Edward Luttwak hat in der Zeitung "Welt" heute einen bemerkenswerten und diskussionswerten Gastbeitrag verfasst, der es in sich hat.
Im Gegensatz zu vielen "Intellektuellen" sieht er die Politik - insbesondere die Friedenspolitik George W. Bush als einen großen Erfolg an. Die wesentlichen Kernpunkte stelle ich voran und zitiere einige Abschnitte des Artikels.
a. Von den Atomwaffenaspiranten sind Irak, Lybien und Nordkorea aus dem Rennen geschieden oder scheiden gerade aus dem Rennen nach einer Atombombe. Es verbleiben nur noch der Iran und Syrien, deren Reaktor aber dank der IDF im Schutt und Asche liegt.
b. Der Dschihadismus ist im wesentlichen durch Bushs kompromisslose Haltung nach dem 9/11 eingedämmt worden.
c. Die neuen Tigerstaaten wie China und Indien sind eher als Partner der USA als als deren Gegner anzusehen.
"In Pakistan allerdings erzwang George W. Bush die dramatischste politische Wende. Er sagte: "Mit uns oder gegen uns", und er meinte es ernst. Präsident Musharraf stand vor einer schwierigen Entscheidung: an der Seite der USA die Taliban zu bekämpfen, die Pakistan selbst geschaffen hatte, oder selbst zerstört werden. Musharraf traf die richtige Entscheidung, indem er die Waffenlieferungen an die Taliban unterband, das Flugfeld von Shahbaz für US-Flugzeuge öffnete und dem US-Militär uneingeschränkte Überflugrechte gewährte.
Musharraf setzte auch die bärtigen Extremisten, die lange Zeit den pakistanischen Geheimdienst ISI gelenkt hatten, ab. Er begann mit dem Chef, Mahmud Ahmed, der kurz nach dem 11. September seinen Dienst quittieren musste und durch den moderaten Ehsanul Halqas ersetzt wurde.
Weniger leicht hingegen war es für Musharraf und seine Gefolgsleute, die versteckten, glatt rasierten Extremisten im ISI auszumachen und zu entlassen, die immer noch die Taliban unterstützen.
Was sich in den 24 Stunden nach dem 11. September in Pakistan ereignete, war etwas, was die Welt noch nicht gesehen hatte: die Umkehrung der wichtigsten politischen Agenda des Landes – die Unterstützung des Dschihad –, die aus dem Nationalmythos Pakistans als muslimischem Staat par excellence abgeleitet worden war. Es war, als ob Präsident George W. Bush einen Gesandten nach Italien geschickt hätte, um Spaghetti mit Tomatensoße verbieten zu lassen ö und damit Erfolg gehabt hütte. "
"Trotzdem hört man heute gewöhnlich gut informierte Menschen beiläufig bemerken, dass Bushs Krieg gegen den Terror gänzlich gescheitert sei. Dies ist mehr als nur ein politisches Vorurteil. Dabei ist es doch inzwischen offensichtlich, dass der 11. September bloß der Auftakt zu einem lang andauernden, weltweiten "Heiligen Krieg" sein sollte.
Das hätte al-Qaida allein nie bewerkstelligen können. Aber die Zerstörung der Zwillingstürme inspirierte Tausende junger Muslime, islamistische Moscheen zu besuchen und den Dschihadisten ihre Dienste anzubieten. Denn der Koran verheiät zwar den Gläubigen ausdrücklich den Sieg auf allen Fronten, in der Realität aber fühlten sich die Muslime vom Westen unterdrückt. Daraus wuchsen quälende Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Islam selbst. Die Fernsehbilder vom 11. September wurden zum Symbol der Überwindung dieser Zweifel, brachten nicht nur die glücklosen Palästinenser, sondern auch die verwestlichten, wohlhabenden, Wein trinkenden Tunesier dazu, mit Freudentränen in den Augen zu feiern, und machten Bin Laden zum ersten panislamischen Helden seit Saladin. Die Zerstörung der Zwillingstürme war daher der denkbar lauteste Ruf zu den Waffen. Doch die globale Mobilmachung der Dschihadisten wurde gestoppt, bevor sie überhaupt wirksam werden konnte - durch alles, was Bush in Gang setzte: durch die Zerstörung der Al-Qaida-Trainingslager in Afghanistan, die Tötung oder Gefangennahme der meisten ihrer Akteure und vor allem durch den Kurswechsel der muslimischen Regierungen.
