Im Spielfilm "Der großen Diktator" gibt es eine beeindruckende Szene, in der Adolf Hitler mit der Weltkugel spielt ... bis es einen großen Knall gibt, sie geplatzt ist und Adolf dumm aus der Wäsche schaut.

Nun, an DEM ist die Welt nicht zugrunde gegangen, obwohl er sich beim Kaputtmachen redlich Mühe gegeben hat. Auch nicht an seinem Diktatorenkollegen Stalin ... womit wir uns dem nächsten Untergangsszenario nähern. In dem Spielfilm "Als die Erde Feuer fing" zünden im Kalten Krieg die USA und die Sowjetunion zwei Atombomben von so gewaltiger Sprengkraft, dass sie die Erde aus der Umlaufbahn um die Sonne werfen. Die Erde droht, in die Sonne zu stürzen und der Film endet damit, wie erneut Atombomben gezündet werden, welche die Erde wieder auf ihre alte Umlaufbahn bringen sollen.

Auch am Kalten Krieg ist die Welt nicht zugrunde gegangen. Wie die Nazis vor ihm hat der Kalte Krieg und der atomare Wahn Gegenkräfte mobilisiert, die den Untergang verhindert haben. Mit einem großen Knall scheint die Welt nicht zu enden - dafür mit vielen kleinen :rolleyes: ?

Womit wir beim Liberalismus wären ...

Nach 1989 hat schließlich das Dreigestirn aus wirtschaftlichem, politischem und gesellschaftlichem Liberalismus gesiegt. Doch zwei Jahrzehnte nach diesem Sieg, den ich damals durchaus positiv gegenüberstand, frage ich mich, ob die Welt diesen Sieg überstehen wird.

Der wirtschaftliche Liberalismus

bedeutet kurz und knapp den totalen Rückzug des Staates aus allen wirtschaftlichen und sozialen Belangen. Infrastruktur, Gesundheit, Bildung, auch Sicherheit und Medien sollen komplett privaten Unternehmen und "Marktkräften" überlassen werden. Idealerweise sind die Gewerkschaften zu zerschlagen und die Arbeitsbeziehungen zu "deregulieren" - Tarifverträge aushöhlen und Mindestlohn mit Zähnen und Klauen verhindern.
Jede auch in anderen Formen des Kapitalismus gegebene "führende Rolle" des Staates vor Privatunternehmen ist abzuschaffen. Der Staat darf die private Wirtschaft nicht mehr führen, sondern wird auf ihren Diener und Vollstrecker ihrer Interessen ohne eigene Gestaltungsmöglichkeiten reduziert.

Das Leben wird auch in reichen Gesellschaften unsicherer, die Reichen werden reicher und die Armen ärmer ... ist ja Sinn der Übung

Der politische Liberalismus

hat als Kernpunkt die gleichmäßige Verteilung der Macht innerhalb der Eliten bei möglichst geringer Partizipation der Massen. Das ist Sinn und Zweck der "repräsentativen Demokratie", die vielen machtgeilen Opportunisten eine Spielwiese bietet, ohne einen davon zu mächtig werden zu lassen. Das Volk hat nichts mitzubestimmen, da es in der Regel keine Plebiszite gibt und die Masse der Mandatsträger und Funktionäre nicht seine Interessen, sondern die der wirtschaftlich Mächtigen vertritt.
Der Staat hat im politischen Liberalismus keinerlei Sinn gebende, Ordnung stiftende oder erzwingende, sozialen Ausgleisch schaffenden, die Wirtschaft gestaltende oder öffentliche Leistungen erbringende Funktion mehr. Aber er wird nicht in anarchistischer, anarchokapitalistischer Sicht abgeschafft. Vielmehr funktioniert er nach dem Motto: Hat er keine Aufgabe mehr, läuft der Apparat um so schneller. Politiker, die absolut nichts zu vertreten haben, tun dies mit einem Eifer und einer Eitelkeit, die erstaunlich ist.

Der gesellschaftliche Liberalismus

hat zwei Extreme:

1. Jeder kann tun und lassen, was er will, solange er niemand anderem damit schadet > das Einzige, was ich am Liberalismus vorbehaltlos billige, wäre da nicht die Instrumentalisierung dieses Prinzips

2. Das freie Spiel der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und ideologischen Kräfte. Das untergräbt im Extremfall Prinzip 1., weil ja auch Kräfte mitspielen können, die gegen individuelle Freiheit sind.

Zudem bezweifle ich, dass individuelle Freiheit so ein Urprinzip des Liberalismus ist, wie die Liberalen immer tun. Die Arbeiterbewegung hat viel mehr für die politischen Rechte der Massen, die Emanzipation der Frau und sogar der Homos getan als die "klassischen" Liberalen. Erst unter der SPD wurde 1969 der Nazi-Paragraph 175 zumindest entschärft, die FDP des Herrn Mende hat ihn von 1949 bis 1966 mitgetragen.
Individuelle Freiheit ist eher das Leckerli, um die apathischen Massen bei der Stange zu halten und ihnen Angst vor rechten Anti-Liberalen zu machen. Wobei es die Liberalen so als Köder einsetzen, wie es die Nazis mit dem Gemeinschaftsgefühl oder die Stalinisten mit materieller Sicherheit taten.

