"Hauptstadt des Verbrechens"? Von wegen . . .
Die Statistik zeigt es anders, als man gerne interpretiert...
Frankfurt. Frankfurts Problem ist nicht ein Übermaß an Straftaten, Frankfurts Problem sind seine wenigen Einwohner. Das ist der Blickwinkel von Polizeipräsident Harald Weiss-Bollandt, wenn er auf die jüngste Kriminalstatistik schaut. Das in deren Folge verliehene Prädikat für die Mainmetropole als "Hauptstadt des Verbrechens" bekümmert ihn. Zu vordergründig sei dies, die Statistik nicht hinreichend differenziert betrachtet. Denn: Frankfurt gehört zu den an Einwohner kleineren der miteinander verglichenen Städte, nach Ansicht Weiss-Bollandts aber die mit dem größten Einzugsbereich – aus dem Umland, durch die Messe, vor allem durch den Flughafen, dem größten Europas. "Tagsüber sind mindestens 1,3 Millionen Menschen in der Stadt", rechnet der Polizeipräsident vor. So gesehen liege die Bankenstadt verbrechensstatistisch "im Mittelfeld".
Die mit "Messe" und "Flughafen" beschriebene spezielle Struktur sei geradezu einzigartig. Bremen, Essen und Dortmund fehle sie ganz, Köln und Düsseldorf weitgehend und eigentlich auch Hamburg, München und Berlin, so der Polizeichef. "Zwölf Prozent der in Frankfurt registrierten Kriminalität entfällt auf den Rhein-Main-Flughafen." Wenn dort etwa ein chilenischer Langfinger einem chinesischen Geschäftsmann bei dessen Zwischenstopp ein wertvolles Notebook entwende, belaste das die Kriminalitätsstatistik Frankfurts. Fakt ist: In allen miteinander verglichenen Großstädten ist die Zahl der Verbrechen gestiegen. Ausnahmen sind Bremen und Berlin. In der Hansestadt, an der es kaum Aufregendes gibt außer vielleicht den nach dem Deutscher-Meister-Titel strebenden Bundesliga-Kickern, ist die Kriminalitätsrate konstant. In Berlin indessen ist sie rückläufig. "Das hört sich ja ganz gut an", kommentiert Harald Weiss-Bollandt, meldet aber sogleich Bedenken an. Schaue man nämlich auf die absoluten Zahlen, sei ein anderer Eindruck unabweisbar: 563 905 Verbrechen wurden in Berlin gezählt, in Frankfurt in der gleichen Zeit nur 111 875 Fälle. "Bei diesem Verhältnis Frankfurt als Verbrechenshauptstadt zu bezeichnen, ist lächerlich und trifft nicht den Kern der Sache", so Weiss-Bollandt.
Nicht schön reden oder wolle er die aktuellen Zahlen, sondern "nüchtern ansehen". Dieser Betrachtungsweise entzieht sich nicht, dass im vergangenen Jahr die Zahl der Wohnungseinbrüche in Frankfurt angestiegen ist – um stattliche 25 Prozent. Dieser Zahl muss man freilich gegenüber stellen, dass sich 2001 die Zahl der Wohnungseinbrüche gegenüber dem Vorjahr nahezu halbiert hatte, 2002 ein abermaliger Rückgang um 2,3 Prozent registriert wurde. Eine beträchtliche Anzahl der 2003 registrierten Einbrüchen ginge zurück auf "gesteigerte Aktivitäten osteuropäischer und chilenischer Banden", so Harald Weiss-Bollandt. Bedauerlicherweise sei der Einbruchdiebstahl ein Delikt mit engen Grenzen für polizeiliche Prävention.
So findet sich schließlich für jede tatsächliche oder vermeintliche Entwicklung eine Erklärung, auch für die Steigerung bei den Gewaltdelikten, als da sind Körperverletzungen, Raub, Mord, Totschlag, Vergewaltigung. "Diese Delikte machen lediglich 3,3 Prozent der Gesamtkriminalität in unserer Stadt aus", erklärt der Polizeipräsident. Die 2003 registrierte Steigerung um 0,1 Prozent sei, objektiv gesehen, "unbedeutend". Indessen beeinträchtigten gerade Gewaltdelikte das subjektive Sicherheitsgefühl der Frankfurter. Um das zu verbessern, würden in einem Mehr-Stufen-Plan die Polizeikräfte gebündelt und verstärkt. Harald Weiss-Bollandt: "2005 und 2006 werden landesweit 500 zusätzliche Polizeistellen eingerichtet." Wie viele davon auf Frankfurt entfielen, stehe derzeitig noch nicht fest. Bereits jetzt müssten Spitzbuben und Schwerverbrecher sich auf eine verstärkte Polizeipräsenz einstellen: "Durch die neue Arbeitszeitregelung für Beamte müssen auch Polizisten statt bislang 38,5 Wochenstunden fortan 42 arbeiten - zusätzliche zeit für die Sicherung der Bürger."