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Thema: Der Kampf des Vatikan gegen die Demokratie

  1. #1
    marc
    Gast

    Standard Der Kampf des Vatikan gegen die Demokratie

    Ich erinnere mich gerne an die Lektüre eines schmalen Buches mit den einprägsamen Titel "Gibt es Gott?"
    Es bestand größenteils aus einem Streitgespräch zwischen Josef Ratzinger und dem atheistischen Philosophen Paolo Flores d'Arcais. Eingerahmt wurde dieses Gespräch durch einen Essay Ratzinger - und einen d'Arcais.

    Das Gespräch selber handelte weniger von der Existenz Gottes als dem Anspruch der Katholischen Kirche, die "religio vera" zu sein. (Das und seine Folgen wird gleich erklärt.)
    Dabei wurden auch die Grenzen Ratzingers offensichtlich. Nicht, weil er weniger wüsste als d'Arcais - sondern weil sein Intellekt ideologische Fesseln trägt und er bei jedem Ansatz eines Höhenfluges durch die Leine seiner Gottespest am Aufstieg gehindert wird.

    Hier nun ein schöner Text von Paolo, auf den ich folgende Reaktionen erwarte:
    Die einen werden den Kampf gegen die Demokratie begrüßen, weil sie ihre persönlichen Krisen in eine Krise der Demokratie ummünzen, die anderen werden die RKK zum Hort der "wahren" Freiheit umdichten und der Rest wird gleich googlen, um zu gucken ob Paolo Flores d'Arcais ein "Jude" ist.

    Religion und Vernunft
    Ratzingers Angriff auf die Demokratie
    ...
    Die Modernität, die wir kennen, die westliche Modernität, die zur Demokratie führt, gründet sich auf der Idee von der Autonomie des Menschen. Autos nomos, der Mensch ist Gesetz (nomos) seiner selbst (autos). Der Mensch ist also souverän, legt das eigene Gesetz fest, statt es von oben und vom Anderen, von einem transzendenten Gott, zu erhalten.
    ...
    Das lange Pontifikat von Karol Wojtyla war eine ununterbrochene Anklage und Kritik an dieser Modernität.
    ...
    Joseph Ratzinger, der ja der führende Ideologe von Papst Wojtyla war, verschärft nur dessen Bannfluch gegen die Modernität und gliedert ihn in eine kulturelle und politische Strategie ein, in einen schlagkräftigen Kreuzzug, dessen Ziel der Rückschritt ist.
    ...
    Die Regensburger Rede vom 12.September 2006, die einige islamische Regierungen dazu gebracht hat, den Fanatismus der Massen gegen den Papst zu mobilisieren, war in Wirklichkeit eine Einladung zum Monotheismus (den Islam mehr denn je eingeschlossen), um gemeinsam Front gegen die wirkliche Bedrohung der Zivilisation zu machen: gegen den Atheismus und die Gleichgültigkeit, also gegen den Laizismus, der sich anmaßt, Gott aus dem öffentlichen Bereich auszuschließen, in dem Gesetze gemacht werden.
    ...
    Ratzinger behandelt selbstverständlich nicht alle monotheistischen Religionen gleich. Der christlichen Religion in seiner ,,römisch-apostolisch-katholischen‘‘ Form behält er das Primat vor, das ihr aus der Fähigkeit erwächst, eine Religion nicht nur des Glaubens, sondern auch des Logos zu sein.
    ...
    Aber wenn die Doktrin der römischen Kirche und ihres Papstes eine Wahrheit konstituiert, die nicht nur auf dem Glauben, sondern auch auf der Vernunft aufbaut, so folgt daraus der Anspruch, dass Parlamente und Regierungen keine Gesetze erlassen dürfen, die in Konflikt mit dieser Doktrin stehen - weil das dann Gesetze wären, welche der "Natur des Menschen" widersprechen würden.
    ...
    Und gegen die Natur sind nach der katholischen Kirche, wie wir wissen: die Abtreibung, die Empfängnisverhütung (das Kondom eingeschlossen), die Scheidung, die wissenschaftliche Forschung mit Stammzellen, die Homosexualität und natürlich die Euthanasie (das heißt die Entscheidung eines Kranken, der im Endstadium unsagbare Leiden ertragen muss, seine Folter nicht zu verlängern).

