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Thema: Nationalist ohne Nation? Oder : die politische Rechte des 21. Jahrhunderts?

  1. #81
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    Standard AW: Nationalist ohne Nation? Oder : die politische Rechte des 21. Jahrhunderts?

    Otto von Bismarck und Rosa Luxemburg bei Michel Friedman

    Man stelle sich vor, der Talkmaster Michel Friedman, der ja in dieser Eigenschaft so schlecht nicht ist, könnte heute Otto von Bismarck und Rosa Luxemburg zum Talk bitten. Beide hochintelligent und beide mit völlig entgegengesetzten Ideologien. Also ein Wortgefecht auf hohem Niveau, wo Otto und Rosa zugleich so verzankt sind, dass sie einander nicht mal das Schwarze unter dem Fingernagel gönnen.
    Denkt Michel Friedman.
    Was passiert in der fiktiven Talkshow?
    Beide sagen Michel, dass sie Deutschland im Jahr 2008 an sich für Scheiße halten. Unter aller Sau. Bismarck möchte Frau Merkel als Vaterlandsverräterin vor das Erschießungskommando stellen, Luxemburg will Schröder den Genickschuss verpassen. Das nur als Auftakt zu einem Strafgericht, wo Bismarck alte und neue Nazis ins Zuchthaus stecken will und Luxemburg die sozialdemokratische Blüte der Arbeiterbewegung in Gestalt von Sozen und Gewerkschaftsfunktionären in Schauprozessen vor dem Volksgerichtshof aburteilen möchte.
    Beide sagen aber auch, die Technik des 21. Jahrunderts hat sie so "verdorben", dass sie sie nicht mehr missen möchten. Weil sie noch wissen, wie frugal es vor hundert und mehr Jahren zuging.
    Beide sind - ungeachtet allen Zornes auf die politisch Verantwortlichen - darüber erstaunt, wie klug und gebildet heute viele Menschen sind. Sie hatten es zu ihrer Zeit abgesehen von einer hochgeistigen Elite oft auch in Spitzenpositionen mit veritablen Dummköpfen zu tun, die etwa beim Studieren nicht über Saufen und Antisemitismus hinaus kommen. Bismarck prägt den Satz: "Zu meiner Zeit hielten sich Dummköpfe für klug, heute halten sich kluge Menschen für dumm."
    Beide geben den Deutschen des 21. Jahrhunderts nach so vielen Debakeln den guten Rat, es mit der eigenen Staatlichkeit doch zu lassen. Stattdessen sollen sie für eine Welt sorgen, wo anstelle einer kleinen Minderheit alle von den Vorzügen einer Technik profitieren, die es zu ihrer Zeit nicht gab.

    Das ist vor allem im Falle Bismarcks durchaus resignativ, weil der anstelle von Sparkassendirektor Köhler lieber einen Hohenzollern als Staatsoberhaupt gesehen hat. Frau Luxemburg dagegen sieht darin, deutsche Staatlichkeit und mit ihr verbundenen Nationalismus über Bord zu werfen, auch positive Momente. Endlich streiten sich die beiden mal, weil Bismarch das zunächst nicht einsehen will. Sie kann ihm aber klarmachen, dass mit deutscher Nationalstaatlichkeit nichts mehr zu bewirken ist, weil es deren Grundlagen nicht mehr gibt. Vielleicht nie gegeben hat, weil das Projekt von 1871 schon von Anfang an Baufehler hatte. Und man die nicht korrigierte, sonder so lange ausbaute, bis alles notwendigerweise zusammenkrachen musste.

    Zum Schluss wirft Talkmaster Friedman die Frage auf, welche Generation alles versaut hat?

    War es von Anfang an - 1871 - eine Fehlkonstruktion, etwa mit der Wegnahme von Elsaß-Lothringen von Frankreich oder dem Paragraphen 171?

    War es in der Spätphase der Kaiserzeit, als das Deutsche Reich auf imperialistischen Kurs ging, anstatt den anderen Imperialismen beim Untergehen zuzuschauen oder noch nach zu helfen?

    War es die gescheiterte Weimarer Republik?

    Haben die alles versaut, die in der Weimarer Republik die Nazis gewählt haben und das nach '45 nicht mehr wissen wollten?

    Hat Adenauer mit Westbindung und Gastarbeitern dem Ganzen den Rest gegeben?

    Haben Ulbricht und Honecker mit der Art, wie sie die DDR zum Scheitern verurteilt haben, den Deutschen den Sozialismus als Ausweg verbaut?

    Über die 68er sind sich Herr Bismarck und Frau Luxemburg verblüffend schnell einig: die hatten gute Ansätze und erstaunliche Provokationen, aber brannten nur ein Strohfeuer ab. Ihnen fehlte Durchhaltevermögen und die Bereitschaft, zum Äußersten zu gehen. Zudem waren die meisten hoffnungslos korrupt. Der Satz: "Die RAF war eine gute Idee, die schlecht angewendet wurde" hätte von beiden kommen können. Tja, früher war alles besser

    War Kohl die Katastrophe? Der Dicke treibt Bismarcks Blutdruck jedenfalls ebenso wie die Merkel.

    War es mit Rot-Grün endgültig aus für Deutschland?

    Aus ist es jedenfalls. Mehr als eine Menschenfarm für die herrschende Klasse und ihren Anhang ist das hier nicht mehr. War es vielleicht von Anfang an nicht, nur leugnet Bismarck das standhaft - siehe nächster Absatz:

    Übrigens sind sich Bismarck und Luxemburg auch da einig. Bismarck wollte den starken Staat, der letztenlich auf über der herrschenden und privilegierten Klasse steht und die Eliten ebenso, wenn nicht noch mehr, "in Zucht" nimmt wie das einfache Volk. Luxemburg wollte bekanntlich die Klassen abschaffen.
    Die ungenierte Art, wie sich hierzulande die Privilegierten austoben, ohne etwas zu leisten, missfällt beiden. "Für so einen Staat würde ich keinen pommerschen Grenadier mehr opfern", sagt Bismarck. Über die Afghanistan-Einsätze der Bundeswehr kann er nur den Kopf schütteln - da trieben schon zu seiner Zeit die Großmächte ihre Spielchen, nur hat er sie die noch allein spielen lassen.

    Bismarck zieht sich frustriert in ein Rittergut im entvölkerten Mecklenburgischen zurück und fordert ein Verbot der NPD, weil ihn deren Huldigungen peinlich sind. Luxemburg zieht die Großstadt vor und kommt mit dem Autonomen besser klar als Bismarck mit der NPD. Sie braucht auch welche - die schieben rund um die Uhr vor ihrer Wohnung Wache, damit nicht mit stillschweigender Duldung der SPD das nächste Mordkommando kommt.

    Sie - da links - hofft noch auf die Zukunft, er - da rechts - schimpft über die Vergangenheit und schreibt ihr eine E-Mail: "Sehr geehrte Frau Luxemburg, ihre Zukunft wird so enttäuschend werden, wie meine Vergangenheit. Um das zu verhindern und kommenden Generationen sinnlose Anstrengungen und vergebliches Leid zu ersparen, gibt es nur eine Möglichkeit: Beenden Sie das Unheil, dass sich 'Geschichte' nennt. Wir beide haben uns eingebildet, darin einen vorzuüglichen Platz inne zu haben. Wir waren nur ein Narr und eine Närrin.

    Hochachtungsvoll

    O. v. B.

    Reichskanzler a. D."
    Geändert von Beverly (08.07.2008 um 08:20 Uhr)

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