Hier geht es um drei Science Fiction-Romane über die USA im 21. Jahrhundert, die ich vor dreißig Jahren gelesen habe und wo es mir langsam Zeit scheint, über deren Eintreten zu diskutieren. Alle Romane wurden von US-amerikanischen Autoren geschrieben, beruhen auf Kenntnis ihres Landes und sind fernab irgendwelcher Ideologien.

Zunächst haben wir da

Den Polizeistaat in Eine andere Welt von Philipp K. Dick.

Das Wesentliche ist schnell erzählt: die USA sind zum Polizeistaat geworden, die Polizei legt sich mit allumfassender Kontrolle über Land und Leute und gönnt sich völlig absurde Ränge. Es gibt dann Polizeigeneräle und Polizeimarschälle und als kleine "Liberalisierung" schafft das System den Rang des Polizeimarschalls wieder ab.

Mehr dazu hier: [Links nur für registrierte Nutzer]

Seinerzeit hielt ich das Buch eher für Depri im Drogenrausch als ernst zu nehmende Zukunftsvision. Gut geschrieben, weil Dick halt schreiben kann und es immer wieder schafft, das Unbehagen an seiner Gesellschaft zu artikulieren. Also eher formal gut als inhaltlich zutreffend ...

... doch dann entnahm ich eine Folge von "Polizeiruf 110", dass da die Polizei ebenso wie ihre Kollegen in Eine andere Welt militärische Ränge hat. Die Pfeifen brachten es dann zwar nur zum Leutnant, aber mir kam das Ganze wie der Korpsgeist einer Institution vor, die letztendlich gegen das eigene Volk arbeitet.
Die DDR ist zwar auch wegen solcher Dinge nicht mehr, doch ist Dicks Vision von den Äußerlichkeiten abgesehen nicht voll eingetroffen? Ist das nicht ein Polizeistaat, der mit dem Iran gegen die Ächtung der Todesstrafe stimmt, wo zwei Millionen Menschen inhaftiert sind und der eigene Bürger und Reisende nach Herzenslust schikaniert. So soll man sich zusätzlich zu Visatrara noch übers Internet anmelden, wenn man in die USA reisen will. Wobei diese Schikanen das "Schöne" haben, dass durchorganisierte Terroristen-Kader, die den ganzen Tag eh nichts anderes zu Tun haben als die Staatsmacht auszutricksen, damit wohl noch am besten klar kommen :rolleyes: - wenn der CIA, NSA und wie sie alle heißen oder nicht heißen, die Terroristen nicht doch alle gefakt hat :rolleyes:

Die zweite Zukunftsvision ist

Die Diktatur in Der Seher von Robert Silverberg

Hier Quinn, der Bürgermeister von New York und Präsidentschafts-Anwärter zunächst als Hoffnungsträger der Linksliberalen. Doch in New York herrscht das Chaos und als die New Yorker an einem ungewöhnlich warmen Silvester/Neujahr völlig ausrasten wird Quinn vom Liberalen zum Autoritären.
Quinn schafft es dann in der vom "Seher" vorher gesehenen Zukunft auch, Präsident zu werden und macht als solcher die USA zur offenen Diktatur. Da sehen die Amis dann das Gesicht von Präsident Quinn vor riesengroßen Sternenbannern.
Doch Quinns Diktatur geht vorbei und der Seher sieht nach ihr eine bessere Zukunft für sich selbst und seine Mitmenschen.

Mehr darüber hier auf englisch: [Links nur für registrierte Nutzer]

Quinn spielt im Roman die Rolle des Bösewichtes, weil halt vom Liberalen zum Diktatur und das ist ja bäh :rolleyes: Ich habe mich schon gefragt, ob man es so einfach sehen kann. Ich habe mich nämlich schon bei dem Gedanken ertappt, der nächste Präsident der USA sollte mit der Oligarchie da in all ihren politischen, wirtschaftlichen, ideologischen und religiösen Ausprägungen mal so richtig tabula rasa machen. Nicht mehr um die Gunst der "Evangelikalen" mit ihrer bigotten *** betteln müssen, weil deren Vereinigungen verboten wurden. Sich keine Gedanken um die Finanzmärkte machen, weil die verstaatlicht oder aufgelöst wurden. Anstatt in der Welt den Buhmann machen, alldiweil sich die Welt immer mehr an die USA anpasst und deswegen die USA noch mehr hasst als zuvor, auch auf internationalem Parkett klare Ansagen machen: Entweder Isolationismus und wenn das nicht geht, anstelle des globalen Chaos eine Weltordnung erzwingen, welche diesen Namen verdient. Kein Katz- und Maus-Spiel mehr mit Islamisten und anderen Möchtegern-Großmächten, die innerlich ebenso marode sind wie die USA. Meinetwegen kann die Katze diese Mäuse ruhig fressen ... :rolleyes:
Ganz wie im Roman glaube ich aber nicht, dass so ein Präsident der seine Kompetenzen schöpferisch und visionär mal ein wenig überschreitet, es auf Dauer richten kann. Zur Lösung der Probleme hätte er vielleicht nicht viel mehr beizutragen als diejenigen vom Spielfeld zu nehmen, die die Probleme gar nicht lösen wollen, weil für sie alles prima läuft :rolleyes:

Last but not least hätten wir

Bürgerkrieg und Untergang in Das Jahr der stillen Sonne von Wilson Tucker

Da werden in den USA Experimenten mit Zeitreisen angestellt. Ein Präsident, der mir fatale Ähnlichkeit mit McCain zu haben scheint, lässt sich von den Zeitreisenden da versichern, dass auch in Zukunft konservative Präsidenten wie er an der Macht bleben werden. Wie diese nahe Zukunft endet, verschweigen die Zeitreisenden allerdings: die USA gehen in einem Mix aus Bürgerkrieg und Rassenkonflikten unter und die Leiche eben jenes Präsidenten, der sich von den Zeitreisenden seine Wiederwahl hat bestätigen lassen, wird in das brennende Weiße Haus geworfen.

Eine Rezension dazu hier: [Links nur für registrierte Nutzer]

Das Jahr der stillen Sonne ist mir wieder sauer hochgekommen, weil die akute Bankenkrise das Scheitern der US-amerikanischen Wirtschaftspolitik dramatisch unterstrichen hat. Die Republikaner, die in Befolgung ihrer wirtschaftsliberalen Grundsätze das Rettungspaket haben scheitern lassen, lügen sich nur selbst in die Tasche und sind geistig auf einem Viertel der Wegstrecke stehen geblieben. Weil sie das unheilige Duo von "big government & big business" an sich nicht in Frage stellen. Und weil sie mit McCain jemand ins Weiße Haus bringen wollen, der für "weiter so" steht und dabei so enden könnte, wie der Präsident in Tuckers Roman: als letzter Präsident der USA :rolleyes:
Das ist weder Prinzipientreue - denn welche Prinzipien haben diese Oligarchen eigentlich? - noch Lernfähigkeit - dann würden die Herrschaften nämlich darüber nachdenken, ob sie zur Bewältigung der gravierenden sozialen Probleme 700 Milliarden Dollar lockermachen sollten. Das ist nur noch Verblendung und die endet früher oder später vor der Wand. Und oft hat die SF Recht behalten, auch wenn das anders geschah, als es sich ihre Autoren und Leser vorstellten.