    Bei all solchen Themen, die durch den wissenschaftlichen Fortschritt in ihrer Zahl noch zunehmen werden, wird Ratzinger nicht müde zu wiederholen, dass ein Parlament und eine Regierung, die Gesetze "gegen die Natur" verabschieden, ipso facto illegitim werden würden, auch wenn sie nach den Regeln der konstitutionellen Demokratie gewählt worden seien.

    Die gleiche Haltung hatte Wojtyla auch gegenüber dem polnischen Parlament eingenommen (dem ersten, nach einem halben Jahrhundert, demokratisch gewählten!), als dieses über die Abtreibung beriet.
    ...
    Die Strategie wird gerade in Italien deutlich: Das Land wird als schwaches Glied angesehen, wo man diese "Wiedereroberung" als erstes ausprobieren kann, um dann nach Spanien zu wechseln, in der Hoffnung, dass man eines Tages auch in Deutschland tätig werden könnte. Frankreich, wie es sich aktuell gibt, scheint noch zu tief in seiner republikanischen Laizität verwurzelt zu sein, um hier einen kulturellen und politischen Kreuzzug zum Rückschritt zu erwägen.
    ...
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    Geändert von marc (04.07.2008 um 22:31 Uhr)

  2. #2
    Bazinga! Benutzerbild von Sheldon
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    Standard AW: Der Kampf des Vatikan gegen die Demokratie

    Der Vatikan war niemals demokratisch gewesen und stand auch niemals für dafür ein.
    User, die durch ihr schändliches Verhalten das Recht verloren haben, von mir beachtet zu werden: Praetorianer, Makkabäus, Nettaktivist, Gurkenglas,Xarrion,Trantor,Rolf1973

    Den Wahn erkennt natürlich niemals, wer ihn selbst noch teilt. - Sigmund Freud

  3. #3
    marc
    Gast

    Standard AW: Der Kampf des Vatikan gegen die Demokratie

    Zitat Zitat von Manticor Beitrag anzeigen
    Der Vatikan war niemals demokratisch gewesen und stand auch niemals für dafür ein.
    Das stimmt natürlich, aber erst seit kurzem behaupten katholische "Würdenträger" gelegentlich, dass sie für die Demokratie eintreten würden.

  4. #4
    Mitglied Benutzerbild von dr-esperanto
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    Standard AW: Der Kampf des Vatikan gegen die Demokratie

    Ja, die Kirche unterstützt grundsätzlich jede Regierungsform - sogar den Kommunismus, wenn es gar nicht mehr anders geht.
    VIGILIA PRETIUM LIBERTATIS "Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit"
    Gregor der Große: "Die Vernunft kann sich mit größerer Wucht dem Bösen entgegenstellen, wenn der Zorn ihr dienstbar zur Hand geht"
    Dostojewski: "Die Toleranz wird ein solches Niveau erreichen, dass intelligenten Menschen das Denken verboten wird, um die Idioten nicht zu beleidigen."

  5. #5
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    Standard AW: Der Kampf des Vatikan gegen die Demokratie

    Zitat Zitat von marc Beitrag anzeigen
    Die Modernität, die wir kennen, die westliche Modernität, die zur Demokratie führt, gründet sich auf der Idee von der Autonomie des Menschen. Autos nomos, der Mensch ist Gesetz (nomos) seiner selbst (autos). Der Mensch ist also souverän, legt das eigene Gesetz fest, statt es von oben und vom Anderen, von einem transzendenten Gott, zu erhalten.
    Was modern ist, muß nicht gut für den Menschen sein. Wenn Demokratie alles gute, über die Zeit erworbene zerstört, zerstört sich die Demokratie hiermit selbst. Der Mensch ist kein Souverän, er ist Teil eines Ganzen, wir sollten uns da nicht überschätzen.

