Schwieriger Volkstrauertag
Von Thomas Schmid, Chefredakteur 16. November 2008, 01:42 Uhr
Heute ist Volkstrauertag. Ein sperriger Tag, der vor einem halben Jahrhundert wohl unbefangener begangen wurde, als das heute der Fall ist. Es ist noch nicht lange her, da geriet derjenige schnell in schiefes Licht, der das Wort Volk überhaupt in den Mund nahm. Und wer gar meinte, das Volk habe Grund, auch um die eigenen Toten zu trauern, die in zwei Weltkriegen ums Leben gekommen waren: der geriet schnell in den Verdacht, zur Trauer um die von Deutschen Ermordeten weder fähig noch willens zu sein.
Der Volkstrauertag war in Deutschland tatsächlich ein schwieriger, ein problematischer Tag. Als ihn der "Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge" 1919 als Gedenktag für die im Ersten Weltkrieg gefallenen deutschen Soldaten vorschlug und es 1922 zur ersten Gedenkstunde im Reichstag kam, hatte der Tag schnell einen unguten Schlag ins Nationalistische. Nicht etwa, weil - was ja ganz legitim und nötig ist - der eigenen Gefallenen gedacht wurde, sondern weil die Toten oft genug für gegenwärtige Ziele missbraucht wurden.....................
............................So aber blieb für manche Jüngere, die keine Erinnerung mehr hatten an nicht Heimgekehrte, der Volkstrauertag ein fremder Tag - auch weil er die Opfer deutscher Barbarei, vor allem die ermordeten Juden, auszuschließen schien. Heute wäre es möglich, das Gedenken - nicht das Trauern, das sich nur an Menschen heften kann, die in konkreter Erinnerung sind - zu weiten. Aber fast zwei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung ist es offensichtlich noch immer schwer, nationale Gedenktraditionen unbefangen und aufmerksam zugleich zu pflegen. Es wäre eine Anstrengung wert, den Volkstrauertag aus seiner antiquierten Ecke herauszuholen.