beispiel: Reinhardtsdorf-Schöna

Reinhardtsdorf-Schöna in der Sächsischen Schweiz: 1600 Einwohner, 40 000 Gästeübernachtungen pro Jahr, alte Fachwerk- und Blockhäuser, ein Kirchlein aus dem 16. Jahrhundert, Wiesen, Wäldern, Berge - ein Idyll. Und ein fassungsloser Bürgermeister: Warum wählte hier jeder vierte die NPD?

Von Bernhard Honnigfort


Dresden · 17. Juni · Arno Suddars ist Bürgermeister von Reinhardtsdorf-Schöna, seit 14 Jahren. Der 66-jährige Christdemokrat kennt seine Bürger, aber seit Sonntag begreift er sie nicht mehr. Was geschehen sei, werfe seinen Ort zurück, sagt er. Es tue ihm in der Seele weh. "Wenn jetzt Touristen ausbleiben, haben sich die Leute das selbst zuzuschreiben." Von den 1395 Wahlberechtigten der Gemeinde hatten am Sonntag bei der Kommunalwahl 629 ihre Stimmen der rechtsextremen NPD gegeben worden, was bei drei Stimmen, die jeder Wähler zu verteilen hatte, ein Ergebnis von 25,2 Prozent ergab - aus dem Stand bundesweite Spitze.

Drei Sitze hat die NPD jetzt im Gemeinderat, dabei war sie nur mit zwei Kandidaten angetreten. Worin der Erfolg begründet liegt, darüber rätselt nicht nur der Bürgermeister. An einer geringen Wahlbeteiligung liegt es jedenfalls nicht, im Dorf wählten überdurchschnittliche 65 Prozent. "Ich bin Jahrgang 38, ich bin aus Ostpreußen, Memeln geflohen und kenne den Krieg. Und jetzt malen hier so Rotznasen Hakenkreuze an die Wand", schimpft Suddars.

Aber es scheint in der Gegend drinzustecken. Erschrocken sei er schon gewesen, aber nicht wirklich überrascht, sagt Markus Kemper vom Mobilen Beratungsteam Pirna, das seit Jahren Aufklärungsarbeit gegen Rechtsextremismus leistet. Es habe dort des öfteren Konzerte von Neonazi-Bands gegeben, sagt er, bis der Bürgermeister vor zwei Jahren den Jugendclub schloss.

"Die Sächsische Schweiz hat schon lange eine sich erhaltende rechtsextreme Szene", sagt Kemper. Warum das so sei? "Schwierig zu sagen." Arbeitslosigkeit könne nicht der Grund sein: Führende Rechtsextreme hätten in der Regel gute Berufe. Es gebe hier bis auf ein paar Restaurant- und Imbissbetreiber nicht einmal Ausländer, die man hassen könne. Im Grunde sei es in Reihardtsdorf-Schöna ähnlich so wie andernorts auch: "In Sebnitz oder Neustadt, Königstein oder Rathen, da saßen doch immer schon Rechtsextremisten."

Wenn dann auch noch im Ort angesehene Menschen für die Rechten antreten, erntet die NPD Erfolge: Ein Arzt in Sebnitz, ein Fahrschullehrer in Königstein oder in Kleingießhübel, einem Ortsteil von Reinhardtsdorf-Schöna, der Klempnermeister Michael Jacobi, der, anders als andere, Lehrlinge ausbildet und eine Menge für den Fußballverein tut. Für die Wähler steht dann wohl kein Rechtsextremer auf dem Wahlschein, sondern "einer von uns". Ein anderer, Ernst Fink, war lange Zeit PDS-Gemeinderatsmitglied, bevor er zur NPD wechselte.

Zu allem Ärger mit der NPD hat Bürgermeister Suddars auch noch Ärger mit der PDS im Dresdner Landtag, die seinen Rücktritt fordert. Suddars hatte nach der Wahl gesagt, die fachliche Zusammenarbeit mit denen von der NPD sei leichter als mit der PDS. Eine Bemerkung, die vielleicht auch ein wenig erklärt, warum manche Wahlergebnisse so sind wie sie sind.

[FR vom 18.06.2004]
seid ihr da auch so erschreckt wie ich beim lesen? wie kann so was passieren?