Ich gebe zu, ich habe zeitweise auch an die Existenz eines höheren "Wesens" als Schöpfer der Welt geglaubt und stand mit dieser Meinung in meiner Familie alleine da. Nach dem Studium der atheistischen Philosophie Schopenhauers wurde ich jedoch eines besseren belehrt und habe mich von Gott abgewendet, Gott ist tot, wie Nietzsche schon richtig sagte.
Das Hauptproblem Gottes ist, daß er nicht beweisbar ist, also nicht mit dem menschlichen Intellekt verstehbar. In der Kritik der reinen Vernunft von Kant wurde der Gottesbeweis endgültig ad absurdum geführt, da die Vernunft mit Begriffen hantiert, die nicht mehr aus der Anschauung geschöpft sein können und sich jeder Bezug auf Begriffe wie Seele, Gott usw. aus einem Glauben bzw. der Phantasie speisen muss.
Deswegen akzeptiere ich jeden, der glaubt. Ihn zu widerlegen ist zwecklos, da die Anschauung, aus der er schöpft, nicht intellektueller sondern emotionaler Natur ist und das Motiv seines Glaubens tiefe psychologische Ursachen haben muss.
Mir ist aufgefallen, daß ich, als ich noch an Gott glaubte, Gott als eine zweite Person in mir betrachtete, als einen stillen Begleiter und Seher meines Lebens. Insofern waren alle Gespräche mit Gott reine Monologe mit mir selbst, und jede Wahrheit, die ich empfing, ging von mir selbst aus.
Ich verstehe den Gottesglauben als einen Fixtionspunkt für das metaphysische Bedürfnis, d.h. man schafft sich eine zweite Person, in die man alle seine Wünsche, Sehnsüchte, Hoffnungen und ungeklärten Fragen projeziert. Diese Person steigert sich zu einer Art Allmacht.
Der Mensch schafft sich laut Freud aufgrund seines permanenten Mangels Prothesen, in Form materieller Güter oder kultureller Errungenschaften, die ihn von seiner angeborenen Unvollkommenheit etwas entrücken. Die höchste Form einer solchen Prothese, der zweiten Person in uns, ist somit Gott. Gott ist die vollkommene Prothese des Menschen. So sagte Feuerbach richtig: Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde.
Gott ist die idealisierte Form des Menschen, der Archetypus des Menschen, die in den Dingen vorhandene Idealform des Seins, nachdem alles Leben strebt. Gott ist somit wirklich in uns und wir sind ein Teil von ihm, ein Teil von der Idealform, nach der sich alles Leben mehr oder weniger ausrichtet, daher die großen ethischen Normen und Grundideen der Liebe, Güte und Allmacht Gottes. Denn das ist es, wonach wir uns sehnen, weil wir selbst unvollkommen sind und dies spüren.
Da ich aber Atheist geworden bin, weiss ich, daß Gott nur in mir als zweite Person existierte, als Prothese meiner Sehnsüchte und Unvollkommenheit, daß ich es aber in Wahrheit bin, der dieser Gott ist und ich die Allmacht im Kern verkörpere, das Gute zu tun und diese Welt zu verändern, nach meinem Bilde, weil ich es will.
Um mit Schopenhauer abzuschließen, der mich tief beeinflusst hat, bleibt folgendes Zitat:
Denn sein ist der Wille: und wie der Wille ist, so ist die Welt. Die Verantwortlichkeit für das Daseyn und die Beschaffenheit dieser Welt kann nur sie selbst tragen ...
---