Mir ist aufgefallen, dass ich durch Familie, Herkunft und eigenes Erleben, aus Texten und den Berichten von Zeizeugen mit einer Vielzahl von Ideologien vertraut bin.
Ich mag da manchmal voreingenommen gewesen sein, weil mir manche Ideologien sehr fremd oder ihre Protagonisten zuwider waren. Aber ich denke, dass ich im Großen und Ganzen objektiv war und jede Ideologie eine Chance hatte. Die Ideologien, die ich so auf die eine oder andere Weise kenne sind
1. Konservatismus > durch Familie und Herkunft aus einem Dorfkaff
2. Christentum > auch durch die Herkunft
3. Staatssozialismus > durch Beschäftigung mit ihren Theoretikern (Lenin), Kontakte mit diversen linken Kleinparteien, Nachbarschaft zur und Besuche in der DDR
4. Sozialdemokratie, Arbeiterbewegung im Westen > duch Herkunft und Kontakte zur westlichen Linken, aus den Medien und der Teilnahme an Aktionen der Gewerkschaften
5. Baathismus und Nasserismus > die beiden Formen des arabischen "nationalen Sozialismus", für die die Namen Michel Aflaq (Begründer des Baathismus) und Gamal abd el Nasser, Präsident Ägyptens, stehen. Ich kenne sie aus meinem Studium und diversen Reisen nach Ägypten und Syrien.
6. Islamismus > kenne ich seit Anfang der 1980er Jahre, als Chomeinis Terror Millionen aus dem Iran fliehen ließ und auch Berlin voll mit "Chomeini-Gegnern" war. Ferner aus dem Studium und aus der Literatur.
7. Nationalsozialismus > kenne ich aus vielen Erzählungen älterer Zeitzeugen und den uferlosen Filmen und Dokumantationen sowie den Kameraden im Weltnetz :rolleyes:
8. Ökobewegung, Die Grünen > ich war von Anfang an aktiv dabei und war 23 Jahre Mitglied bei den Grünen
9. Liberalismus > aus dem Leben in einem "liberalen" System und Gesprächen und Diskussionen mit bekennenden Liberalen
10. "neue Linke", die 68er, neue Frauenbewegung > von Zeitzeugen und Veteranen der 68er-Bewegung
11. Zionismus > aus Berichten über Israel seit den 1970ern, aus meinem Studium und Kontakten mit Juden
Die Bilanz dieser Ideologien ist - freundlich formuliert - ernüchternd und abschreckend :rolleyes: - weil sie sich im Grunde alle gleichen und sich allenfalls im Ausmaß des Schadens unterscheiden, den sie anrichten!
Macht korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut
Wenn die o. g. 9 Ideologien von Anfang an nur Dreck gewesen wären, gäbe es sie nicht. Da muss irgendmal was Positives gewesen sein. Man glaubte, diese oder jene Ideologie als Vehikel zum Sturz eines Tyrannen (diese Rolle spielte der schiitische Islam beim Sturz des Schahs), zur Befreiung von Unterdrückung oder als Gegenreaktion gegen die Vorherrschaft einer anderen Ideologie nutzen zu können. Man mag in einer Ideologie auch die Blaupause für eine bessere Zukunft gesehen haben - Sozialismus, arabischer Nationalismus
Solange die Ideologie noch in ihrer "Kampfzeit" ist, noch "Sturm und Drang", "Revolte" ... ist sie vital und lebendig. Die große Enttäuschung folgt in der Regel, wenn ihre Protagonisten zur Macht kommen. Die Macht ist dann nicht Mittel zur Realisierung der Ideologie, sondern die Ideologie dient der Erhaltung der Macht.
Wenn eine Ideologie jemals eine notwendige Funktion gehabt haben mag, so büßt sie diese nur zu oft ein, wenn sie an die Macht kommt. Früher oder später mögen es dann sogar die Anhänger von einst bereuen, diesem oder jenem Tyrannen unterstützt zu haben.
Verhältnis zur Macht
Schafft es eine Ideologie nicht, in der Gesellschaft die Macht an sich zu reißen, so streben ihre Kader wenigstens Teilhabe an. Vorzugsweise für sich selbst, nicht selten speisen sie ihre Klientel mit warmen Worten ab. Ihre Kader mögen sich gar dem System als Büttel gegen Teile ihrer Klientel oder die ganze Klientel andienen - so habe ich bei SPD und Gewerkschaften und all diesem "linksliberalen" Gesockse, was angeblich einfache Menschen vertritt, diesen Eindruck.
Hat dagegen eine Ideologie die Macht an sich gerissen, so endet das in der Regel im totalitärem Alptraum. Auf die eine oder andere Art wird die Macht monopolisiert und die Massen werden unterdrückt. Entweder errichtet man die offene Diktatur mit Führer, Staatsideologie und Staatspartei oder - so die Eroberung der Macht im Staate nicht möglich oder wünschenswert ist - wird zur alles durchdringenden und infiltrierenden geistigen Seuche - Grassroot-Totalitarism sozusagen :rolleyes:
Rolle der Ideologie
"So ein Unsinn!" - diesen Satz habe ich schon mehr als einmal gehört, wenn sich jemand Elaborate von zur Macht gekommenen Ideologien durchgelesen hatte. Sei es die jeder vernünftigen Sicht von Deutschland, den Deutschen und ihrer Kultur spottende "Praxis" der Nazis, seien es Chomeinis Elaborate, mit denen er sich einen Freibrief zur Machtergreifung ausstellte, sei es das Gelaber in "Diamat"-Traktaten aus der DDR, seien es die faulen Ausreden der Grünen für eine Zusammenarbeit mit der CDU, ja der FDP ("Jamaika") ... ist eine Ideologie zur Macht gekommen, scheint es um sie selbst geschehen zu sein. Ihre Protagonisten denken dann nur noch an die Macht und sind sich zur Rechtfertigung ihrer Winkelzüge für nichts zu schade.
