Zitat von
NITUP
Wer das bestimmt? Einzig die Vernunft. Man muß ja alles nur der Frage unterwerfen: Wem nützt es? Sachlich, zielorientiert und kompromißlos. Brauchen wir all die riesigen Einkaufstempel, vollgepackt mit nutzlosem Dreck? Du mußt Dir mal den "Spaß" erlauben, die Szenerie in einem dieser schrecklichen Konsum-Anstalten unter dem nüchternen Aspekt der Nützlichkeit in jeglicher Hinsicht zu beobachten -so, wie man Ratten im Labor beobachtet. Schau den Menschen in die Augen, höre ihnen zu, beobachte ihr Verhalten. Da spielen sich tagtäglich Dramen ab. Die Hatz, die Gier, die Aggressivität, das Jagen nach den vermeintlichen "Schnäppchen", der Glanz in den Augen des Mobs, irgendwelchen häßlichen Plunder "billig" ergattert zu haben. Ekelerregend. Dazu die ganzen vollgefressenen Zombies, die mit hochrotem Kopf ihre bis oben hin bepackten Einkaufswagen wie eine schwere Erzlore vor sich herschieben, wobei der Inhalt desselben stark vermuten läßt, am erbärmlichen Gesundheitszustand ihres trägen und häßlichen Kadavers nicht viel ändern zu wollen.
Soll ich weitermachen? Ich denke, die Stoßrichtung ist klar. Es gibt kein Menschenrecht auf ein Auto. Es gibt kein Menschenrecht auf billige Flugreisen in aller Herren Länder. Es gibt auch kein Menschenrecht auf Thunfisch in Aspik. Der blinde Fortschrittsglaube, das Märchen von der totalen Mobilität, der Alptraum der unendlichen Auswahl, all das hat diesen Planeten bereits an den Rand der Katastrophe gebracht. Wieviele Tonnen kostbaren Erdöls werden jeden Tag sinnlos verpulvert, nur um die Konsumgeilheit des nutzlosen und vollgefressenen Pöbels zu befriedigen? Nicht zu reden, wieviel davon in den Müll fliegt.
Was hat uns all der "Wohlstand" gebracht? Degenerierte Massen, die ihren einzigen Lebenssinn in der Anhäufung nutzloser Reichtümer sehen, in Form von was auch immer, dabei sich selbst und der Umwelt einen Bärendienst erweisend. Degenerierte Massen, die verlernt haben, daß Kultur, Sprache, Wissenschaft, das Forschen nach neuen Erkenntnissen, Demut vor erbrachten Leistungen und das ruhelose Streben nach Anstand und Moral die wahre Natur des Menschen ist. Wir müssen weg von diesem falschen Leben, das uns krank, dumm, fett und aggressiv macht.
Ich will nicht die Ideologie ins Spiel bringen, aber Marx hat genau hierzu eine sehr wichtige Aussage gemacht, die leider auch und gerade von den Linken viel zu selten berücksichtigt wird: "Jedes befriedigte Bedürfnis ist die Quelle zweier neuer Bedürfnisse." Das ist der Lebenskeim des Neoliberalismus, da er davon lebt, Bedürfnisse zu stimulieren. Er muß wachsen bei Strafe seines eigenen Unterganges. Denn tut er das nicht, geht er schlicht und ergreifend pleite. Und hier liegt sein genetisches Grundübel: Er fragt nicht nach dem Sinn, er fragt nicht nach dem Bedarf, sondern einzig und allein nach dem Profit. Koste es, was es wolle.
Wir haben jetzt schon Grenzen überschritten, die nie hätten betreten werden dürfen. Die halbe Welt ist das, was Platon in seinem Werk "Der Staat" die aufgeblähte Stadt nannte, die an ihrem Überfluß erkrankt und all die Sympthome des kulturellen, ethischen und moralischen Verfalls zeigt.
Aber um Deine Frage zu beantworten: Ich weiß nicht, was Bedarf ist, was Überfluß ist. Ich weiß nur, daß unser Bedarf Überfluß produziert, der uns überhaupt nicht gut tut. Deshalb muß irgendwie ein Anfang gemacht werden, die Menschen wieder auf ihren rechtschaffenden Weg zu führen, in der nicht nach der Wertschöpfung gefragt wird, sondern nach dem Nutzen. Das mag sich platt anhören, aber man muß sich nur die Mühe machen, die Worte auf ihre Semantik abzuklopfen. Und alles hübsch zu Ende denken. Ein Tamagotschi mag viel "Glück" in das Leben bringen. Es schafft obendrein auch noch Arbeitsplätze und bringt eine Menge Geld ein. Doch fragt man nach dem Nutzen -für Mensch und (!) Umwelt, sieht die Sache schon ganz anders aus. Ökonomisches Wachstum nur um des ökonomischen Wachstums Willen funktioniert in einem abgeschlossenen System nicht. Irgendwann stößt es an seine Grenzen. Und diese Grenze ist unüberwindlich. Die Herrausforderung besteht darin, Ordnung ins Chaos zu bringen. Vernunft und Disziplin werden gefragt sein. Wie sagte Kant? "Ich kann, weil ich will, was ich muß."