Der deutsche Wald stirbt nicht, er dehnt sich aus und wird dichter. Er wächst sowohl in der Fläche als auch in der Holzmenge pro Hektar. Die Waldfläche in Deutschland nahm seit 1960 um 500.000 Hektar zu. Auch das Holzvolumen ist in den europäischen Wäldern seit 1950 stark angestiegen. Noch 1986 hatte das Umweltbundesamt einen Rückgang um 30 Prozent bis 1995 prognostiziert. Statt dessen ergaben Messungen des Europäischen Forstinstitutes eine Zuwachssteigerung in dieser Größenordnung.
Verglichen mit früheren Zeiten ist der Zuwachs noch eindrucksvoller. Im 20. Jahrhundert eroberten die Bäume Mitteleuropa nach einer langen Phase rücksichtsloser Holzfällerei zurück. In Deutschland nahm die Waldfläche seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts um rund 20 Prozent zu.
Insgesamt bedecken Wälder in Deutschland 10,7 Millionen Hektar Land. Das sind rund 30 Prozent der Gesamtfläche. Der Trend zu ökologisch verarmten Fichten- und Kiefernmonokulturen ist gebrochen. Heute wachsen auf immerhin 56 Prozent der Waldfläche wieder Laub- und Mischwälder.
Das zu Anfang der achtziger Jahre befürchtete großflächige Absterben der Wälder hat nicht stattgefunden. Es gibt jedoch regionale Waldsterben, die allerdings auch schon in der Vergangenheit vorkamen, sogar in vorindustriellen Zeiten. Besonders schlimm betroffen sind die Nadelwälder an den windexponierten Westseiten der Gebirge. Auf ganzen Hängen in den Hochlagen des Erz- und des Fichtelgebirges, des Harzes und der Alpen sind die Bäume abgestorben. Das Europäische Forstinstitut (EFI) gibt an, daß drei bis fünf Prozent der Wälder von solchen Schäden betroffen sind. Seit einigen Jahren kommt es auch immer wieder in verschiedenen Regionen zu einem Absterben von Eichen und Buchen. Wissenschaftler konnten als Ursache dafür eine Feinwurzelfäule ermitteln, die von Pilzen der Gattung Phytophthora hervorgerufen wird.
Die meisten Bilder, die heute noch zu den immer wiederkehrenden Waldalarm-Artikeln gedruckt werden, zeigen extrem geschädigte Standorte, wie im Erzgebirge, wo die Rauchschwaden veralteter tschechischer Kraftwerke schlimme Verwüstungen anrichten. Oder sie zeigen Waldverluste, die auf das Konto des Orkans »Wiebke« gehen, der in der Nacht des 1. März 1990 rund 120 Millionen Waldbäume umgerissen hat (beispielsweise im Spiegel in Heft 47/1995 - doch dort wurde »Wiebke« nicht erwähnt).
So schreibt der Botaniker Professor Otto Kandler: »Unter ganz normalen Bedingungen variiert die Kronendichte in Abhängigkeit von Witterung, Standort und Art des Bodens bei Nadelbäumen um das Drei- und bei Laubbäumen um das Vierfache. Ein Wald an ungünstigem Standort kann also im Vergleich zu einem auf gutem Boden bis zu 66 Prozent weniger Nadeln respektive bis zu 75 Prozent weniger Laub tragen.
Selbst bei Verlusten von 70 Prozent - etwa in besonders trockenen Jahren - können sich Bäume wieder vollkommen erholen. Helmut Schulz, Leiter des Referates Ökologie und Grundsatzfragen der Umweltforschung im Forschungsministerium, hält die Methodik der Waldschadensinventur seiner Kollegen vom Landwirtschaftsministerium für äußerst fragwürdig. Er sagt: »Eine Ableitung von Waldschäden aus der Erhebung des Kronenzustands ist nach heutigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht möglich.«