Enthemmt die Anonymität des Netzes?

[John Donne]

Hallo,

Siran hat in einem zurecht geschlossenen Strang folgenden Beitrag gebracht, den ich sehr interessant finde:

Ich bin mir nicht sicher, ob sich das Internet auf die Psyche auswirkt oder ob im Internet die eigentliche Psyche nur voll sichtbar wird.

Ich denke, daß wohl beides der Fall ist, meine aber aus Erfahrung in einem großen Online-Rollenspiel sagen zu können, daß vor allem letzteres der Fall ist: Die Anonymität des Netzes macht - zumindest bei einigen - die Psyche und ihre Abgründe stärker sichtbar.

Wie denkt ihr darüber?

[sunbeam]

Hallo,

Siran hat in einem zurecht geschlossenen Strang folgenden Beitrag gebracht, den ich sehr interessant finde:



Ich denke, daß wohl beides der Fall ist, meine aber aus Erfahrung in einem großen Online-Rollenspiel sagen zu können, daß vor allem letzteres der Fall ist: Die Anonymität des Netzes macht - zumindest bei einigen - die Psyche und ihre Abgründe stärker sichtbar.

Wie denkt ihr darüber?

Vollste Zustimmung - gerade bei wirkt die Anonymität Wunder, die Zunge lockert sich, das Hirn auch, und schon kann`s los gehen im verbalen Schlagabtausch mit linken Terroristen!

[Ekelbruehe]

Oha, interessant.

Was Chats angeht, so wird die Psyche eines Menschen nicht unbedingt offengelegt, da es eher um momentane Stimmungen geht.

Vielmehr sind Foren ein guter Spiegel der Psyche eines Menschen, natuerlich besonders, wenn er ein regelmaessiger und langjaehriger Poster ist.

Ich habe schon in einigen Foren etwas Erfahrung und habe festgestellt, dass in RL-Forentreffen die Leute ganz genauso drauf waren, wie ich es durch deren Beitraege erwartet hatte.

Auch wenn viel uebertrieben, gelogen und rumgeaetzt wird, man kann sich ein Bild von den Leuten machen, das der Realitaet entspricht.

Natuerlich gibt es immer Ausnahmen, einige Leute verstehen es sich zu verstellen, aber im Prinzip outet sich jeder selber.

Besonders extrem sind natuerlich Online-Rollenspiele.

[SaintJust]

Ich denke schon ,dass die Netzanonymität in gewisser Weise enthemmend wirkt. Der sonst vielleicht schüchterne Mensch wird etwas unschüchterner usw.
Jedoch vertrete ich meine politische Meinung auch in der Anti-Anonymität unverhohlen, ja, eher enthusiastisch und voller Überzeugung.
Auch psychologisch kann dies sicherlich hochinteressant werden. Einige machen aus sich selbst heraus ein Rollenspiel, verschüttete Phantasien ersteigen aus ihren Löchern, Vorlieben werden betont, das was man selbst nicht ist aber vielleicht selbst gerne sein möchte wird offenkundiger.
Andererseits reflektiert das Ganze sicherlich nur etwas von der Komplexität, vor allem bei politischen Standpunkten.

[John Donne]

M.E. fördert das Netz auch das asoziale Verhalten und die kriminelle Energie etlicher Benutzer deutlich zu Tage. Online-Rollenspiele sind da extrem, das gebe ich zu. Beispiele:

- Bugs, die das Vervielfältigen von Gegenständen erlauben, werden durch Ausprobieren oder im Betatest gefunden und natürlich nicht gemeldet, sondern benutzt.
- Mit Trojanern werden die Accountdaten anderer ausgespäht und deren Accounts anschließend geplündert.
- Mit Bugs wird sogenanntes "Scamming" (deutsch: Betrügereien, Abzocke) betrieben, d.h. andere Spieler um Gegenstände und Besitz im Spiel betrogen
- Man benimmt sich generell wie die Axt im Walde und macht später halt einen neuen Account auf.

Die Liste ließe sich fast beliebig weiterführen.
Von nicht auf Rollenspiele bezogenenen schwereren Kriminalität oder dem üblichen Vorgeben, jemand anders (besseres?!) zu sein, ganz zu schweigen...

Grüße
John

[Manfred_g]

Hallo,

Siran hat in einem zurecht geschlossenen Strang folgenden Beitrag gebracht, den ich sehr interessant finde:



Ich denke, daß wohl beides der Fall ist, meine aber aus Erfahrung in einem großen Online-Rollenspiel sagen zu können, daß vor allem letzteres der Fall ist: Die Anonymität des Netzes macht - zumindest bei einigen - die Psyche und ihre Abgründe stärker sichtbar.

Wie denkt ihr darüber?

