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Thema: Functional Overlapping Competing Jurisdiction

Hybrid-Darstellung

  1. #1
    sieht auf euch herab Benutzerbild von -jmw-
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    Standard Functional Overlapping Competing Jurisdiction

    Was sind FOCJ?

    "Functional Overlapping Competing Jurisdiction" ist ein von den Schweizerdeutschen Bruno Frey und Reiner Eichenberger entwickeltes Föderalismusmodell.

    Worin unterscheidet es sich von bekannten Modellen?
    Nun, das steckt bereits im Namen.

    Eine solche Körperschaft ist

    1. funktional, d.h., sie dienen einem oder wenigen bestimmten Zweck(en);

    2. überlappend, d.h., dass in einem gegebenen Gebiet mehrere FOCJ aktiv sein können. Beispielsweise mag eine Gemeinde Mitglied einer Polizei-FOCJ sein, aber einer anderen FOCJ zum Unterhalt der Schulen und noch einer anderen FOCJ für die Entsorgung von Müll;

    3. wettbewerblich, d.h., innerhalb einer Region oder Gemeinde können auch mehrere FOCJ mit gleichen Funktionen arbeiten, z.B. zwei Schul-FOCJ innerhalb einer Gemeinde.

    Warum das ganze?

    Die politische Klasse ist vielerlei Kritik ausgesetzt.
    Bemängelt wird häufig, es würde am Volke "vorbeiregiert".
    Wird ein Regierungs- oder Verwaltungshandeln von der Bevölkerung oder Teilen der Bevölkerung abgelehnt, bleibt den Benachteiligten nur die Möglichkeit, bei den nächsten Wahlen an anderer Stelle ein Kreuz zu setzten.
    Hingegen die Regierung jetzt zu ersetzten, dieses Verwaltungshandeln jetzt abzustellen, diese Möglichkeit besteht nicht.

    Der wesentliche Punkt ides FOCJ-Konzepts ist, dass die Möglichkeit nichtphysischen Auswanderns gegeben wird.
    Dadurch werden die Körperschaften gezwungen, ihre öffentlichen Leistungen nach den sozialen, ökonomischen, demographischen, fiskalischen usw. Präferenzen der beteiligten Bürger bzw. Gemeinden auszurichten.



    Jemand 'ne Meinung dazu?
    Aktueller Kalenderspruch: Das ist wohl tatsächlich das Problem. Das alte links gibt es nicht mehr. Links ist heute das gut versorgte Establishment und nicht der entrechtete Proletarier. (HenningPogwisch, 130224, https://www.zeit.de/kultur/2024-02/p...0nach8/seite-2)

  2. #2
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    Standard AW: Functional Overlapping Competing Jurisdiction

    Kann ich mir nicht vorstellen, was das bringen soll. Soll denn auch der Fiskus verwettbewerblicht werden? Kann ein Bankräuber dann von Dortmund mit der S-Bahn nach Duisburg fahren und dort nicht mehr verfolgt werden weil die Polizei-FOCJ dort eine andere ist?

    Zudem überschätzen solche Konzepte meiner Ansicht nach immer die Selektionsfähigkeit der einzelnen Leute und Gemeinden. Menschen sind träge. Und sie haben was besseres zu tun als die ganze Zeit zig verschiedene FOCJs zu evaluieren. Also werden sie die billigsten nehmen, bzw. die bequemsten. Egal, ob der Müll dann seltener abgeholt wird.

  3. #3
    in memoriam Benutzerbild von Rheinlaender
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    Standard AW: Functional Overlapping Competing Jurisdiction

    Zitat Zitat von Chanan Beitrag anzeigen
    Kann ich mir nicht vorstellen, was das bringen soll.
    Nanu? einer unserer Vorzeigekonservativen hat damit ein Problem?