    Es gibt diesen Bannfluch nicht. Wahr ist, das sehen wir gerade in deutschen Landen, daß versucht wird, die deutsche Gesellschaft mit ihrer Kultur und ihren Normen von innen her durch Unterwanderung aufzuweichen und dann aufzulösen.
    Ich bin, wie ich bin. Die einen kennen mich,
    die anderen können mich. (K. Adenauer)
    Mit freundlichem Gruss
    ExAnimo

  6. #6
    AfD, was denn sonst ?! Benutzerbild von Bruddler
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    Standard AW: Der Kampf des Vatikan gegen die Demokratie

    Zitat Zitat von ExAnimo Beitrag anzeigen
    Was modern ist, muß nicht gut für den Menschen sein. Wenn Demokratie alles gute, über die Zeit erworbene zerstört, zerstört sich die Demokratie hiermit selbst. Der Mensch ist kein Souverän, er ist Teil eines Ganzen, wir sollten uns da nicht überschätzen.

    Es gibt diesen Bannfluch nicht. Wahr ist, das sehen wir gerade in deutschen Landen, daß versucht wird, die deutsche Gesellschaft mit ihrer Kultur und ihren Normen von innen her durch Unterwanderung aufzuweichen und dann aufzulösen.
    Kaum ein anderer Begriff wird derart mißgedeutet und
    zweckentfremdet wie "Demokratie" !

    Jeder Schurkenstaat und jedes Verbrecherregime behauptet inzwischen "demokratisch" zu sein......
    >>> DEM DEUTSCHEN VOLKE <<<

  7. #7
    GESPERRT
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    Standard AW: Der Kampf des Vatikan gegen die Demokratie

    Ja, ja. Das Verhältnis der Katholen zur Demokratie und Aufklärung war noch nie gut.

  8. #8
    GESPERRT
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    Standard AW: Der Kampf des Vatikan gegen die Demokratie

    Zitat Zitat von ExAnimo Beitrag anzeigen
    Was modern ist, muß nicht gut für den Menschen sein. Wenn Demokratie alles gute, über die Zeit erworbene zerstört, zerstört sich die Demokratie hiermit selbst. Der Mensch ist kein Souverän, er ist Teil eines Ganzen, wir sollten uns da nicht überschätzen.

    Es gibt diesen Bannfluch nicht. Wahr ist, das sehen wir gerade in deutschen Landen, daß versucht wird, die deutsche Gesellschaft mit ihrer Kultur und ihren Normen von innen her durch Unterwanderung aufzuweichen und dann aufzulösen.
    Religiöse Werte sollten für Menschen, die dieser Religion nicht angehören, nicht bindend sein.

  9. #9
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    Standard AW: Der Kampf des Vatikan gegen die Demokratie

    Zitat Zitat von dr-esperanto Beitrag anzeigen
    Ja, die Kirche unterstützt grundsätzlich jede Regierungsform - sogar den Kommunismus, wenn es gar nicht mehr anders geht.
    Hauptsache es werden große Kirchen gebaut - wie auch schon im Mittelalter. :mf_popeanim:

  10. #10
    Mitglied Benutzerbild von dr-esperanto
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    Standard AW: Der Kampf des Vatikan gegen die Demokratie

    Gläubige und Nichtgläubige haben ja auch einen ganz anderen Blick auf die Welt: für den Ungläubigen ist der Staat oder die Demokratie oder in Frankreich die valeurs républicaines das Nonplusultra, für den Gläubigen ist das doch alles Kinderkram im Angesicht der Ewigkeit! Ich bin nicht gegen Aufklärung und Demokratie, aber das Heil sollte man nicht davon erwarten.
    VIGILIA PRETIUM LIBERTATIS "Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit"
    Gregor der Große: "Die Vernunft kann sich mit größerer Wucht dem Bösen entgegenstellen, wenn der Zorn ihr dienstbar zur Hand geht"
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