Duisburg zit op Turkse tijdbom_
(Duisburg sitzt auf türkischer Zeitbombe)
Unter dieser Schlagzeile in der holländischen Zeitung _Algemeen Dagblad_
vom 27.2.2000 schreibt deren Korrespondent Ad Vaessen den folgenden
Artikel (übersetzt von Volker Mühleib):
"Duisburg - fünfzig Kilometer hinter der niederländischen Grenze beginnt
türkisches Gebiet. Nur ein Metzger und ein Bäcker, mehr deutsche Geschäfte
zählt der Stadtteil Bruckhausen in Duisburg, dem Herzen des Ruhrgebiets,
nicht.
Geschäfte, Restaurants, Fahrschulen, Anwaltskanzleien, Arztpraxen,
Sportvereine - alles ist türkisch.
Schulen bestehen aus 70 bis 80% aus türkischen Kindern, die oft erst in
der ersten Klasse deutsche Worte lernen.
"Wir gebrauchen das Wort Integration nicht mehr. Das ist sinnlos", sagt
Schuldirektor Matthias Seifert. Er bietet Tee in türkischen Gläsern an. An
der Wand hängt in Türkisch und Deutsch "Willkommen".
Ein paar Straßen weiter liegt das letzte christliche Bollwerk: die
Liebfrauenkirche von Pastor Thomas. Er bezeichnet die Gegend als "Klein-
Ankara". Früher zählte seine Gemeinde 13 000 Gläubige. Jetzt kümmert er
sich noch um ungefähr 800 Schäfchen, von denen am Sonntag eine Handvoll
zur Kirche geht. Das Gotteshaus ruht auf Stahlsäulen, einem Geschenk des
Stahlgiganten Thyssen, der den Stadtteil in permanenten Gestank hüllt.
"Ich bin hilflos, die Gemeinde stirbt aus", sagt Thomas. "Deutsche, die
weg können, ziehen um. Auch Türken mit besserer Ausbildung hauen ab. Was
übrig bleibt, sind deutsche Problemfälle und simple Deppen".
Der Bischof von Essen wil die römisch-katholische Bastion bis zum
Äußersten verteidigen. "Wir verlassen den Stadtteil als letzte", so wird
er zitiert.
Duisburg, das seit Jahrzehnten von Sozialdemokraten regiert wird, zog
dieser Tage in einem anderen Stadtteil die Notbremse. Ein Schulzweig wurde
geschlossen, weil er eine "ethnische Enklave" geworden ist, wie Gerd
Bildau es ausdrückt. Er ist politisch verantwortlich für Ausbildung und
Ausländer. Es ist der erste Schulzweig in Deutschland, der dichtgemacht
wird, weil der Ausländeranteil über 50% gestiegen ist. Nach Bildau wird
wegen der miserablen Kenntnis der deutschen Sprache das Ausbildungsziel
nicht mehr erreicht. Die türkische Gemeinschaft nennt ihn "rassistisch".
"In zehn Jahren ist jeder dritte Einwohner von Duisburg Ausländer", sagt
Sozialdemokrat Bildau. "Es besteht in Bruckhausen und teilweise auch in
anderen Stadtteilen schon eine türkische Infrastruktur. Deutsche und
Türken leben nicht miteinander, sondern nebeneinander. Es glückt
Arbeitskollegen nicht, Kontakt mit türkischen Einwohnern zu bekommen. Wenn
wir keine Alternative entwickeln, können wir bald nur noch die weiße Fahne
hissen".
In Duisburg (530 000 Einwohner) wohnen 90 000 Ausländer. Es gibt 36
Moscheen, die sich in Altbauten befinden. Bildau sagt, daß viele Kinder
nicht Deutsch lernen wollen "Es gibt doch keine Arbeit" sagen sie.
"Manchmal höre ich, daß der Hodja "nein" gesagt hat". Bildau verweist auf
eine Untersuchung des Soziologen Heitmeyer hin. Es wurde festgestellt, daß
die Mehrheit der türkischen Jugendlichen die westliche Lebensweise ablehnt
und sich demonstrativ für die türkisch-islamische Lebensweise entscheidet.
"Je größer die Desintegration, umso stärker die fundamentalistische
Orientierung".
Duisburg ist ein extremes Beispiel, aber keine Ausnahme. Auch in Essen und
Berlin gibt es Stadtteile, wo der Separatismus dominiert. Bildau sagt, daß
vor allem Arbeiter "Angstgefühle, die dramatische Formen annehmen",
beklagen. In den letzten Jahren gingen im Kohle- und Stahlsektor von
Duisburg 10 000 Arbeitsplätze verloren. Die Jugendarbeitslosigkeit (rund
20%) gehört zur höchsten in der Bundesrepublik.
Um SPD-Wähler nicht gegen sich aufzubringen, verleugnet die Partei viele
Jahre, daß ein Ausländerproblem besteht. So kam Bruckhausen in türkische
Hände.
Wie explosiv die Situation geworden ist, ersieht man aus der Situation
rund um die Mevlana-Moschee. Hier wollte ein Muezzin mit Lautsprechern zum
Freitagsgebet aufrufen. "Da war eine Volkswut in den Köpfen wie im Dritten
Reich", sagt Bildau. "Hätte jemand die Deutschen dazu aufgerufen, wäre die
Moschee in Flammen aufgegangen". "Durch Vermittlung ist die Stimmung
besser, aber es ist noch viel Feuer im Untergrund", sagt Bildau.
Vor der Moschee steht Mahir Simsek (30), von der Moschee-Vereinigung
Duisburg. Er ist schwwer beleidigt wegen der feindlichen Stimmung. "Ich
komme aus Ankara, wo sonntags die Glocken läuten, was niemanden stört".
Simsek, der fließend Deutsch spricht, wohnt seit seinem 5. Lebensjahr in
der Bundesrepublik. "Ich habe keine deutschen Freunde. Ich habe es auch
nicht versucht. Die Menschen in Bruckhausen leben noch stets in der
Türkei. Sie sehen ausnahmslos türkisches Fernsehen und lesen türkische
Zeitungen. Sie beschäftigen sich mit türkischer, nicht mit deutscher
Politik."
Simsek sieht vor allem eine Möglichkeit, um die Integration zu fördern:
Unterricht über islamische Religion in der Schule, der in Deutsch gegeben
werden muß. Die Moscheen wollen die Lehrer anweisen, die Ausbildung durch
deutsche Spezialisten kontrollieren zu lassen, um "politischer
Indoktrination" vorzubeugen. Einen deutschen Paß anzubieten, wie Kanzler
Schröder es will, erfordert laut Simsek keine Integration.
Ist "Klein-Ankara" eine Zeitbombe? "Ich scheue nicht, dieses Wort zu
gebrauchen", sagt Bildau von der Stadt Duisburg. "Wird in den kommenden
Monaten nicht mit dem Ausführen ernsthafter Ideen begonnen, wie
Deutschstunden für Mütter und Kinder, dann wird diese Problematik eine
Bombe"."
Manchmal erhält man einen klareren Blick auf das eigene Land, wenn man sich mit der Sicht des Auslandes auf Deutschland befaßt.