    ---

    Das ist eigentlich ein traditionelles Konzept. Vor der Entstehung von Nationstaaten war das Recht nicht nur an den Boden gebunden, sondern auch an die Person. Ein Unterthan des Kurfuersten von Trier konnte nur vor Kurtrierischen Gericht oder in Ausnahmefaelle vor einem Gericht des Reiches belangt werden. Hatte er also etwas ausgefressen in hamburg, so er einem kurtrierischen Gericht zu uberstellen.

    Mitglieder der von religoesen Orden und andere Kleriker unterstanden auch einem personengebundenen Rechtssystem.

    Dieses System der Mischung aus territorialer Herrschaft und Herrschaft ueber Personen war in Duetschland bis 1803/06 Recht. Andere Laender schafften dieser frueher ab mit der Entstehung von Nationalstaaten; aber vor ca. 1500 war dies in ganz Europa normal.

    ---

    Fas heutige Konzept des gebietsbundenen Staates, der innerhalb seines Gebietes zumindest theoretisch absolute Gewalt ausuebt, die aber einem Millimeter hinter Landesgrenze der genauso absoluten Gewalt eines anderen Staates weicht ist im Verhaeltnis zu dem mittelalterlichen System der gemischten Staatsgewalt sehr starr und mangelt einfach flexibilitaet.

    Man koennte sich zumindest innerhalb der EU ein System vorstellen indem soziale Sicherheitssysteme und auch bis einem bestimmten Masse Polizei und Dienstleistungen nicht mehr gebietsabhaenig ohne Auswahl als zwang ohne Alternative allen Bewohner uebergespuelpt werden, sondern man hier Auswahl treffen kann.
    Geändert von Rheinlaender (25.08.2008 um 08:21 Uhr)

  4. #4
    Orthodox Benutzerbild von Ausonius
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    Standard AW: Functional Overlapping Competing Jurisdiction

    Zitat Zitat von jmw
    Zusätzlich: Deckungsungleichheit von Aufgabenerfüllungsbereichen war die meiste Zeit über normal, bei uns hier in MItteleuropa bis noch vor wenigen hundert Jahren.
    Ist es aber wirklich so erstrebenswert, die kommunale und berufsständische Verwaltung der Städte aus der Spätzeit des Alten Reiches bzw. Biedermeierzeit wieder haben zu wollen?


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  5. #5
    Orthodox Benutzerbild von Ausonius
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    Standard AW: Functional Overlapping Competing Jurisdiction

    Zitat Zitat von Rheinlaender
    Fas heutige Konzept des gebietsbundenen Staates, der innerhalb seines Gebietes zumindest theoretisch absolute Gewalt ausuebt, die aber einem Millimeter hinter Landesgrenze der genauso absoluten Gewalt eines anderen Staates weicht ist im Verhaeltnis zu dem mittelalterlichen System der gemischten Staatsgewalt sehr starr und mangelt einfach flexibilitaet.
    Nun ja, wenn man so will, war im Mittelalter das meiste privatrechtlich organisiert und eine Art öffentliches Recht durchzusetzen ging für das Reich nie ohne größere Schwierigkeiten vonstatten (z.B. Landfrieden). Regierung und Verwaltung auf den unteren Ebenen war fast ausschließlich ein Hantieren mit Besitzrechten; im frühen Mittelalter war sogar Mord juristisch gesehen eine Geldfrage. Ich denke, da sind wir heute schon etwas weiter.


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  6. #6
    in memoriam Benutzerbild von Rheinlaender
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    Standard AW: Functional Overlapping Competing Jurisdiction

    Zitat Zitat von Ausonius Beitrag anzeigen
    Nun ja, wenn man so will, war im Mittelalter das meiste privatrechtlich organisiert und eine Art öffentliches Recht durchzusetzen ging für das Reich nie ohne größere Schwierigkeiten vonstatten (z.B. Landfrieden).
    Es war nicht privatrechtlich, sondern lehnrechtlich organisiert, was bedeutete, das die gleiche hoechst unterscheidliche Funtionen haben konnte. So konnte ein Abt als Abt eines reichstaedtischen Klosters Reichsfuerst sein, als Richter in einem bestimmten Bereich, der z. B. zu einer Reichsritterschaft gehoerte agieren, jedoch nur z. B. fuer die Niedrige Gerichtsbarkeit, da z. B. die Hohe Geriechtsbarkeit beim benachtbarten Bischof lag, etc.

    Diese Rechtsverhaeltnisse kannst Du nicht mit dem Privatrecht wie wir es kennen beschreiben. Das Reichskammergricht unterschied deshalb sehr genau in der Rechtsanwendung ob etwas eine privatrechltiche Frage war, z. B. ein Erbstreit um Vermeigenswerte, bei dem eventl. lokales Recht anzuwenden war (entgegen einem haeufig gehoerten Vorurteil wendete das Reichsgericht auch lokales Recht an) oder ob es sich um einen Erbstreit um landeshoheitliche Rechte ging, in denen Reichskammergericht auf jeden Fall das Ius Commune anwenden musste.

    Zitat Zitat von Ausonius Beitrag anzeigen
    im frühen Mittelalter war sogar Mord juristisch gesehen eine Geldfrage. Ich denke, da sind wir heute schon etwas weiter.
    Nun, das ist ein gaengiges Vorurteil - Wenn du den Sachsenspiegel gruendlich liesst, dann kann die Strafe auf Mord nur dann in eine Zahlung umgewandelt werden, wenn der Taeter sich freiwillig stellt bevor Anklage gegen ihn erhoben wird; da waere soetwa wie heute "taetige Reue", ansonsten geht es "umb seinen Halß":

    Lib. 2 -Art. 14
    1. Schlägt ein Man den anders durch Nothwehr zu todt, und darff er bey ihm vor Frocht seines Leibes nicht bleiben, daß er ihn vor Gericht brechte und über ihn klagen möchte, kompt er denn ohne den Todten vor Gericht, und bekennet er es, ehe man über ihn klaget, und beut sich darumb zu recht, man sol ihm sein Halß nicht verteilen: dem Richter aber sol man erteilen auf ihn das höchste gewette der pfenning, die man ihm pfleget zu wetten, und den Freünden ihr Wehrgelt, die sol man dann vorladen ihr Wehrgelt zu nemen zum nechsten gedinge und zum andern, und auch also zum dritten: Kommen sie dann nicht vor, er sol das Wehrgelt so lange behalten, biß daß sie es ihme mit klagen angewinnen, und man sol ihm darumb Frieden wircken: umb den todten Man aber mag ihn niemand an den Halß sprechen, alldieweil er sich zu recht darumb bot, ehe man auf ihn klagete. Bringt man aber den Todten vor Gericht unbegraben, und klagt man auf ihn, er muß antworten umb seinen Halß, oder muß den Todten überkommen, daß er sich in der noth sein haab wehren müssen.

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  7. #7
    in memoriam Benutzerbild von Rheinlaender
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    Standard AW: Functional Overlapping Competing Jurisdiction

    Zitat Zitat von Ausonius Beitrag anzeigen
    Ist es aber wirklich so erstrebenswert, die kommunale und berufsständische Verwaltung der Städte aus der Spätzeit des Alten Reiches bzw. Biedermeierzeit wieder haben zu wollen?
    Wieso aus der Spaetzeit des Heiligen Roemischen Reiches? Diese Strukturen bestanden zumindest seit dem 14. Jahrhundert. Zu Lekutuere empfohlen: Jacob Moser, Von der Reichs-Stättischen Regimentsverfassung, Frankfurt [am Main] & Leibzig, 1772.

