"Lafontaine ist glaubwürdig"


Steuern senken, Lohnnebenkosten runter: Christoph Butterwegge kann das nicht mehr hören. Der Professor für Politikwissenschaft rechnet mit klassisch neoliberalen Argumenten ab - und nennt bemerkenswerte Alternativen.

Auszüge aus dem Interview:

sueddeutsche.de: Sie waren SPD-Mitglied?

Butterwegge: Ja, ich war bereits in den frühen 70ern in der SPD. Ich habe schon vor Jahrzehnten zusammen mit Gerhard Schröder Juso-Arbeit gemacht, bin dann aber durch die Agenda 2010, die Hartz-Gesetze und die Gesundheitsreform sehr enttäuscht worden. Als 2005 auch noch die Große Koalition gebildet wurde, bin ich aus der SPD ausgetreten.

sueddeutsche.de: In Kürze erscheint Ihr Buch "Kritik des Neoliberalismus". In den politischen Diskussionen versteht jeder darunter etwas anderes. Was bedeutet "Neoliberalismus" für Sie?

Butterwegge: Anfangs war der Neoliberalismus eine Wirtschaftstheorie, die in den 30er Jahren als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise und den Keynesianismus entstanden ist. Leider hat sich aus ihr eine Ideologie entwickelt, die insgesamt mehr Markt und von den Menschen mehr Leistung fordert. Es handelt sich dabei um ein politisches Großprojekt, dass praktisch alle Gesellschaftsbereiche nach dem Vorbild des Marktes neu ordnen will. Dadurch wird unsere Gesellschaft aber zwangsläufig rauer und sozial kälter.

sueddeutsche.de: Sie schreiben, in Deutschland werde die soziale Sicherheit zunehmend zum "Standortrisiko" erklärt. Fakt aber ist: Die Kosten für soziale Sicherheit machen deutsche Produkte in Form von Lohnnebenkosten teurer. Wie wollen Sie das ändern?

Butterwegge: Die Lohnnebenkosten sind ein tolles Stichwort, weil es DAS zentrale neoliberale Mantra schlechthin darstellt. Diese Litanei singen alle etablierten Parteien seit vielen Jahren, um ihre Reformpolitik als unausweichlich und notwendig hinzustellen. Aber: Wenn die hohen Lohnnebenkosten in der Bundesrepublik der Grund für die hohe Arbeitslosigkeit wären, dann müsste umgekehrt in Mosambik eigentlich Vollbeschäftigung herrschen, weil die Lohnnebenkosten dort gleich null sind.

Die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber entscheidet also gar nicht darüber, ob eine Volkswirtschaft auf den Weltmärkten erfolgreich ist oder nicht. Dennoch haben es die Neoliberalen und Wirtschaftslobbyisten geschafft, die Lohnnebenkosten zum Fetisch zu erheben, sie in den Mittelpunkt aller Reformdebatten zu rücken und zum zentralen Druckpunkt auf den Sozialstaat zu machen.


sueddeutsche.de: Sollten die Arbeitgeber darüber hinaus stärker belastet werden?

Butterwegge: Ja. Die DAX-Unternehmen verdienen so viel Geld, dass sie mehr dazu beitragen könnten, soziale Probleme wie die Kinderarmut in den Griff zu bekommen. Gleiches gilt für die Spitzenverdiener. Die ständige Entlastung dieser beiden Gruppen stellt ein großes Problem dar.


sueddeutsche.de: Gehen wir mal von den theoretischen Konzepten weg und wenden uns konkreten Personen zu: Was halten Sie von der Politik Angela Merkels?

Butterwegge: Relativ wenig, denn ich weiß spätestens seit dem Leipziger CDU-Parteitag im Dezember 2003, wie aufgeschlossen sie neoliberalen Konzepten in der Steuer-, Sozial- und Gesundheitspolitik gegenübersteht. Wenn sie könnte, würde Frau Merkel wesentlich wirtschaftsfreundlicher agieren, als sie es in der Großen Koalition darf.


sueddeutsche.de: Ist Guido Westerwelle neoliberaler als Merkel?

Butterwegge: Naja, das Wort "neoliberal" hört er nicht gern. Westerwelle bezeichnet sich lieber als "neosozial". Dabei betreibt er unter dem Stichwort "mehr Eigenverantwortung" die Demontage des Sozialstaats. Und das ist als "neoliberal" treffend charakterisiert.


Das ganze Interview: [Links nur für registrierte Nutzer]

Eine Bilderstrecke über die Definition von verschiedenen Parteien/Verbänden was Neoliberalismus für sie bedeutet gibt es hier:

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Mit der andauernden Privatisierung von z.B der Eisenbahn bin ich nicht gerade glücklich und was sich damit verbessert haben soll weiß ich auch nicht.Die Fahrpreise für eine 3 km Strecke mit dem Zug betragen EINZELN bei uns 3,55€uro pro einfache Fahrt.Die Regionalbahnen sind ziemlich oft verschmutzt/versaut.Die Schalter hier wurden geschlossen.Die Bahnleute sind keine Beamten mehr und die Lokführer wollen jetzt z.B 30% mehr Lohn wenn nicht streiken sie und es steht ziemlich vieles dann wohl mal wieder still....

Der Strommarkt wurde liberalisiert vor 7 Jahren und wie teuer der Strom geworden ist sieht wohl jeder an seiner eigenen Rechnung.Die Konzerne fahren fette Gewinne ein,erhöhen die Preise eher vorschnell und Preissenkungen an der Leipziger Strombörse werden WENN überhaupt nur sehr zögerlich und verspätet weitergegeben...

Die Privatisierung von Krankenhäusern hat mittlerweile schon abartige Auswüchse angenommen s. hier:

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"Im niederrheinischen Wegberg sind innerhalb eines Jahres über zwei Dutzend Menschen gestorben, weil Ärzte falsch, unnötig oder stümperhaft behandelt haben sollen. Der Verdacht: Der neue Chef der privatisierten Klinik habe auf Kosten der Gesundheit seiner Patienten Kasse machen wollen."

Durch die soziale Kälte wird unsere Gesellschaft leider immer verrohter und es sieht nicht so aus als ob sich da noch was ändern ließe......

Wie steht ihr dem Neoliberalismus gegenüber??