Wer mit seiner Situation als noch Erwerbstatätiger oder schon Erwerbsloser unzufrieden ist, müsste eigentlich in der nächsten Schlecker-Filiale bei den Angestellten auf viel Verständnis stoßen. Denn die Drogeriekette Schlecker machte dieser Tage durch Berichte über Kündigungen unliebsamer Mitarbeiter auf sich aufmerksam. So nach dem Motto: "Um die Angestellte fristlos und ohne weitere Kosten zu feuern, häng ihr etwas an, auch wenn es erstunken und erlogen ist."
Aus eigener, schlechter Erfahrung mit diversersen anderen Institutionen weiß ich, dass so ein Treiben so lange gut geht, bis man den Urhebern mit juristischen Konsequenzen droht. Denn was da im Falle der einen oder anderen Einzelhandelskette - vor dem Namen "Schlecker" fiel auch schon der Name "Lidl" abgeht, lässt an Straftatbestände wie Nötigung, Freiheitsberaubung (wenn drei Chefs die Angestelle umzingeln und zu einer Unterschrift nötigen wollen) und üble Nachrede (wenn haltlose Unterstellungen ersonnen werden) denken.
Wobei Berichte über Schlecker, Lidl und co. nur die kleine Spitze eines riesigen Eisbergs markieren. Es geht um alle Menschen, die gezwungen sind, vom Verkauf ihrer Arbeitskraft zu leben und wo ich manchmal das Gefühl habe, die Herrscher der Gegend zwischen Alpen, Nord- und Ostsee würden die am liebsten komplett vergasen und durch billige Kulis aus Fernost ersetzen. Es geht um
- kleine Selbstständige
- abhängig Beschäftigte
- Bezieher von Transferleistungen (Erwerbslose, Rentner, BAFÖG)
- nicht Erwerbstätige wie Hausfrauen und Hausmänner
Da ist folgendes zu beobachten:
1. Ein mehr oder weniger gnadenloser Psychoterror (Mobbing, bürokratische Schikanen)
2. Ein ständiges Herunterputzen der eigenen Leistungen und Fähigkeiten. So nach dem Motto "1950 wurde jeder genommen, heute ist keiner mehr gut genug"
3. Ein gnadenloses Abfeiern allgemeiner und konkreter Perspektivlosigkeit. So nach dem Motto "Zukunft war gestern". Wie kommende Generationen da in Deutschland noch gescheit leben und arbeiten sollen, ist mir ein Rätsel
Was ist aus der Biografie: lernen > arbeiten > Familie > evtl. Kinder > Rente geworden?
Eine Biografie nach dem Motto: "immer wieder arbeitslos, wegen arbeitslos Psychiatrie und mit 70 Kellnern bei McDonald".
4. Zustände nach dem Motto "high tech, low life". Auf die Herausforderungen und Möglichkeiten technischen Fortschrittes wird von den Verantwortlichen mit einer grenzwertigen Blödheit reagiert. Rationalisierung erlaubt es weniger zu arbeiten und Crash-Kids würden die 20-Stunden-Woche nahe legen. Was passiert? Wir sollen länger arbeiten - wenn wir noch Arbeit finden
5. Als Lösung allgemeiner gesellschaftlicher und konkreter persönlicher Probleme werden uns dann Tipps im Einzelkampf angeboten. Wir - jeder einzelne - sind dann Deutschland und sollen über uns hinaus wachsen, damit der bestehende Mist noch länger vor sich hinfaulen kann. Nein danke X( !
6. Eine Spießigkeit der herrschenden Diskurse als ob wir wieder in der Nachkriegszeit angelangt wären. Zukunfts"visionen" in der Art der Globalisierung oder der EU sind so nach dem Motto "was auf den Tisch kommt, wird gegessen". Der unzufriedenen Mitteleuropäerin des 21. Jahrhunderts wird dann - mit drohendem Unterton - etwas vom Elend früherer Epochen oder anderer Weltregionen vorgeheult. Tut mir Leid, aber für die Blödheit von Zuständen woanders auf der Welt sind wir nicht verantwortlich und wie sollen wir daran etwas ändern, wenn wir unsere eigenen Zustände nicht in Ordnung kriegen.
7. Nicht zu vergessen, dass die Betroffenen gnadenlos gegeneinander ausgespielt werden. Es gibt ja keine Klassen mehr, es gibt nur noch herrschende, reiche Großverbrecher und Heerscharen von untereinander zerstrittenen "Plebs". Wozu haben wir schließlich Multikulti und den Kampf der Kulturen? Wozu die Heerscharen religiöser Blödschwätzer, die die Menschen dazu anstacheln, sich zur Gaudi der Herrschenden zu zerfleischen? Wozu hat die Union "Gastarbeiter" und "Aussiedler" nach Deutschland geholt? Wozu haben wir den hirnverbrannten Rassismus der Rechten, wo sich die Nationalisten gegenseitig auf die Omme hauein, auf dass sie alle weiter vom Kapital beherrscht werden können?
"Divide et impera - teile und herrsche" wussten schon die alten Römer.
Nicht zu unterschätzen auch die Spaltung in
- Selbstständige
- abhängig Beschäftigte
- Erwerbslose, Rentner, Studenten
Drei Gruppen, die aus Sicht des Großkapitals zum Abschuss freigegeben sind. Doch damit sich kein Widerstand rührt, muss man sie gegeneinander aufhetzen.