Die konventionelle Geschichtsschreibung zu den Revolutionen der Moderne sieht so aus:

Die bolschewistische Revolution von 1917 und die faschistische Revolution von 1933 werden als mehr oder weniger große Katastrophen betrachtet. Sie werden als der Beginn von Systemen angesehen, die den Tod von 'zig Millionen Menschen zu verantworten haben und die an ihren eigenen Widersprüchen zugrunde gegangen sind.
Selbst bei den Linken, deren Projekt "1917" war, und den Rechten/Konservativen, deren Projekt "1933" war, gibt es massive Kritik an diesen Projekten. Der Linke hätte gern den Sozialismus gehabt, aber keinen Tscheka-Terror und keinen Stalin. Der Konservative resp. Nationalist hätte gern das Deutsche Reich gehabt, aber nicht unbedingt einen Hitler. So gehen in beiden Lagern viele wegen ihrer gescheiterten Revolutionen mit gesenkten Häuptern. Der Konservative schimpft auf Hitler, der Linke auf Stalin - kenne ich beides persönlich und aus Büchern.

Kritik und Selbstkritik ist angesagt und das ist auch gut so.

Doch ganz anders ist es mit den bürgerlichen Revolutionen von 1776 - Amerika - und 1789. Sie werden von ihren Apologeten bis heute als Meilensteine und eindeutiger Fortschritt angepriesen. Dunkle Seiten wie die Sklaverei in den jugen USA oder die Ausrottung der Indianer und der Terror der Jakobiner oder Napoleons Kriege als Folge der Französischen Revolution werden bagatellisiert.

Kritik und Selbstkritik? Man ist doch schließlich der Sieger der Geschichte, nachdem Faschismus und Kommunismus gescheitert sind. Da hat man Kritik nicht nötig und seit 1776 ist bürgerlich-liberal-demokarisch-kapitalistische Geschichte eine einzige Erfolgsstory.

Die bei mir aber einen üblen Nachgeschmack hinterlässt. Denn der Glaube der Bürgerlichen, seit 250 Jahren alles richtig zu machen, führt IMHO eher in den nächsten Totalitarismus. Ich erlebe das bei Diskussionen so:

Mit Linken lässt sich in der Regel gut und konstruktiv über die Oktoberrevolution und den ihr folgenden Sozialismus diskutieren. Bei den meisten ist es Konsens, dass da schwere Fehler gemacht wurden. Die Diskussionen gehen dann um die Art der Fehler und welche Konsequenzen man darauf ziehen sollte.

Mit Rechten, Konservativen, Nationalisten ist das sehr gemischt. Viele von denen sehen in Hitler den Totengräber Deutschlands, manche wünschten sich ein "anderes" Drittes Reich, andere glauben, dass nur äußere Umstände das Projekt Dritte Reich zum Scheitern gebracht haben. Die Diskussionen erlebe ich zwar als sehr kontrovers, aber sie finden noch statt.

Bei den Bürgerlichen ... :rolleyes: ... derzeit habe ich das Gefühl, dass ihnen jede Kritikfähigkeit und Selbstkonstrolle abhanden gekommen ist. Dabei war das nicht immer so. So sehe ich in Poppers "kritischem Rationalismus" und seiner "offenen Gesellschaft" den Versuch einer Antwort auf Kommunismus und Faschismus aus bürgerlicher Sicht. Dieses Projekt scheint das "bürgerliche Lager" selbst fallen gelassen zu haben. Die "offene Gesellschaft" besteht für sie darin, gegen Mindestlöhne zu sein und anstelle "kritischen Rationalismus" ist Neoliberalismus angesagt.

Doch so viel Sturheit und Verblendung wirft bei mir eher die Frage auf, ob die bürgerlichen Revolutionen von 1776 und 1789 nicht ebenso der Beginn von bestenfalls widersprüchlichen, schlimmstenfalls katastrophalen Entwicklungen waren wie die roten und braunen Revolutionen :rolleyes: