"Ausweisung wird jetzt schwierig"
Für viele türkische Bürger gelten beim Bleiberecht die gleichen Bestimmungen, wie für EU-Bürger. Dass heißt sie dürfen sich hier dauerhaft aufhalten. Die Einschränkungen des deutschen Aufenthaltrechts sind nicht anwendbar.
Berlin - Die Türkische Gemeinde Deutschland und der Türkische Bund Berlin-Brandenburg sehen nach dem jüngsten Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) klargestellt, dass türkische Bürger, die im Rahmen des Familiennachzugs als Kinder oder Ehepartner nach Deutschland kamen und sich mindestens fünf Jahre legal hier aufgehalten haben, genau wie EU-Bürger dauerhaft bleiben dürfen. Einschränkungen durch das deutsche Aufenthaltsrecht sind demnach auf sie nicht anwendbar.
Ganz neu sei dies zwar nicht, sagen Vertreter beider Verbände. Schon der fast dreißig Jahre alte „Assoziationsratsbeschluss 1/80“ habe die Rechte türkischer Staatsbürger in EWG-Ländern entsprechend definiert. Aber das Urteil vom 25. September habe „eine neue Qualität“. Darin stellten die Luxemburger Richter fest, dass der Kläger selbst dann ein Recht auf Verlängerung seines Aufenthalts hätte, wenn er kriminell geworden wäre. Der Frankfurter Rechtsanwalt und Ausländerrechtsexperte Reinhard Marx bestätigte die Ansicht der türkischen Verbände im Gespräch mit dem Tagesspiegel: „Es wird für deutsche Behörden jetzt schwierig werden, einen türkischen Bürger auszuweisen. Wenn er klagt, wird ihm jedes Gericht Recht geben.“
Der Europäische Gerichtshof hatte vor zwei Wochen einem jungen Türken aus Hessen Recht gegeben, der mit 16 Jahren die Schule ohne Abschluss verlassen hatte und seitdem arbeitslos war. Hessen hatte ihm deshalb die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis verweigert. Die Berliner Innenbehörde hatte die Luxemburger Entscheidung am Mittwoch als „Einzelfall“ bezeichnet, der nicht auf Berlin zu übertragen sei (der Tagesspiegel berichtete). Dem widersprachen jetzt Türkische Gemeinde und Türkischer Bund. Das Urteil sei in einem Einzelfall ergangen, stelle aber allgemeine Kriterien auf, sagte Safter Cinar. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) stellte jetzt im Gespräch mit dem Tagesspiegel klar: „Wer als Kind eines türkischen Gastarbeiters hier aufgewachsen ist, wird nicht abgeschoben.“ Türkische Gemeinde und Türkischer Bund hoffen, dass dies irgendwann einmal für alle Migranten gelten wird und nicht nur für türkische. Andrea Dernbach/Claudia Keller