Konservativen, rechten Kreisen ist sie seit langem ein Dorn in Auge:
Die "multikulturelle Gesellschaft".
Ihren Gegnern schwebt eine mehr oder weniger "monokulturelle Gesellschaft" vor, in welcher kulturelle Traditionen Verpflichtungscharakter haben und die Freiräume des Individuums auf weitgehende Identität mit einer "Mehrheitskultur" (oder das was jeweils darunter verstanden wird) beschränkt werden. Aus Sicht des konservativen Weltbildes führt die Verabschiedung eines kulturellen Zwangsmodells nämlich zu "Werteverfall" und dem Ausbreiten von "Parallelgesellschaften".
Ich halte dem entgegen:
Kulturelle Vielfalt ist eine positive Ressource, denn sie eröffnet dem Individuum die freie Möglichkeit, sich entsprechend seiner individuellen Bedürfnisse zu entfalten und kreativ zu sein. "Werteverfall" ist ebenfalls etwas normales, denn Menschen und Umstände ändern sich und bilden neue Werte heraus. Damit Neues möglich wird, muß auch hier Altes vergehen. Wer am Alten festhalten möchte, der darf dies auch, er darf nur nicht andere zwingen, es ihm gleich zu tun. Eine multikulturelle Gesellschaft ähnelt also der Idee hinter Lessings Rinparabel: Was für die Menschen am Besten ist entscheidet sich in der Lebenspraxis der Menschen selbst, und nicht durch "Gott" oder einer vergötzte "Tradition" oder "Leitkultur".
Die einzige Einschränkung ist:
Jede "Subkultur" muß sich an die generellen Spielregeln halten, die der Gesellschaftsvertrag (bzw. das Grundgesetz) festlegt.
Es existiert also nur eine „positive“ Kulturform, nämlich die der Bindung an die allgemein verbindlichen Regeln, welche die individuelle Freiheit gegen Übergriffe durch den Staat oder private Gruppierungen verteidigen. Diese Regeln werden in freier Verständigung festgelegt durch demokratische Institutionen.
Islamisten sind hier also genauso wenig tolerierbar wie die Hegemonieansprüche deutscher Spießer und Konservativer. Auch hat eine „multikulturelle Gesellschaft“ nichts mit unbegrenzter, unkontrollierter Zuwanderung o.ä. zu tun, wie oft fälschlicherweise behauptet wird.
Van Moorrison