    Das wirklich spannend zu lesende Buch ist vollstaendig gescant :

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  8. #8
    Orthodox Benutzerbild von Ausonius
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    Standard AW: Functional Overlapping Competing Jurisdiction

    Zitat Zitat von Rheinlaender
    Wieso aus der Spaetzeit des Heiligen Roemischen Reiches? Diese Strukturen bestanden zumindest seit dem 14. Jahrhundert. Zu Lekutuere empfohlen: Jacob Moser, Von der Reichs-Stättischen Regimentsverfassung, Frankfurt [am Main] & Leibzig, 1772.
    Von Moser hab ich schon mal gehört.
    Ich spreche deshalb von Spätzeit, weil vieles, was im Mittelalter unter den seinerzeitigen Bedingungen noch sinnvoll war, in der späten Neuzeit die Entwicklung der Städte eher behinderte. Die meisten Reichsstädte dümpelten bis zur Zäsur 1803/1806 ja in der Bedeutungslosigkeit herum, wie auch viele der kleineren Herrschaften. Es war eben so, dass das Recht im Reich einen Zustand konservierte, der längst nicht mehr zeitgemäßg war.


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  9. #9
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    Zitat Zitat von Ausonius Beitrag anzeigen
    Ist es aber wirklich so erstrebenswert, die kommunale und berufsständische Verwaltung der Städte aus der Spätzeit des Alten Reiches bzw. Biedermeierzeit wieder haben zu wollen?
    Nein.
    Es will ja auch niemand derartige quasi-antike Strukturen kopieren.
    Nur der Hinweis sollte gegeben worden sein, das wir ähnliches wie das vorgeschlagene Konzept schonmal hatten.

    Zitat Zitat von Ausonius Beitrag anzeigen
    Nun ja, wenn man so will, war im Mittelalter das meiste privatrechtlich organisiert
    :yeah:

    (Diese kleine private politische Anmerkungen bitte ignorieren.)

    im frühen Mittelalter war sogar Mord juristisch gesehen eine Geldfrage. Ich denke, da sind wir heute schon etwas weiter.
    Das ist zumindest Ansichtssache.
    Ich halte es für problematisch.
    Z.B. muss man begründen, warum das Opfer und seine Hinterbliebenen etwas davon haben, dass der Täter eingesperrt wird;
    und man muss begründen, dass das eine richtige und angemessene Strafe ist, so und so viele Jahre einzusitzen für einen Mord - einen vernünftigen Masstab dafür zu finden jenseits der Willkür des Gesetzgebers ist schon schwierig.
    Zuguterletzt hat das Konzept "Strafe" selber immer ein bissel religiöse Züge oder, anders: Zu sagen "Hast kaputtgemacht, gib Schadensersatz" scheint mir ein grösseres oder breiteres Begründungspotential zu haben als "Hast kaputtgemacht, bist 'böse', wirst bestraft".

    Allein, eine Debatte darüber wollen wir in diesem Faden nicht führen.
    Aktueller Kalenderspruch: Das ist wohl tatsächlich das Problem. Das alte links gibt es nicht mehr. Links ist heute das gut versorgte Establishment und nicht der entrechtete Proletarier. (HenningPogwisch, 130224, https://www.zeit.de/kultur/2024-02/p...0nach8/seite-2)

  10. #10
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    Standard AW: Functional Overlapping Competing Jurisdiction

    Zitat Zitat von Rheinlaender Beitrag anzeigen
    Nanu? einer unserer Vorzeigekonservativen hat damit ein Problem?
    Haha, ich bin doch kein Gegenrevolutionär des beginnenden 19. Jh.s

    Aber natürlich ist es gar nicht so abwegig, v.a. im religiösen Kontext darüber zu sprechen. Heute, da in England z.B. schon familienrechtliche Angelegenheiten dem örtlichen Imam übertragen werden können, ist natürlich zu überlegen, inwieweit dem Anspruch nach plurale Gesellschaften die Homogenität in Recht und Verwaltung aufrechterhalten können.

    Ob das aber wiederum mit dem Gleichheitswahn in Form von Antidiskriminierungsrichtlinien jedweder Art konform geht? Eine neue Art "seperate, but equal" oder wie? Man weiß es nicht.

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