Wer hat Angst vorm Minarett?
Deutschland streitet über die geplante Zentralmoschee in Köln
Sendeanstalt und Sendedatum: WDR, Sonntag, 15. Juli 2007
Sie stellen nach den christlichen Kirchen die zweitgrößte Religionsgemeinschaft hierzulande: die fast 3,5 Millionen in Deutschland lebenden Muslime. Dennoch schlägt der Islam erst allmählich bei uns Wurzeln. Und wo er aus dem Status einer "Hinterhofreligion" heraustritt, sind Konflikte vorprogrammiert - egal ob es sich um Sakralbauten oder das Kopftuch handelt.
Streit um Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld
Bestes Beispiel dafür, wie emotional die Debatte geführt wird, ist der Streit um den geplanten Bau einer Zentralmoschee im Kölner Stadtteil Ehrenfeld, der teilweise geradezu kulturkämpferische Züge trug und wiederholt Befürworter und Gegner auf die Straße trieb.
Bildunterschrift: Ein Plakat gegen Rechts am Rande einer Demonstration von, die gegen den Moscheebau Front machen.
Ende 2005 hatte die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) einen Architekturwettbewerb für die Gestaltung des Geländes an der Venloer Straße ausgeschrieben. In einem zweistufigen Verfahren entschied sich die Jury unter 32 Einsendungen für das Konzept der renommierten Kirchenbaumeister Gottfried und Paul Böhm. Sie entwarfen einen Gebäudekomplex mit 20.000 Quadratmetern Geschossfläche, in dessen Mittelpunkt eine 35 Meter hohe Kuppel und zwei 55 Meter hohe Minarette stehen. Angelegt als eine Art Gemeindezentrum, umfasst er eine Bibliothek, ein Kaffeehaus, einen Basar mit Geschäften, Büros, Schulungsräume sowie einen Gebetsraum, der 1.950 Gläubigen Platz bietet. Nach internen Überlegungen entschloss sich die DITIB als Bauherrin, den Siegerentwurf auch zu realisieren. Als die rechtsextreme Vereinigung "Pro Köln" massiv Front gegen den Bau machte, verschärfte sich im Laufe des Jahres 2006 der Ton.
Debatte über den Stand der Integration
Spätestens seit der in Köln lebende jüdische Publizist und Schriftsteller Ralph Giordano im Mai dieses Jahres wortgewaltig gegen die Moschee intervenierte, hat sich der Disput um die Ehrenfelder Moschee zu einer - im Hinblick auf den Gipfel im Kanzleramt in dieser Woche - höchst aktuellen bundesweiten Debatte über den Stand der Integration in Deutschland ausgeweitet.
Zeichen der Integration oder Herrschaftsgeste?
An der Frage, wofür der monumentale Sakralbau in der Domstadt steht, scheiden sich die Geister. Für die einen ist er legitimer Ausdruck der Religionsfreiheit, der selbstbewussten Religionsausübung, der Toleranz und ein Zeichen der Integration, für die anderen Symbol einer Parallelgesellschaft, politisches Statement und Herrschaftsgeste der muslimischen Minderheit gegenüber der Mehrheitsgesellschaft. In die Debatte haben sich inzwischen viele Prominente eingemischt, von Vertretern der Kirche wie der Vorsitzende der Katholischen Bischofskonferenz Kardinal Karl Lehmann über Intellektuelle wie Henryk M. Broder bis hin zu Schriftstellern wie Dieter Wellershoff.
Der Publizist Günter Wallraff ist zwar kein "glühender Befürworter" des geplanten Gotteshauses, lehnt es aber auch nicht ab. Er will die DITIB beim Wort zu nehmen, die die Moschee nach eigenem Bekunden zu einem Ort des Dialogs machen möchte, und gemeinsam mit dem Verband eine Lesung von Salman Rushdies "Satanischen Versen" veranstalten. Die DITIB habe sein Vorhaben keineswegs als Provokation aufgefasst, sondern diskutiere vielmehr ernsthaft darüber. Das bestätigte der Dialogbeauftragte der DITIB, Bekir Alboga.
Anders als Wallraff hat die türkischstämmige Soziologin Necla Kelek Bedenken gegen den Bau der Zentralmoschee, den sie als "ein politisches Statement des Islam in Beton" bezeichnet. Für sie sind Moscheen wie das Kopftuch sichtbares Zeichen der Abgrenzung und nicht der Integration.
Dass der repräsentative Sakralbau den Charakter eines politischen Statements hat, ist Architekt Paul Böhm durchaus bewusst. Allerdings legt er es anders aus. Mit seiner Planung treffe er "die Aussage, dass wir es als richtig empfinden, dass zehn Prozent der Kölner Gesellschaft einen angemessenen Ort für ihre Gemeinschaft erhalten sollen". Er bestreitet, dass sein Werk eine Art Manifestation des Islamismus sei. Vielmehr sieht er darin "eher eine Öffnung dieser Religion in die Moderne".
Arzu Toker plädiert für eine konsequente Trennung von Staat und Kirche bzw. Religion. Die Mitbegründerin und stellvertretende Vorsitzende des "Zentralrates der Ex-Muslime" hält Moscheebauten deshalb für überflüssig. Sie hatte die Integrationspolitik der Bundesregierung wiederholt wegen ihrer islamfreundlichen Haltung kritisiert.
Für den Politikwissenschaftler Klaus Leggewie, der seit Mitte Juli das Kulturwissenschaftliche Institut (KWI) in Essen leitet, ist der Bau des Gotteshauses das sichtbare Zeichen, dass der Islam in Deutschland angekommen sei und viele seiner Anhänger auch hier auf Dauer ihre Religion leben