In einigen Wochen jährt sich nicht nur der 50. Jahrestag des Beginns der Raumfahrt, diesen Herbst hat auch die Oktoberrevolution ein rundes Jubiläum: den 90. Jahrestag und um den 100sten ist ein Remake nicht ausgeschlossen.
Vermutlich würden viele Ostblock-Geschädigte und Antikommunisten diese Jubiläen am liebsten ignorieren oder laut schimpfend in die Tonne treten. Auch Menschen, die nie in einem staatssozialistischem Land gelebt haben, würden sich vielleicht gern mit anderen Dingen beschäftigen.
Doch die Zustände und Diskurse zwei Jahrzehnte nach dem Zusammebruch des Staatssozialismus in der SU und ihren Satellitenstaaten sind sowohl in Ost wie West alles andere als erbaulich. Entwicklungen nach dem Motto "from bad to worse" in vielen "Transformationsländern" und auch im Westen machen die Oktoberrevolution wieder aktuell.
Den Zusammenbruch des Sozialismus haben reaktionäre Kräfte genutzt, deren Denken sich mit "nichts vergessen und nichts gelernt" beschreiben lässt. Die Oktoberrevolution als negative Erfahrung anzusehen, ist eine Sache. Aus dieser Erfahrung keine Lehren zu ziehen, provoziert eine Wiederholung dessen, was angeblich oder tatsächlich ein Alptraum war.
Irgendwann träumt dann die Bourgeoisie und ihre Vollstrecker nicht mehr von Umlaufrendite, Intrigen und Karriere, sondern von einem Kerl mit Stirnglatze und Spitzbart und es sind keine schönen Träume mehr
Deshalb hier schon mal eine Bewertung dessen, was mit der Oktoberrevolution theoretisch und praktisch, implizit und explizit verbunden war:
1. die bürgerliche Gesellschaft ist unreformierbar
2. die bürgerliche Gesellschaft muss notfalls mit Gewalt beseitigt werden
3. zunächst muss eine autoritäre Zentralregierung her
4. in bürgerlichen Verfassungen enthaltene Grund- und Menschenrechte sind abzuschaffen
5. keine unabhängige Rechtsprechung
6. Terror gegen den "Klassenfeind" (Tscheka)
7. auch rivalisierende linke resp. anarchistische Gruppen sind zu beseitigen
8. wo möglich, muss die Revolution mit Gewalt in andere Länder getragen werden - "Export der Revolution" z. B. in kaukasische und mittelasiatische Staaten, die sich von Russland gelöst hatten, vergeblich nach Polen
9. sofern der Einzelne nicht gegen das System opponiert, kann er tun und lassen was ihm beliebt
10. Avantgardismus in der Kunst
11. Modernität und Fortschrittsglauben
12. führende Rolle der Staatspartei
13. Aufbau einer starken Armee ("Rote Armee")