Nachdem mir im Reiligionsforum ein Strang mit dem Titel "Beten für die Heimat" sauer aufgestoßen ist (war das ernst gemeint oder habe ich die Satire nicht verstanden ?( ?), stellt sich akut die Frage, ob Deutschland an schier unausrottbaren Duckmäusertum der Deutschen zugrunde geht.
Meines Erachtens hat sich in Deutschland zwischen den jeweils Herrschenden und den Beherrschten eine stille Gewalt-Spirale aufgebaut, die so krank ist, dass man sich über Dinge wie sechs Millionen vergaster Juden nicht zu wundern braucht. Auschwitz und co. sind Höhepunkte dieser unseligen Herrschaftstradition. Nicht umsonst gibt es das Wort vom deutschen "Kadavergehorsam", wo der Befehlsempfänger jeden Befehl ausführt - siehe Gaskammer.
Die Herrschaftstradition läuft so:
Die Herrschenden - Adel, Kapitalisten, die jeweilige Regierung - beuten die Menschen aus, eignen sich die Abgaben der Bauern und den Mehrwert der Arbeiter an. Das ist in gewissem Sinne noch "sachrational", aber dazu kommt eine sich verselbstständigende Tyrannei. Und zwar auf zwei Arten:
1. Die Herrschenden nehmen den Beherrschten zu viel weg: zu hohe Abgaben der Bauern, zu lange Arbeitszeiten und zu geringe Löhne der Arbeiter und akut - mittem im Überfluss! - zu wenig Geld für Menschen, die von der Wirtschaft nicht mehr gebracht werden.
2. Die Herrschenden verheizen die Beherrschten bei ihren Ränken und Intriegen, Machtgelüsten und Kriegen. Gehen die Polit-Abenteuer der Herrschenden schief, müssen die Beherrschten die Suppe auslöffeln. Da Eliten in Deutschland eine lange Tradition politischer Blindgängerei haben, bei der der Malerlehrling aus Braunau der Extremste aber nicht der Einzige war und ist, haben die Beherrschenden viel zu ertragen. Bedeutet nicht Leben Leiden :rolleyes: ?
Wenn die Beherrschten revoltieren, werden die Revolten gerade in Deutschland meistens niedergeschlagen - von den Bauerkriegen bis zur Revolution 1918. Fügen sich die Beherrschten dann in die Herrschaft, sehen dass die Herrschenden als Ermunterung, die Daumenschrauben noch fester anzuziehen. So lange, bis Blut aus den Daumen spritzt.
Die Beherrschten fressen ihr Leid und ihre Demütigungen in sich hinein. Ja, sie kontrollieren sich sogar gegenseitig darauf, nicht aufzumucken und geben sich selbst die Schuld an dem Elend. "Der Deutsche macht keine Revolution!" - den Spruch habe ich schon oft gehört. Bricht jemand unter der Last der Tyrannei zusammen, geben ihm die anderen Duckmäuser selbst die Schuld - und nicht dem Tyrannen. SO und nicht anders kommt der "Selbsthass" der Deutschen zustande.
Reichen Selbsthass und Selbstverachtung nicht aus, müssen Sündenböcke her. Von den Hexen bis zu den Juden war dafür alles gut, akut sind es Moslems und Erwerbslose. Der Erniedrigte braucht jemanden, auf dem er selbst treten kann.
Die Ursprünge der Herrschaftstradition
IMHO kann man sie sehr weit gefasst bis zu Karl dem Großen zurück verfolgen. Schon da übten sich die neu an die Macht gelangten Feudaladeligen in der Unterdrückung von Bauernaufständen. Doch ist das Mittelalter weit weg und meines Erachtens durchaus ambivalent und offen für Besseres, als sich dann abgespielt hat.
Hätte die Aufklärung im Hochmittelalter stattgefunden (eher im arabisch-islamischen Raum oder in China als in Mitteleuropa), wäre uns viel Leid erspart geblieben.
Meines Erachtens bildete sich die unselige Herrschaftstradition in der Neuzeit heraus und zwar an drei Kernpunkten:
1. Die Bauernaufstände im frühen 16. Jahrhundert wurden niedergeschlagen. Revolution mal wieder gescheitert, der Duckmäuser duckt sich noch tiefer.