Ja ich sehe das ähnlich. An dieser Stelle möchte ich eine kleine (wahre) Anekdote einschieben.

Ich war noch Jugendlicher als ich (als Beifahrer) mit meinem Vater vom Stadtinneren aus mit dem Auto nach Hause fuhr. Irgendwann kam es zu der Situation, daß auf der doppelspurigen Straße (wir linke Spur) ein Wagen aus der rechten Spur etwas knapp und unverhofft links rüber schert. Eine wirklich gefährliche Situation entstand jedoch nicht.
Mein Vater, einem Choleriker nicht ganz unähnlich, setigt in die Bems ee und wetter los: ja schau dir diesen Idioten an, das ist doch..., das kann doch nicht wahr sein, den müßte man doch... und hupt natürlich wütend!
Ich denke mir derweil "den Wagen kennst ich doch irgendwie"..wollte aber meinen Vater nicht in seinem Fluß unterbrechen. Der Vordermann begann nun wild zu gestikulieren. Alle Handzeichen die Böses bedeuten waren wohl dabei.
Mein VAter schimpfet umso wilder, der vordere gestikulierte wie verrückt mit Händen und Füssen. Schließlich so nach 2 Minuten "Meinungsaustausch" bog der ab und wir fuhren nach Hause. Wir hatten einen Tiefgaragenstellplatz und mußten einige Minuten zu Fuß gehen zu unserm Wohnhaus (Hochhaus).

Vor der Aufzugstüre wartend kam unser Nachbar von draussen daher:
"Ja der Herr Nachbar, trifft man sie auch wieder mal". "Ja schön sie zu sehen, kalt wirds langsam..." Ein herz und eine Seele, war auch -wie mein Vater- eine urgemütlicher Mensch. Smalltalk vom feinsten aber nett und ehrlich. Man verabredete sich für abends zu einem gemeinsamen Schoppen Bier.

Ich wußte inwzischen auch längst wieder, wem das Auto des "Straßenrowdies" gehörte. Es war unser Nachbar, mein Vater hat ihn nicht erkannt und umgekehrt. So gut sahen sie eben beide nicht mehr.
Ich wiederum sah keinen Grund den Sachverhalt aufzuklären.
Lustig wars -im Nachhinein- allemal.
Auch beim gemeinsamen Bier kam die Sprache nicht auf diese Sache und es kam nie raus.
Was ein paar Millimeter Glas und Blech ausmachen können!

[SaintJust]

Klar, hässliche Fratzen werden zuhauf geboren, latente Neigungen schwimmen hervor, die etwas die Bösartigkeit (die mehr oder weniger in jedem Menschen steckt) sichtbar machen.
Hie und da etwas vermählt mit Profilierungssucht, das "Sich zur Schau stellen", aber dies ist leider nur ein Spiegelbild des Menschen an sich.
Im Alltag auch vorhanden, aber unterdrückter. Jeder will etwas sein, etwas darstellen, vielleicht will John Donne auch der Orgienkönig sein, der Talent hat erotische Gedichte zu verfassen...


Man kann aber sehr gut auf die Interessen des Einzelnen blicken, denn kaum jemand antwortet wohl auf etwas, das ihn nicht interessiert.

Dennoch muss ich zugutehalten, dass -auch wenn es jetzt nichts mit dem Thema direkt zu tun hat- ich es gut finde, dass sich vor allem junge Menschen so viel mit Politik hier sich beschäftigen !! Ist doch eher selten. Wächst da eine neue Generation heran ? Sicherlich sind viele auch nur deshalb im Forum, weil sie kaum jemandem haben, mit dem sie über Politik reden können.

[Gärtner]

Wie denkt ihr darüber?

Natürlich ist das so. Leider.

Sonst wären z.B. Moderatoren in Diskussionsforen überflüssig.

[prinzregent]

Ich kann teilweise zustimmen, jedoch wer im realen Leben ein Blatt vor dem Mund ist selbst schuld. Wer nur im Netz politsch agiert, ist nur Teilzeitinteressierter ...

Gruß
Prinzregent

[DichterDenker]

Ich denke, daß wohl beides der Fall ist, meine aber aus Erfahrung in einem großen Online-Rollenspiel sagen zu können, daß vor allem letzteres der Fall ist: Die Anonymität des Netzes macht - zumindest bei einigen - die Psyche und ihre Abgründe stärker sichtbar.

Wie denkt ihr darüber?

Ja, in jedem Fall. Ich denke hauptsächlich dafür verantwortlich ist, dass man sein Gegenüber nicht sieht, also sich auch weniger von dessen Meinung abhängig macht. Da vertritt man dann schnell extreme Positionen, die man zwar insgeheim vertritt, im real-life aber doch nicht so äußert um nicht anzuecken.