Zitat von
Mcp
Ich habe Ihre Frage ganz sicher missverstanden, da ich nicht weiß, auf welche Stelle bei Carl Schmitt Sie sich eigentlich beziehen, wenn sie von der „Verleugnung“ des Feindes als Voraussetzung seiner absoluten Vernichtung schreiben. Carl Schmitt hat, soweit ich sein Werk zu kennen glaube, nicht derartiges geschrieben, wiewohl der Feindbegriff bei ihm eine zentrale Rolle spielt, da er den Begriff des Politischen definiert.
Politik ist, nach Schmitt, Feindbestimmung, dabei ist es zunächst gleichgültig ob man ihn als Kongruenten, respektablen Gegner oder zu vernichtenden Feind betrachtet, sondern zunächst ist es die bloße Bezeichnung einer Menschengruppe, die dem Erreichen meiner politischer Ziele entgegensteht und deren Widerstand in der einen oder anderen Weise gebrochen werden muss. Auf welchem Wege dies geschieht, ob innerhalb eines ritualisierten politischen Systems, wie der Demokratie, oder durch gewaltsame Unterwerfung, respektive Vernichtung dieser Menschen ist für die Bestimmung des Begriffes an sich nachrangig.
„Feind ist also nicht der Konkurrent oder der Gegner im allgemeinen. Feind ist auch nicht der private Gegner, den man unter Antipathiegefühlen haßt. Feind ist nur eine wenigstens eventuell, d.h. der realen Möglichkeit nach kämpfende Gesamtheit von Menschen, die einer ebensolchen Gesamtheit gegenübersteht. Feind ist nur der öffentliche Feind, weil alles, was auf eine solche Gesamtheit von Menschen, insbesondere auf ein ganzes Volk Bezug hat, dadurch öffentlich wird. Feind ist hostis, nicht inimicus im weiteren Sinne; polemios, nicht echthros“
Quelle: Carl Schmitt; Der Begriff des Politischen; Fassung von 1932; 2.
Die Qualität des Feindbegriffes schließt also moralische Wertungen aus, sie bleiben der Ausformung der konkreten Quantität, also dem bestimmen des konkret, historischen Feindes, also Kongruent, Gegner, Feind vorbehalten.
Hier lässt sich nach Schmitt eine historische Eskalation ausmachen, die sich vom Gegner mit einem mit fest umrissenen Rechtsstatus (von zivilen und militärischen Kodex bis zur Landkriegsordnung) zum vernichtenden, vollkommen rechtlosen Feind steigerte, um dessen grundlose Vernichtung es jenseits aller moralischen Rechtfertigung ging. Schmitt fasst das in seiner „Theorie des Partisanen“ am Beispiel Lenins wie folgt zusammen:
„Der Krieg der absoluten Feindschaft kennt keine Hegung. Der folgerichtige Vollzug einer absoluten Feindschaft gibt ihm seinen Sinn und seine Gerechtigkeit. Die Frage ist also nur: gibt es einen absoluten Feind und wer ist es in concreto? Für Lenin war die Antwort keinen Augenblick zweifelhaft, und seine Überlegenheit über alle andern Sozialisten und Marxisten bestand darin, daß er mit der absoluten Feindschaft Ernst machte. Sein konkreter absoluter Feind war der Klassenfeind, der Bourgeois, der westliche Kapitalist und dessen Gesellschaftsordnung in jedem Lande, in dem sie herrschte. Die Kenntnis des Feindes war das Geheimnis von Lenins ungeheuerlicher Schlagkraft.“
Quelle: Carl Schmitt; Theorie des Partisanen; Von Clausewitz zu Lenin
Und schließlich noch einmal aus dem Begriff des Politischen:
„Die Hegung und klare Begrenzung des Krieges enthält eine Relativierung der Feindschaft. Jede solche Relativierung ist ein großer Fortschritt im Sinne der Humanität. Freilich ist es nicht leicht, ihn zu bewirken, denn es fällt den Menschen schwer, ihren Feind nicht für einen Verbrecher zu halten. Dem europäischen Völkerrecht des zwischenstaatlichen Landkrieges ist der seltene Schritt jedenfalls gelungen. Wie er andern Völkern gelingen wird, die in ihrer Geschichte nur Kolonial- und Bürgerkriege kennen, bleibt abzuwarten. Auf keinen Fall ist es ein Fortschritt im Sinne der Humanität, den gehegten Krieg des europäischen Völkerrechts als reaktionär und verbrecherisch zu ächten und statt dessen, im Namen des gerechten Krieges, revolutionäre Klassen- oder Rassenfeindschaften zu entfesseln, die Feind und Verbrecher nicht mehr unterscheiden können und auch nicht mehr unterscheiden wollen.“
Quelle: Carl Schmitt; Der Begriff des Politischen; Vorwort