Ich glaube, das Grundproblem vor dem wir als Europäer des 21. Jahrhunderts stehen, ist die Ichbezogenheit, die vielen von uns allen innewohnt und der meist unausgesprochene Glaube, das Ich stelle einen Selbstzweck und das höchste Prinzip dar. Diesem Selbstzweck wird dann alles untergeordnet, was nicht unbedingt zum Glück des Ichs geschieht. Diesen Glauben halte ich für falsch; das möchte ich gerne ausführen, auch wenn ich nicht meine irgend etwas Festes zu verkünden, sondern mich eher voran taste.
(1)Ich halte eine Welt, in der das Ich den höchsten Wert eines jeden darstellt, nicht für lebenswert. Ich könnte meine Familie beispielsweise nicht lieben, wenn ich nicht fest davon ausginge, daß einjeder von ihnen bereit ist sein Leben für meines zu opfern. Gleichsam fühlte ich mich schäbig, wäre ich nicht bereit, mein Leben für ihres bzw. das eines meiner engen Familienmitglieder zu opfern.
Ich möchte auch lieber sterben im Wissen, meinen Vater zu retten, als leben im Wissen, ihn ,geopfert zu haben.*
Ich denke weiter, die Ichbezogenheit kann am ehesten in der Familie aufgelöst werden.
(2)Für mich bin ich selbst nur bedingt wertvoll(warum sollte ich übermäßig wertvoll sein?).Damit stehe ich aber, so wie ich das sehe, in Gegnerschaft zur abendländischen Geistesgeschichte. Ich behaupte nicht, mich in ihr übermäßig auszukennen, aber ich denke, ich liege richtig, wenn ich festhalte, daß :
a) Platon - im Alkibiades I, glaube ich - sagt bzw. Sokrates sagen lässt, daß man sich am ehesten um die eigene Seele kümmern solle und alles dem unterzuordnen sei.
b) Die Stoa dies in etwa auch sagt. Ich beziehe mich da auf den Philosophen Epiktet.
c) Auch das Christentum logisch zu Ende gedacht dies bedeuten muß, denn gingen wir davon aus, der Christ opferte sich für einen anderen, so täte er dies doch in Sorge um seine Seele!
(3)Das ist für mich die Grundlage eines neuartigen Wertesystems, das seine Verwirklichung natürlich zuerst in der Familie finden muß.
*man muß freilich meine Feigheit, die sicherlich nicht klein ist, eingedenken, aber ich hoffe, ich handel so.