2. Die Reformation des Martin Luther endete IMHO in einem Fehlschlag. Soweit ich das beurteilen kann, hatten die Reformatoren den Herrschaftsstil der Päpste in Rom und den damit verbundenen Zweiklang von Hedonismus und abstrusen religiösen Dogmen - Ablass der Sünden, damit die Päpste ihre Konkubinen aushalten konnten - satt. Sie wollten eine Kirche und einen Glauben, der denkfähigen Menschen vermittelbar war.
Sie bekamen eine weitere Spaltung des Christentums, weitere dogmatische Verknöcherung, Inquisition hie, "Thron und Altar" da. Der "Augsburger Religionsfrieden" meines Wissens von 1555 mit der schönen Phrase "eius regios, cuius religio" - "wem das Land, dem der Glaube" besiegelte IMHO den moralischen Bankrott der Reformatoren, die einst mit "der Freiheit des Christenmenschen" angetreten waren. Wechselte ein Fürst seine Konfession, mussten die Untertanen sie auch wechseln. Glaubens- und Gewissensfreiheit nur für den Adel. Noch im 20. Jahrhundert wurde das in einer freikirchlichen Postille als großer Erfolg gefeiert - für mich nur ein Zeichen, wie tief Duckmäusertum und Chritentum miteinander verwoben sind.
3. Der Dreißigjährige Krieg. Zwischen 1618 und 1648 wurden den Deutschen ALLE Nachteile einer Katastrophe aufgebürdert. Klimakatastrophe mit Schnee bis in den Juni, Hunger, Missernten, Krankheiten, Kriegstote - von 15 Millionen Menschen kamen 3 Millionen um. Sofern das Wort "Kriegsverbrecher" überhaupt Sinn macht, waren die Anführer aller Kriegsparteien Kriegsverbrecher.
Doch sie wurden nicht gestürzt, gelyncht, verbrannt oder vors Kriegsverbrechertribunal gezerrt - nein, sie gingen als Staatsmänner und Feldherren in die Geschichte ein.
Der Dreißigjährige Krieg endete nicht mit dem überfälligen Zusammenbruch der Herrschaft von Territorialfürsten, sondern diese gingen vom Feudalismus zum Absolutismus über und traktierten ihre "Landeskinder" eher noch gnadenloser als zuvor. Mit Armeen aus Zwangsrekrutierten führten sie gegeneinander Krieg, bis die Bürgerheere des revolutionären Frankreichs und Napoleons die deutschen Territorialstaaten zu Klump hauten. Preußen und Österreich waren plötzlich nur noch Kleinstaaten, die vom Korsen mit mehr Recht als ihm klar war, gedemütigt wurden. Nur ging er nicht gründlich genug vor und erlaubte ihnen ein Comeback.
Die Guillotine und eine wohl verdiente Zukunft als Vasallen Frankreichs vor Augen entdeckte das deutsche Herrenpack den Nationalismus. Es entdeckte ihn als Mittel, um das deutsche Volk gegen die Franzosen zu mobilisieren - siehe Völkerschlacht von Leipzig. Selbst glaubten und glauben die Herrschenden nicht an die Nation. "Nation" und "Nationalisten" sind für sie nur Werkzeuge, um ihre eigene Herrschaft aufrecht zu erhalten.
"Zeige mir eine Ideologie und ich zeige dir Duckmäuser"
Was mich an den akuten Diskursen am meisten stört ist, dass sie allesamt auf die eine oder andere Art und Weise die unselige Herrschaftstradtion fortsetzen wollen. Vom harten NPDler und Nationalisten bis zum hedonistischen Linksliberalen ist die Welt so aufgebaut:
1. Es gibt die oben, für die die Welt gemacht ist
2. Es gibt die Masse, die sich in die Herrschaft fügen muss
3. Es gibt die ganz Unten, die Augeschlossenen, die Parias, die als Sündenböcke dienen
Der NPDler und der Linksliberale unterscheiden sich nur darin, wer die jeweiligen Rollen zu besetzen hat und in welchem Ton sie ihre Weltanschauung rüberbringen. Beim NPDler ist es eher brüllig, opitimistisch bis illusorisch, beim Linksliberalen leise, verhalten und resigniert. Das Aufbegehren für eine Welt ohne Herren und Knechte, eine Welt ohne Etno- oder Klassen-Scheiß, in der alle Menschen halbwegs normal leben können, findet bei beiden nicht statt.
Der NPDler predigt die Errichtung einer neuen Herrschaft, der Linksliberale die Unterwerfung unter die bestehende Herrschaft. Bis die Herrschaft sie beide kaputt macht :rolleyes: