BarishMancho schrieb am 7 Januar 2004, um 01:53
Nun, da ich Türke (wie der aufmerksame Leser an meinem Nick erkennen kann) und nicht gerade zu depolitisiert bin um einiges über Mustafa Kemal (genannt Atatürk) zu wissen, möchte ich Stichtpunktartig einiges von meinem Wissen mit euch teilen.
-Geboren und aufgewachsen ist Mustafa Kemal im, damals osmanischen, Thessaloniki (türk.: Selanik) im heutigen Nordosten Griechenlands. Geboren 1881 und verstorben 1938 in Istanbul.
-In Thessaloniki besuchte er die Grund-und Mittelschule. Ein offenes Geheimnis ist das, Mustafa Kemal von einer Schule angenommen wurde die in Thessalonikie dafür bekannt war nur Abkömmlinge der sogenannten Dönme (Juden die zum Islam konvertiert sind, auch Sabbataiisten genannt) zu unterrichten. Mustafa kemal besuchte also als einizger bzw. erster muslimischer Schüler zu diese berüchtigte Schule.
-Heute wird immer wieder heftig um die familiäre-religiöse-ethnische Herkunft des Mustafa Kemal gestritten. Genaues ist nicht zu erfahren, besonders weil diesbezügliche Archive seitens der kemalistischen Türkei der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden. Deshalb gibt es viele Theorien. Das Mustafa Kemal aus einer muslimischen Familie stammt wird kaum bezweifelt. Von seinem Vater weiss man aber fast nichts. In türkischen Schulbüchern gibts zwar ein gemaltes Bild seines Vaters, doch ist das ganze so augenfällig-propagandistisch das kaum jemand (ausser den Kemalisten natürlich) diese Information für echt bzw. historisch hält. Der Vater soll diesen offiziellen Informationen nach osmanischer Zollbeamter gewesen und früh verstorben sein. Mehr und deutlicheres ist über die Mutter bekannt, die nach der Gründung der Republik verstorben ist.
-Mustafa Kemal wird von unabhängigen Quellen ethnisch als Pomake eingeschätzt. Die Pomaken sind bulgarischsprache Muslime. Sie waren vollständig in die muslimisch-osmanische Gesellschaft integriert und zumeist zweisprachig (bulgarisch und türkisch). Einigen Quellen zufolge soll Mustafa Kemals Familie zu den Bektaschis (eine alewitische Gruppe) gehört haben. Wenn man bedenkt das die Bektaschis auch auf dem Balkan stark verbreitet waren (heute noch besonders in Albanien) ist das nicht von der Hand zu weisen. Jedoch gibt es dafür keine offiziellen Beweise. Auch befolgte Mustafa Kemal, wie generell bekannt ist, den sunnitischen Ritus. Für die Bektaschi-These spricht aber vielleicht noch das M. Kemal zur Zeit des türkischen Befreiungskampfes der unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg gegen die alliierten Besatzungsmächte geführt wurde, besonders enge Kontakte zum Bektaschi-Orden hatte.
-Thessaloniki war in dieser Epoche eine kosmopolitische Stadt, vielleicht sogar noch stärker (kosmopolitisch) als Istanbul. Es gab eine große jüdische Gemeinde, die zu den einflußreichsten in Europa zählte. Auch waren hier die Dönme sehr einflußreich. Daneben bestanden größere christliche Minderheiten (orthodoxe Bulgaren, Griechen und Mazedonier). Seit den 1890er Jahren gab es einen permanenten Guerillakrieg (von mazedonischen Rebellen gegen die osmanische Verwaltung) in der Region. Das brachte auch viele europäische Agenten in die Region, die ihre Hauptbasen Generell in Form der Konsulate in Thessaloniki hatten. Und schließlich war die Stadt der Hauptsitz starker Freimaurerlogen die von den ausländischen Agenten gegründet wurden und viele osmanische Oppositionelle (solche die gegen die Regierung des Sultankalifen Abdulhamid II. waren) für ihre imperialistische Politik rekrutierten.
-Mustafa Kemal war schon als junger Offizier bekannt dafür das er sich gerne in dieser community bewegte und viele Nichtmuslime und Ausländer zu seinen Freunden zählte. Seine Raki-Gesellschaften sind noch heute berüchtigt. In dieser Zeit schloss er sich, wie viele junge Offiziere, der sogenannten Jungtürken-Bewegung an. Thessaloniki war als Hochburg dieser Bewegung bekannt. Andere, später berühmtere, Jungtürken aus Thessaloniki bzw. dem mazedonischen Revier waren Talat Pascha (war ursprünglich ein kleiner Postangestellter in Thessaloniki) und Enver Pascha (machte sich als osmanischer Offizier einen Namen im mazedonischen Guerillakrieg).
-Den Umsturz von 1908/09 führten diese Kreise aus Thessaloniki an. Abdulhamid II. wurde 1909 abgesetzt. Die Jungtürkenbewegung war zunächst stark vom europäischen Liberalismus geprägt. Als aber die liberalistische Fraktion ihren Einfluß durch die großen Niederlagen auf dem Balkan (1912/13) und Trablusgarb (das osmanische Lybien) (1911) einbüßte, übernahm eine türkisch-nationalistische Fraktion das Ruder. Diese Fraktion war auch als "Dreierbande" berühmt, nähmlich den Paschas Enver, Talat und Dschemal. Mustafa Kemal mußte zu dieser Zeit noch als kleiner Offizier weitermachen, wohl auch weil er sich, zu dieser Zeit, ideologisch nie genau orientieren konnte. Von anderen jungtürkischen Offizieren, besonders aus Reihen der nationalistischen Fraktion wurde er verdächtig zu stark mit Ausländern und Minderheiten zu verehren. Auch stand seine Moral (Trinker und Weiberheld) nicht gerade im besten Lichte.
-Es kursieren heute Gerüchte das er auf seinem Weg nach Trablusgarb (um gegen die italienische Invasion zu kämpfen) in Palästina viele Freundschaften zu Juden und insbesondere Zionsten geknüpft bzw. aufgefrischt haben soll.
-Seine ersten großen militärischen Auszeichnungen erhielt M. Kemal während des Ersten Weltkrieges an der Dardanellen-Front sowie in Ostanatolien. Besonders seine Leistungen an der Dardanellen-Front wurden aber später durch seine eigene und die staatliche Propaganda mythologisiert. 1917 wurde M. Kemal, inzwischen General, an die Palästina-Front versetzt. Als Kommandant eines Armeekorps desertierte er nach dem Zusammenbruch der osmanischen Palästina-Syrien Front im Jahre 1918 über Adana nach Istanbul und überließ seine Truppen ihrem Schicksal. Glücklicherweise für ihn hatte er die Lage richtig eingeschätzt, in allgemeinen Chaos des Zusammenbruchs konnte er nicht militärisch-juristisch Angeklagt bzw. verurteilt werden (was die Todesstrafe bedeutet hätte). Schon aus Adana telegraphierte er nach Istanbul "das seine Dienste für das Reich in der Hauptstadt sicher von größerem Wert seien" und setzte sich, trotz wütender Befehle aus Istanbul gefälligst sein Kommando wieder aufzunehmen und den Rückzug seines Armeekorps zu organisieren, gleich nach Istanbul ab.
-Mitte 1919 wurde M. Kemal als Armeeinspektor nach Anatolien geschickt. Offiziell hatte er von der osmanischen Regierung den Auftrag die Entwaffnung (wie sie von den Besatzungsmächten gefordert wurde) des osmanischen Heeres zu koordinieren. Die inoffizielle Geschichtsschreibung behauptet aber, daß M. Kemal vom damaligen Sultankalifen Vahdaddin mit geheimen Auftrag nach Anatolien geschickt wurde um genau das Gegenteil zu tun. Nach dieser Version sollte M. Kemal kontakt mit Kazim Karabekir Pascha, der das osmanische Ostheer befehligte, aufnehmen und versuchen auf Basis der noch intakten Truppenteile den Widerstand des Volkes zu organisieren. Diese Theorie wird gerade auch von den Handlungen M. Kemals bestätigt. Schon bei seiner Ankunft in Samsun erklärte er der muslimischen Öffentlichkeit "im Auftrag des Kalifen" zu kommen.
-M. Kemal verbreitete schnell und gezielt das der Kalif ihn entsandt hätte um seinem Volke die Botschaft zu übermitteln das er (der Kalif) in Gefangenschaft der Besatzungsmächte in Istanbul sein. Die Botschaft war klar: Der Kalif befahl seinem Volke den Dschihad um die Besatzungsmächte wieder aus dem Land zu vertreiben. Das brachte M. Kemal Sympathien seitens des Volkes ein, schließlich hatte er den offiziellen Rang eines Adjutanten des Kalifen und ein Ferman (Schreiben) des Kalifen höchstpersönlich. Einzig aufgrund dieser Tatsache konnte M. Kemal in dieser Phase politisch in Anatolien überlebten.
-In Istanbul verabschiedete unterdessen das osmanische Parlament den "Misak-i Milli" ("National Act"). Gefordert wurde (ganz im Sinne der "Zehn Punkte" Wilsons) das Recht auf Selbstbestimmung. Alle mehrheitlich türkisch-muslimischen Teile des Reiches die am Waffenstillstandstag unmittelbar der osmanischen Regierung unterstanden mußten unverzüglich von den Besatzungsmächten (England, Frankreich, Italien und später noch Griechenland) geräumt werden. Weiter wurden Volksabstimmungen bezüglich der arabisch-muslimischen Provinzen gefordert, wenn sich die arabischen Bevölkerungsteile in freier Wahl für den verbleib im Reiche entschließen sollten mußten die Besatzungsmächte diesen Status anerkennen. Nach Bekanntmachung dieser Beschhlüsse wurde das osmanische Parlament umgehend von den Besatzungsmächten aufgelöst (viele Abgeordnete setzten sich nach Anatolien ab). Doch der Misak-i Milli wurde zum Programm des Widerstandes.
-Auf dem Ersten Widerstandskongress in Erzurum (Ostanatolien) gab es zunächst großen Widerstand seitens der Deligierten gegen M. Kemal. Viele kannten ihn bzw. seinen Ruf als Lebemann und seine laxe Einstellung gegenüber dem Islam und ebenfalls hatte sich seine verräterisch-feige Tat an der palästinensich-syrischen Front herumgesprochen.
-Aus dieser Kritik manövrierte ihn besonders Kazim Karabekir Pascha heraus. Kazim Karabekir Pascha sah ein das der Kalif schließlich M. Kemal einen Auftrag gegeben hatte. Karabekir Pascha sah ein das er mit seinen Truppen nicht allein ganz Anotolien in dieser Phase verteidigen bzw. den Besatzungstruppen nicht überall paraolie bieten konnte. Der Kalif hatte besonders ihm als Kommandeur der noch kampffähigen Ostarmee den Auftrag erteilt schnell wie möglich offensiv gegen die Armenier und Bolschewisten im Ost-Anatolischen/Kaukasischen Raum vorzgehen. M. Kemal sollte dagegen im restlichen Land den Widerstand koordinieren (inzwischen war es schon in vielen Teilen zu Guerillahandlungen gekommen nur gab es noch kein einheitliches politisch-militärisches Oberkommando). 1920/21 errang das osmanische Ost-Heer einen vollständigen Sieg gegen die Armenier und die Bolschewisten gingen lieber einen Friedensvertrag mit der türkischen Seite ein (beide kämpften gegen die Alliierten und brauchten gegenseitige Unterstützung).
-Mitte 1920 wurde in Ankara die Große Nationalversammlung unter Kuranrezitation und Gebeten in den Moscheen eröffnet. M. Kemal wurde zum Vorsitzenden ernannt und bildete die Regierung. Der allgemeine Dschihad wurde ausgerufen. M. Kemal selbst ließ verlautbaren das "Die Türken ein 100- Millionen-Volk seien und nochmal 100 Millionen arabische Brüder hätten"... Hilfe traf sogar aus Indien (in Form von Helfern und Geldern) ein, wo sich ein Kalifats-Komite gebildet hatte und die Briten schwer unter Druck setzte, das Kalifat nicht anzutasten. Große Teile der finanziellen Spenden indischer Muslime wurden von M. Kemal unterschlagen und später für die Gründung der (noch heute aktiven) "I$ Bank" verausgabt. In dieser Phase baute M. kemal seine Machtposition permanent aus.
-Mit den militärischen Erfolgen gegen die Besatzungsmächte (diese führten als Marionette größtenteils die Griechen ins Feld) kam es zu einem Waffenstillstand und Friedensverhandlungen. Als während der Friedensverhandlungen im Schweizer Lausanne (1923) bekannt wurde das die Regierung unter M. Kemal große Kompromisse einging und quasi den Misak-i Milli verriet kam es in der Großen Nationalversammlung zu wütenden Rücktrittsforderungen gegen M. Kemal.
-In dieser gefählichen Phase reagierte M. Kemal heimtückisch und brutal: Er ließ durch den Hauptmann seiner offiziellen Leibgarde den Führer der Opposition, Ali Sükrü Bey, ermorden. In dem nachfolgenden Tumult rief er dann Neuwahlen zur Großen Nationalversammlung aus. Noch einmal kam er kurzzeitig in Bedrängnis als sein Hauptmann Topal Osman (der den Mord ausgeführt hatte), merkte das er für die dunklen Machenschaften M. Kemals benutzt wurde und eine Revolte anzettelte, diese wurde jedoch in kurzer Zeit niedergeschlagen (kaum jemand wußte in diesem Moment noch wer, warum und gegen wen genau schießt...). Nach den Neuwahlen gab's im Parlament zu Ankara keine organisierte Opposition mehr.
-Über extravaganzen M. Kemals berichtet aus dieser Zeit der damalige Abgeordnete und Minister Riza Nur Bey in seinen Memorien. Zum Beispiel das M. Kemal kurz vor der entscheidenden Schlacht gegen die Griechen in West-Anatolien den Oberbefehl nicht annehmen wollte; es lag alles in der Schwebe und eine Niederlage war genauso wahrscheinlich wie ein Sieg... Auf mehrmaligen Anraten, den Oberbefehl zu übernehmen, antwortete M. Kemal man wolle ja nur seine Karriere ruinieren indem man ihm die ganze Verantwortung in dieser Auswegslosen Lage zuschiebe.
-Riza Nur Bey berichtet weiter: "Immer wieder versuchten wir ihn umzustimmen. Er antwortete immer wieder ausweichend. Einmal fragte er mich: 'Riza Bey, warum besteht ihr so hartnäckig auf mich, warum soll ich denn als Regierungschef auch noch die militärische Verantwortung übernehmen?'. Also der Mann hatte vielleicht Nerven! Ich brüllte ihn im Medschlis (Parlament) an, es kam zu derben Beleidigungen. Ich versuchte es dann wieder in einen ruhigeren Ton: 'Hör zu Kemal Pascha, in diesem Augenblick hängt alles davon ab das wir ein straffes politisch-militärisches Oberkommando haben. Du bist Regierungschef, diese Aufgabe fällt also klar dir zu. Das ist die Schicksalsstunde des Vaterlandes, tue deine Pflich. Daraufhin nannte er einige Bedingungen, die nochmals alle in Rage versetzten! Diesmal wollte er, das sein Status als politisch-militärischer Führer nicht nur bis nach dem Sieg sondern bis zur nächsten Wahl garantiert werden sollte! Plötzlich hatten alle einen üblen Beigeschmack bei der Sache: Der Mann forderte doch tatsächlich diktatorische Kompetenzen! Ich versammelte alle Minister und das zuständige Komite, um zu beraten was nun geschehen solle. Die meisten waren dagegen. Sie meinten das Kemal Pascha, sobald er diese Position bekleidet, diese nicht wieder freiwillig abgeben würde. Wir waren alle frustriert. Das Vaterland stand am Rande des Abgrunds und deiser Mann dachte nur an sich! Ich beruhigte die Kollegen, schließlich könne er ja nichts ausrichten wenn wir das ganze schriftlich Abfassen und die Zügel fest in den Händen halten würden. Schließlich nahm er das Kommando an."
-Nach dem Sieg über die Griechen berichtet Riza Nur Bey weiteres: "Alle waren in Tränen, über den Sieg unserer Armee, aufgelöst, lagen sich in den Armen... Da kam ein Telegram vom Generalstab: Kemal Pascha fordete den Titel "Ghasi" und dazu auch tatsächlich noch eine beträchtiche Geldsumme!!! Der Feudentaumel schlug in Wut über! Dieser Mann hatte keinen Funken Ehre im Leibe! Wir hatten uns fast totgeredet um ihn überhaupt dazuzubringen das Oberkommando zu übernehmen und jetzt tat er so als wäre nichts geschehen und kam mit diesen Forderungen... Gut, den Ehrentitel gab ihm das Parlament doch bezüglich der Geldsumme bekam er eine Abfuhr. Wir erfuhren dann noch das er über diese Nachricht Bitterböse wurde...".
-Als die Zweite Große Nationalversammlung fast ausschließlich mit den Parteigängern M. Kemals ausgefüllt war, gab M. Kemal seinen Status als politisch-militärischer Führer nicht ab und ließ sich noch einmal von (seinem) Parlament in dieser Stellung bestätigen. Der Weg zur Diktatur nahm ihren tragischen Lauf.
-Durch den Friedensvertrag von Lausanne verzichtete die Regierung M. Kemals auf alle Ansprüche ausserhalb Anatoliens. Die Loslösung Ägyptens, Zyperns, Syriens, des Irak, des Hedschas und des Jemens vom Kalifat wurde angenommen. Ansprüche auf Entschädigung sowie weitere territoriale Ansprüche im Kaukasus wurden fallengelassen. DEr Status der nordirakischen Provinz Mosul wurde offengelassen und sollte später dem Völkerbund zugetragen werden (1926 trat M. Kemal alle Rechte auf Mosul an die Engländer ab). Der Freidensschluss war im Grunde eine "weiche Kapitulation".
-Um seinen Führungsanspruch zu festigen wurde Anfang 1924 das Kalifat von dieser Großen Nationalversammlung "abgschafft". Es gab nur eine einzige Gegenstimme.
-Die Opposition versuchte nochmal M. Kemal loszuwerden, war aber zu zersplittert um effektiv vorzugehen. Zunächst bildete sich um Kazim Karabekir Pascha eine national-religiöse Opposition. TEntgegen dem Rat seiner Anhänger nutzte Karabekir Pascha nicht seine militärischen Posten um M. Kemal und seine Parteigänger durch einen Militärpusch zu entmachten. Karabekir Pascha setzte auf den friedlichen Weg, den Parlamentarismus. Das erwies sich gegenüber einem skrupellosen Diktator wie M. Kemal als strategischer Fehler. Karabekir Pascha gründete mit seinen Freunden eine Partei, durch seine Popularität bei den muslimischen Volksmassen konnte er tatsächlich mit großer Unterstützung rechnen.
-Als Mitte 1925 im Südosten der sogenannte Schaich Said-Aufstand ausbrach, verordnete die kemalistische Regierung Notstandsgesetzte. Alle Parteien wurden verboten. Karabekir Pascha selbst und seinen Parteigenossen wurde vorgeworfen mit der bewaffneten Revolte in Kontakt zu stehen. Die Oppositionpartei wurde verboten und die Führerschaft eingesperrt oder unter Arrest gestellt. Nach der Niederschlagung des Schaich Said-Aufstands (der Aufstand wurde von kurdischen Stämmen als Reaktion gegen die Abschaffung des Kalifats geführt) gab es quasi keine Möglichkeit mehr die Macht M. Kemals durch politische oder militärische Aktionen zu brechen.
-1926 scheiterte in Izmir ein Attentat gegen M. Kemal durch verrat. Die von jungtürkischen Aktivisten ausgesponnene Konspiration wurde aufgedeckt und die Verschwörer wurden zum Tode verurteilt.
-Die sogenannten "Istklal Mahkemeleri" ("Unabhängigen Gerichte") verurteilten in diesen Jahren tausende von Muslimen zum Tode. Zumeist wegen vergehen gegen die neuen Gesetzte (zB. das Bekleidungsgesetz) und ganz allgemein wegen Zuwiderhandlungen gegen die anti-religiöse Staatspolitik. Bis heute weiss niemand genau wieviele Muslime in dieser Zeit ermordet wurden (Schätzungen gehen von mehreren Zehntausenden bis zu einer Viertelmillion aus), das Thema ist in der Türkei ein kemalistisches Tabu.
-Politische Gegner mußten das Land verlassen bzw wurden unbarmherzig verfolgt. Die osmanische Königsfamilie wurde ins Exil geschickt (erst in dem 1950er Jahren durften wieder weibliche Familienmitglieder das Territorium der Türkei betretten, soweit ich weiss ist den männlichen Nachkommen noch heute die Einreise verboten). Systematisch wurden alte Parteigänger Enver Paschas, oppositionelle Geistliche (zB. Mustafa Sabri Efendi/Schaich al-Islam), führende Intellektuelle und Politiker (zB. Mehmed Akif Bey, Halide und Adnan Adivar, Riza Nur Bey) usw.
-Die Türkei wurde quasi zum Privatbesitz M. Kemals. Von seinem Einparteienparlament ließ er sich den Nachnamen "Atatürk" ("Vater der Türken") verleihen. 1928 wurde das arabische Alphabet abgeschafft und stattdessen ein lateinisches (sogenanntes "türkisches") Alphabet eingefürt. Das damit, die über Tausendjährige, islamische Vergangenheit ausgelöscht werden sollte liegt auf der Hand. Große Teile des osmanischen Staatsarchivs wurden geplündert, vernichtet oder als Altpapier ins Ausland verkauft. Böse Zungen behaupten, das M. Kemal damit das kollektive Bewußtsein einer großen und bekannten Vergangenheit vernichten wollte um ein Volk von "Bastarden" zu formen, gerade weil seine persönliche Herkunft im dunklen Lag.
-In den 1970er Jahren veröffentlichte die türkische Tageszeitung "Milliyet" eine Artikelserie über M. Kemal. Originalbriefe wurden zum erstenmal veröffentlicht. In einem dieser (kurz vor seinem Tod) verfaßten atatürkischen Briefe (an englische Freunde adressiert) war zu lesen: "Wir werden gemeinsam diese [türkische] Republik weiterhin leben lassen, genauso wie wir diese Republik auch gemeinsam gegründet haben."
Nachtrag: Der islamische Gelehrte Said Nursi Efendi (nicht zu verwechseln mit Schaich Said) war unter der kemalistischen Herrschaft der staatlichen Verfolgung ausgesetzt und stand bis zu seinem Tode (1960) unter Hausarrest. In dieser Zeit verfaßte er ein umfangreiches Werk (Risale-i Nur). In einer Risalah bezeichnete er M. Kemal offen als einen personifizierten Daddschal.