Der Einfluss des Dschihadismus beschränkt sich seitdem im Großen und Ganzen auf den Irak und die Grenzregionen Pakistans."
"Die Volkswirtschaften Chinas und nun auch Indiens sind stark gewachsen, seit ihre Regierungen den selbstzerstörerischen politischen Kurs aufgegeben haben. Brasilien und viele kleinere Länder von Israel bis Singapur tun dasselbe. Dies hat zu einer Verringerung des relativen Wohlstands der USA und Europas geführt, während es sie gleichzeitig in großem Maße bereichert hat. Es ist bereichernd, neue Märkte zu erschließen, die amerikanische und deutsche Technologien und europäische Luxusgüter importieren. Und es ist ebenfalls bereichernd - wenn auch in anderer Weise - zu wissen, dass Hunderte Millionen Menschen dem Elend und Schmutz entkommen, sozialen Aufstieg erleben, wenn nicht gar echten Wohlstand erlangen. "
"Es ist jedoch absurd anzunehmen, dass sich China, Indien, Brasilien und der Rest der schnell wachsenden Volkswirtschaften gegen die USA und Europa verbünden würden. Das Gegenteil ist weitaus wahrscheinlicher. China ist seit Jahrzehnten ein Verbündeter der USA. Verfeindet waren sie lediglich zwischen 1950 und 1953. Die Beziehungen zwischen Indien und den USA waren 1971, während des indisch-pakistanischen Kriegs, gespannt. In den vergangenen Jahrzehnten jedoch sind beide Länder wieder enger zusammengerückt.
Die Vorstellung, China sei mit dem wilhelminischen Deutschland zu vergleichen und warte nur darauf, seinen neuen industriellen Wohlstand in militärische Macht zu verwandeln, würde nur Sinn ergeben, wenn die Chinesen Preußen wären, die sich voll und ganz dem Staatsdienst verschrieben hätten und sich danach sehnten, ihre Söhne in den Krieg zu schicken. Doch so sind die Chinesen nicht und waren es auch niemals. Das chinesische Reich war nur in der Yuan- und in der Qing-Dynastie auf äußerst aggressivem Expansionskurs. Aber die eine wurde durch berittene Mongolen begründet, die andere durch berittene Manchus, beide das Produkt ausländischer Kriegerkulturen. Die Han-Chinesen haben andere Interessen."
"Aber was auf die Schwellenländer zutrifft, gilt nicht für Öl fördernde Länder wie Russland, Saudi-Arabien, Iran und Venezuela. Deren wachsender Reichtum ist tatsächlich unser Verlust, weil wir alle die luxuriösen Spielereien der Ölpotentaten und Oligarchen finanzieren. Anders als China oder Indien produzieren die Ölstaaten nichts - das Öl, auf dem sie sitzen, wird in der Regel von ausländischen Firmen gefördert, verarbeitet und verschifft. Außerdem sind diese Länder häufig ganz undemokratisch. Würden sich China, Indien, Brasilien und der Rest der hart arbeitenden Welt wie die parasitischen Ölstaaten benehmen, läge die Zukunft der USA tatsächlich im Dunkeln ... "
"Die wohlgesonnenen Kommentatoren sind die zwei großen Fragen zum Rang der USA in der Welt komplett verkehrt herum angegangen - sie glauben, dass Bush dort gescheitert ist, wo er am erfolgreichsten war, und dass China Amerikas Probleme vergrößert, während exakt das Gegenteil der Wirklichkeit entspricht. "
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