Haben wir nicht weltweit ein alle Länder, Kulturen, Lebensbereiche, politischen und sozialen Bewegungen durchdringendes System? Ich denke ja, und seine Merkmale sind
- freies Spiel der Kräfte
- Teilnahme aller Individuen an diesem Spiel, ob sie wollen oder nicht
- "Selbstverantwortung"
- "Eigeninitiative"
- Amoklauf gegen jede noch so rudimentäre Form von Gemeinschaftlichkeit
- Amoklauf gegen noch so minimalistische Normen
- dabei wird "Freiheit" im Sinne von Staat und Gesellschaft verordnet
- Verherrlichung des vereinzelten Überlebenskampfes vorzugsweise von denen, die ihn NICHT führen müssen
- alle müssen mitmachen, weil sie doch alle "frei" sind
- "es zwingt dich niemand" > dieser Niemand zwingt dich aber dein ganzes Leben
- "Ökonomisierung aller Lebensbereiche" und allumfassender Zwang über anonyme ökonomische und Markmechanismen
Dieses System und seine Protagonisten durchdringen von den Kirchen bis zu Homo-Verbänden alle sozialen, politischen und gesellschaftlichen Instanzen. Sie sind auch dafür verantwortlich, dass all diese Instanzen ihre Bindekraft verlieren. Denn irgendwie merken die einfachen Menschen doch, dass weder die Funktionäre des Roten Kreuzes noch des LSVDs, weder der SPD noch der CDU an ihnen interessiert sind. Und bleiben weg. Treten aus, schon um die Beiträge zu sparen.
Man hat denn sozusagen eine "Zerdoppelung" der Gesellschaft. Das alte Spektrum von
rechts/konservativ - mitte/pragmatisch - links/egalitär
gibt es nun zweimal.
Es gibt Rechte, Mittige und Linke, die sich als Teil des Systems begreifen und es gibt Rechte, Mittige und Linke, die sich außerhalb, neben oder gegen dem System verorten. Wobei die Kluft zwischen denen, die im System sind und denen draußen ebenso groß ist wie die etwa zwischen einem Linken und einem Rechten.
Die Ideologien und Instanzen, die sich als Teil des Systems verstehen, haben ihren Konsens, ja zemetieren ihn sogar.
Die Ideologien und Gruppen außerhalb des Systems kämpfen sowohl gegeneinander als auch gegen das System. Da ist also - von lichten Momenten abgesehen - heilloser Streit und Zank angesagt.
Vor einer Generation orientierten sich da noch die allermeisten auf eine mehr konservative oder liberale, eine weltläufigere oder eigenbrötlerische Version der BRD. Nun fühlen oder wissen sie, dass die BRD sie aufgegeben hat und sie flüchten sich in jeweils eigene ideologische Fantasiewelten.
Vor einer Generation kommte man sich vor sinnlosen ideologischen Schlammschlachten aber noch ins Private flüchten. Arbeit und Familie und das Vaterland auf einen eher mittigen Kurs halten, weil weder Deutsches Reich mit Führer noch Sozialismus mit Generalsekretär wirklich gut sind. In der Welt irgendwie auf EWG/EG und UNO bauen, weil weder Amoklauf durch die Weltgeschichte noch Selbstauflösung wünschenswert sind.
Das hat sich nun erledigt. Die Fluchtwege ins Private sind verbaut und in der Welt gehen nationalistischer Amoklauf wie schon in Jugoslawien mit Selbstauflösung Hand in Hand.
Irgendwann bleibt dann nur noch die Hoffnung, dass sich das System, das sich weder zurückdrängen noch aufhalten oder korrigieren lässt, endlich zu Tode siegt! Und man es überlebt, um sich wenigstens an seinem Untergang zu erfreuen!