Mal eine Frage an die Wirtschafts- und Jurastudenten:
Was ist in eurer Kindheit falsch gelaufen?
Oder neutraler formuliert:
Wie schafft man es, die moralischen Schranken über Bord zu werfen, die in eurem Studium ja anscheinend ein "Wettbewerbsnachteil" sind?
Zur Vorgeschichte: Heute habe ich eine Spanischklausur geschrieben. Während der darauf vorbereitenden Intensivwoche, die aufgrund des Umzugs meiner regulären Lehrerin von zwei anderen Lehrern geleitet wurde, wurden Übungsblätter bearbeitet, von denen einige (ohne Wissen der Lehrer) auch Teil der Klausur waren, wodurch wir den Vorteil hatten, die Antworten teilweise noch im Kopf zu haben. Vor einigen Jahren ist das wohl schon mal passiert, woraufhin sich die anderen Kurse beschwert haben und die Klausurergebnisse annuliert wurden. Mit den oben genannten Studiengängen hat das insofern zu tun, daß diese regelmäßig die Mehrheit in Spanischkursen stellen.
Ich hätte mir in so einem Fall gedacht: "Dann haben die anderen eben Glück gehabt.", aber nein, man muß sich ja ständig bekämpfen und dem anderen jeden kleinen Vorteil neiden. Eine der härtesten Geschichten, die ich von einer anderen Uni gehört habe, war, daß dort einige Leute vor wichtigen Juraklausuren sich aus Fachbüchern die wichtigen Details abschreiben und anschliessend die entsprechenden Textstellen schwärzen, um einen Vorsprung vor den anderen zu haben. So ein asoziales und unsolidarisches Verhalten wäre in meinem Studiengang einfach nicht denkbar.
Es geht mir nicht darum, bestimmte Studiengänge zu "dissen"/"bashen"/beliebiger anderer Anglizismus, da ich mir vorstellen kann, daß der Leistungsdruck mit dafür verantwortlich ist, ich will nur verstehen, wie jemand sein eigenes Gewissen so ausschalten kann, daß er mit den herrschenden Verhältnissen klar kommt.
Es geht mir auch nicht darum, meine Vorurteile zu verbreiten, da ich nicht grundsätzlich jeden Wirtschaftsstudenten ablehne, sondern mir jeden einzelnen erstmal ansehe und ihn in dem Fall ablehne, daß er meine Vorurteile erfüllt.
Eine andere Sache ist, daß ich die Logik hinter diesem auf Leistungsdruck basierenden System für falsch halte:
1. Man könnte natürlich meinen, daß ein Wirtschaftsstudent mehr leistet als ein Geschichtsstudent. Dagegen spricht aber die Tatsache, daß in den Prüfungen der Wirtschaftswissenschaften Spickzettel die Regel und in meinem eigenen Studiengang die absolute Ausnahme sind, und Spickzettel stellen für mich das Eingeständnis in die eigene Unfähigkeit dar.
2. Man könnte ebenso meinen, daß Wirtschaftsstudenten in ihren Veranstaltungen aufmerksamer wären, da sie ja auf das Wissen angewiesen sind. Das genaue Gegenteil trifft aber zu: Der durchschnittliche W.-Student schlägt seine Zeit tot, weil für ihn die Veranstaltung Zwang und Mittel zum Zweck ist. Dagegen besuchen Geschichtsstudenten ihre Veranstaltungen hauptsächlich aus Interesse und um des Wissens willens.
3. Die Ideologie "Jeder kämpft für sich allein." hört sich prinzipiell ganz attraktiv an, da man ja niemanden mitschleifen muß. Nur leider beinhaltet sie auch "Niemand außer mir selbst kämpft für mich.", wodurch man völlig alleine dasteht, wenn man mal Probleme hat.