Das Gesamtkunstwerk "Liberalismus" bewirkt in Reinform Folgendes:

1. Die sozialen Gegensätze nehmen zu > wirtschaftlicher Liberalismus
2. Die Eliten liefern sich Konkurrenz- und Machtkämpfe unter weitgehendem Ausschluss der Massen > politischer Liberalismus
3. Die Gesellschaft zerfällt, was ich ambivalent sehe. Tradierte Strukturen waren im Extremfall so repressiv, dass selbst das Single-Dasein vorzuziehen ist. "Single" ist aber nichts Halbes und nichts Ganzes, auf Dauer nur Durchgangsstation zu freien Formen von Gemeinschaftlichkeit ...

... so wie der ganze Liberalismus bestenfalls nur Durchgangsstation von durch Not und Unwissenheit begünstigten erzwungenen Formen der Vergesellschaftung zu durch materiellen Reichtum und geistiges Wissen ermöglichten freien Formen der Vergesellschaftung sein kann.

Doch nun gibt es ihn schon zwei Jahrhunderte als Dauerzustand und ich frage mich v. a. angesichts der Diskurse seit 1980, ob es sich da um eine Ideologie handelt, an welcher die Menschheit ebenso zugrunde gehen könnte wie an einer Seuche.
Schon mein Lieblingsreationär Donoso Cortes erkannte den Unterschied zwischen den von ihm ehrlich gehassten Linken und den zynisch Verachteten Liberalen:

Die Linke - für Cortes sein Lieblingsfeind Bakunin - stellte der christlichen (katholischen) Welterklärung eine eigene Welterkläruing gegenüber. Die Liberalen verzichteten auf jede Welterklärung. Dadurch und weil sich die Liberalen v. a. nach 1989 endgültig gegen die Linken durchgesetzt haben, wurde auch der Moderne und in ihr lebenden Menschen jede authentische Welterklärung verweigert.

Der von Cortes favorisierte rabiate religiöse Fundamentalismus (bei ihm Katholozismus) kann die Lücke nicht füllen, was ich angesichts mancher Sätze in Cores' '"Essay" zu den Themen Feuer und Scheiterhaufen auch ganz gut finde :rolleyes: Es ist sogar so, dass selbst die Religionen im Zeichen der absoluten Beliebigkeit in den geistigen Sumpf des Liberalismus gezogen werden. Christen und Moslems, Islamisten und Evangelikale spielen alle brav ihre Rollen in der Globalisierung, Religion wird zu einem Artikel im postmodernen Supermarkt. Sinn und Zweck ist für mich klar: die Köpfe der Menschen zu vernebeln, damit sie nicht anfangen zu denken.

Der Religiöse flüchtet sich dann in eine "neue Innerlichkeit" und baut sich mit tradierten Mitteln einen Schutzwall gegen das liberale Nichts. Aber gerade der Atheist, Agnostiker, Modernist, Aufklärer, Emanzipierer, Rationalist oder selbst Technokrat, der oder die für Tradition und Wortglauben unempfänglich ist oder für den oder die in Welt der Cortes' nur ein Platz auf dem Scheiterhaufen wäre, ist dem liberalen Nichts am hilflosesten ausgeliefert. Alle positiven, eigenen Werte, Konzepte, Visionen und Utopien der Moderne werden von den "Liberalen" und den Apologeten des "Liberalismus pur" ja ebenso verworfen wie die tradierten Werte. Es bleibt ja im Wortinne nichts - keine neuen Lebensformen, weder die ökologische Kommune auf dem Lande noch die Stadt auf dem Mond. Es gibt weder funktionierende Nationalstaaten noch eine geeinte Menschheit - die Globalisierung macht beides zunichte. Es gibt weder die Bewahrung tradierter Lebensweisen und Kultur (soweit sie bewahrenswert ist) noch im Zeichen wissenschaftlich-technischer Visionen eine geistige Weiterentwicklung.

Letzendlich wird dem Einzelenen und der Menschheit als Ganzem jeder Daseinszweck abgesprochen. Wozu das führt, hat ein Bericht über Schulschwänzer so eindrucksvoll wie erschreckend illustriert: die Gören gehen nicht zur Schule, weil sie keine Lust haben, sich da auf nichts freuen und sie auch keine große Aussicht auf eine Arbeit nach dem Schulabschluss haben. Ein Richter mit dem Spitznamen "Gnadenlos" hat die Schulschwänzer zu Jugendarrest verurteilt. Ohne Erfolg: der Knast war für die Gören nur eine Abwechslung. Zum Schluss war der Richter so frustriert, dass er die Verfahren erst gar nicht eröffnete.

Aber halten diese Kinder nicht der ganzen durchliberalisierten Gesellschaft nur den Spiegel vor? Einer Gesellschaft, wo es keinen Grund für garnix gibt und die sogar für den offenen Nihilusmus und den ehrlichen Anarchismus zu feige und verlogen ist. Sogar der Nihilismus der Nazis wäre da eine heilsame Schocktherapie und der Anarchismus würde Möglichkeiten eröffnen, Gesellschaft auch mal wieder zu gestalten, anstatt sie nur hinzunehmen.

Deshalb: schaffen wir den Liberalismsu ab ehe er uns abschafft!