Zitat von
Chanan
Durchlaufen Kulturen zwangsläufig nach ihrem Entstehen die Stadien Frühling, Sommer, Herbst und den das unwiederbringliche Verschwinden nach sich ziehenden Winter?
Oder ist es nicht eher so, wie ich mittlerweise denke, dass Kulturen einer stetigen Schwankung unterliegen, bedingt durch äußere Umstände wie Frieden/Krieg, Wohlstandsniveau, usw., welche ihr Innerstes vom "entschlossenen" Dasein (Heidegger) in die Dekadenz schwenken können, aber auch wieder zurück?
Die Schwankungen können letztendlich natürlich eine derartige Amplitude ins Negative bewirken, was dann letztlich den Untergang bedeutet. Zwischendurch können aber Negativphasen immer wieder durch "Auffrischungen" umgelenkt werden.
Ich will das festmachen an zwei Ausprägungen der gesitigen Disposition einer Kultur, die ich hier mal folgendermaßen umschreibe:
1.) Zum einen das Primat des Handels/der Wirtschaft vor der Politik bzw. der Beschränkung letzterer auf nebensächliche Administrationstätigkeiten sowie eine generell positive Weltsicht, anthropologischer Optimismus, Fortschrittsglaube, Weltbürgertum.
2.) Zum anderen das Primat der (Außen-/Macht-)Politik, Realismus, pessimistische Anthropologie...
Nehmen wir mal Beispiele aus der Geschichte:
Zu Beginn der Neuzeit gab es die ersten Handelsblüten, die die „Machtpolitik“ zu verdrängen schienen. Hanse, freie Reichsstädte, in Italien schon seit dem 13. Jahrhundert und früher, bestimmten die Lage, die „schöngeistige“ Wissbegierigkeit zeigte sich in Universitäten, Klostern usw. Mitten in die schöne neue Welt krachte der 30-jährige Krieg nach Europa und plötzlich zählten wieder die Wallensteins und Gustav Adolfs. Danach brauchte man erst mal ein expansives Bevölkerungswachstum, die harten Tatsachen hatten den Zeitgeist wieder ergriffen.