Die politische Praxis
ist schnell abgehandelt: Lügen, Intrigen, flächendeckende Hetze, Folter, Psychoterror und Mobbing, Anwendung von Gewalt, Menschen in den Tod treiben, Menschen selbst umbringen - IMHO lässt sich bei den meisten Ideologien all dieses in der einen oder anderen Form nachweisen. Wobei es die Protagonisten der Ideologien noch fertig bringen, laut zu zetern, wenn sie selbst Opfer geworden sind, um sogleich wieder ungerührt auf Andere einzudreschen.
Säuberungen und Dissidenten
Kommt eine Ideologie zur Macht - entweder zur ganzen Macht oder einem Teil - heißt es, sich von überflüssigem Ballast zu trennen. Das gilt sowohl für Kader in der Organisation, die als Rivalen im Kampf um die Macht lästig sind, wie auch für Menschengruppen, die als Basis bei der Erringung der Macht nützlich waren, deren Interessen nach der Machtübernaheme aber nicht mehr berücksichtigt werden.
Wie es gemacht wird, zeigt uns die SPD, deren vornehmstes Ziel es zu sein scheint, gegen die Interessen ihrer eigenen Klientel einfacher Menschen zu handeln.
Da gibt es dann immer wieder auch die Dissidenten gerade aus den eigenen Reihen: Im Falle der Bolschewisten war es ausgerechnet Trotzki, der nach Stalins Machtübernahme mit dem System brach. Die syrische Baath schaffte es, den Begründer des Baathismus - Michel Aflaq - nach einem Putsch ins Exil zu schicken. Die Art, wie in der FDP nach dem Scheitern des "Projektes 18" 2002 mit Möllemann umgegangen wurde, passt auch in dieses Schema - überall der Dissident, der lange mitmachte, rausgemobbt wurde und nun der Welt erzählt, wie sch... seine Ideolgoie geworden ist. Und der nicht immer eines natürlichen Todes stirbt, weil er ja ein lästiger Kronzeuge ist.
Naja, die Grünen haben anstatt Trotzki Jutta Dithfurth und im Falle der SPD ist es ihr ehemaliger Vorsitzender und Kanzlerkandidat, der sie jetzt niedermachen will.
Der Wahn von einer Ideologie für alle
Denkenden Menschen müsste schon das Nebeneinander so vieler Ideologien zu den Schluss kommen lassen, dass es Unsinn ist, da auf den Sieg einer zu hoffen. Da werden immer alle irgendwie präsend sein und gerade eine Universalistische Ordnung wird nicht aus dem Sieg einer Ideologie kommen.
Doch in der Regel streben Ideologien zumindest auf einem begrenzten Territorium die alleinige Dominanz an. Wer aus Überzeugung, Veranlagugn, Zufall ... nicht in das Raster passt, hat halt Pech gehabt, ist selbst schuld und Feind von Staat und Volk, Looser oder "Sozialschmarotzer". Koffer packen und umziehen hilft in den meisten Fällen nicht, weil woanders entweder die gleiche oder eine andere kranke Ideologie herrscht.
Wendehälse und Opportunisten
Den Lebenslauf eines deutschen Politikers fasste ein Magazin mal so zusammen:
NSDAP > FDP > CDU
Nach 1945 sollen die gleichen Leute zur eben entstandenen SED gegangen sein, die zuvor in der NSDAP waren.
Wie kurz der Weg vom 68er-Rebell oder grünen Utopisten zum zynischen Neoleralen ist, habe ich selbst oft erlebt.
Dann gab es auch mal einen arabischen Intellektuellen, der "Marxist-Leninist" war, dann aber zu den Islamisten umschwenkte.
Fazit: gerade für eifrige Protagonisten von Ideologien scheinen diese in der Form, den Worten und Phrasen, oft austauschbar zu sein. Hauptsache, man kann sich mit ihnen im jeweiligen Mainstream verorten und findet idealerweise einen Platz am Futtertrog.
Vom Regen in die Traufe
Oft ist es so, dass sich Menschen aus Frustration über ihr "System" dasjenige suchen, was ihm diametral entgegensetzt ist. Der Iraner, der aus seiner Heimat den Glaubensterror kennt, ist dann glühender Verfechter der westlichen Demokratie. Der Chilene, der die westliche Demokratie kennen gelernt hat, sagt dem Iraner: "Was soll ich mit einem System, wo drin wir uns nicht bewegen können?" Der Staatssozialismus im Ostblock hat Heerscharen von Antikommunisten hervorgebracht. Das miese Gebaren dieser Kräfte in den "Transformationsländern" mag den nächsten Schub Sozialisten hervorbringen.
Vor allem, wenn man sein ganzes Leben unter dem Druck nur einer Ideologie kennen gelernt hat, mag es leicht sein, das Heil in derem Antipoden zu sehen. Ich selbst kann das so nicht - weil ich zu viel vom gleichen Unsinn in allen Ideologien gesehen habe. Und es da bei der nächsten Ideologie nicht besser werden wird. Besser wird es nur, wenn wir erkennen, was die Ideologien so menschenfeindlich macht und es überwinden.