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Thema: Frage zu Ricardos Interdependenztheorie

  1. #31
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    Standard AW: Frage zu Ricardos Interdependenztheorie

    Zitat Zitat von Chanan Beitrag anzeigen
    Habe gerade nichts gefunden bzw. keine Lust, ausführlicher zu suchen, kann mir das jemand vielleicht beantworten:

    Wird bei Ricardo dem Umstand Rechnung getragen, dass nicht alle Arbeiter eines Landes gleichermaßen Tücher weben und Wein anbauen können? Oder wird eine maximal elastische Umschulungsfähigkeit unterstellt?
    Vollstaendige Mobilitaet von Produktionsfaktoren innerhalb des Landes gehoeren zu den Praemissen von Ricardos Modell. Ebenso fehlende Mobilitaet derselben zwischen Laendern, vollstaendige Konkurrenz, konstante Opportunitaetskosten, Vollbeschaeftigung, identische Groesse der beiden Laender (uebrigens nur zwei Laender und zwei Gueter existieren im strengen Modell) und vernachlaessigbare Transportkosten.

    Das Modell ist - trotz seiner Limitation - prinzipiell anwendbar, alle berechteigten Kritikpunkte erweitern es (um Zeit Kosten von Autarkie vs. Abhaengigkeit, Technologielevel, multilaterale Beziehungen, Zoelle und anderer Protektionismus, Clustering, Oligopole und Kartelle, um nur einige zu nennen), hebeln es aber nicht vollstaendig aus.
    Geändert von MorganLeFay (17.11.2008 um 19:08 Uhr)

  2. #32
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    Standard AW: Frage zu Ricardos Interdependenztheorie

    Zitat Zitat von Chanan Beitrag anzeigen
    Es werden aber nicht nur keine Holzfäller oder Fließbandarbeier mehr gebraucht, sondern generell keine "einfachen" Täigkeiten. Das Problem ist aber, dass in einem Staat, in dem gestern noch 5% der Bevölkerung Akademiker waren, nicht heute plötzlich 80% der Bevölkerung Akademiker sein können, auch über 1-2-3 Generationen hinweg nicht. Dafür gibt es das Potenzial schlicht nicht.

    Auf der anderen Seite ist zu fragen, ob denn die akademischen Berufe weiterhin noch einigermaßen wettbewerbsfähig sind. Noch kann das Gehaltsgefälle von 10 zu 1 gegenüber anderen Ländern durch den Kapital- und Wissensvorsprung und die damit erhöhte Produktivität ausgeglichen werden. Aber da man dem Rest der Welt das lernen und entwickeln nicht verbieten kann, wird dieser Vorsprung auch schwinden. Das Problem ist, dass dadurch nicht, wie es manche naurgesetzlich annehmen, die Chinesen auch alle 35-Stunden-Wochen und einen Sozialstaat, der 10% der Bevölkerung ein annehmliches Leben zahlt, fordern.

    Es ist also nicht aus der Luft gegriffen, dass wir mittelfristig gar nirgends mehr wettbewerbsfähig sein werden, außer in den Sektoren, die lokal gebunden sind, z.B. Dienstleistungen wie Friseur - nur das kann sich dann keiner mehr leisten, wenn die produktive Wertschöpfung wegfällt.

    Kann es also sein, dass gegenüber diesem Fall ein protektionistisch intervenierender Staat im Wohlfahrts-Vorteil wäre, denn er verteuert zwar z.B. den Weizenpreis durch importauflagen gegenüber dem (Welt-)Marktpreis, dafür erhält er für die hiesigen Beschäftigten Beschäftigung und Kaufkraft aufrecht.
    Du hast insofern recht, das viele einfache Tätigkeiten verschwinden, aber es entstehen auch neue, und wie du selbst sagst, gibt es immer einen Markt für ortsgebundene Dienstleistungen, die vom Anspruch her durchaus mit einfachen industriellen Tätigkeiten gleichzusetzen sind. Und dieser Markt ist größer, als man annimmt. Natürlich ist die Frage wie lange heimische Akademiker noch konkurrenzfähig bleiben, berechtigt, aber mit diesem Problem schlägt sich Deutschland ja schon seit der Industrialisierung herum, das man entwickeln und forschen muß, um konkurenzfähig zu bleiben.
    Die Gefahr, die ich in einer protektionistischen Wirtschaft sehe, ist, dass man sich zurücklehnt und bequem wird. Außerdem kann wie 1923 ein unangehnehmer Sog entstehen, in dem immer mehr Länder protektionistisch wirtschaften, und die Weltwirtshaft irgendwann abgewürgt wird.
    Alles gleicht sich aus am Ende eines Tages, und alles gleicht sich noch mehr aus wenn alle Tage zu Ende gehen

  3. #33
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    Standard AW: Frage zu Ricardos Interdependenztheorie

    Zitat Zitat von MorganLeFay Beitrag anzeigen
    Vollstaendige Mobilitaet von Produktionsfaktoren innerhalb des Landes gehoeren zu den Praemissen von Ricardos Modell. Ebenso fehlende Mobilitaet derselben zwischen Laendern, vollstaendige Konkurrenz, konstante Opportunitaetskosten, Vollbeschaeftigung, identische Groesse der beiden Laender (uebrigens nur zwei Laender und zwei Gueter existieren im strengen Modell) und vernachlaessigbare Transportkosten.

    Das Modell ist - trotz seiner Limitation - prinzipiell anwendbar, alle berechteigten Kritikpunkte erweitern es (um Zeit Kosten von Autarkie vs. Abhaengigkeit, Technologielevel, multilaterale Beziehungen, Zoelle und anderer Protektionismus, Clustering, Oligopole und Kartelle, um nur einige zu nennen), hebeln es aber nicht vollstaendig aus.
    Prima! Dann bin ich gespannt auf eine Herleitung, wie die Erkenntnis der nicht-konvertierbaren Arbeitskraft hinsichtlich der unterschiedlichen Güter die grundlegendste aller Implikationen des Modells, die Spezialisierung einer ganzen Volkswirtschaft analog zur Spezialisierung eines Individuums in der Gesellschaft, erweitern kann ohne sie auszuhebeln.

  4. #34
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    Standard AW: Frage zu Ricardos Interdependenztheorie

    Zitat Zitat von EinDachs Beitrag anzeigen
    Ja, wie gesagt, ich bin mir nicht ganz sicher.
    Ist eine Weile her, dass ich mich das letzte Mal mit Riccardo beschäftigt hab.
    Er ist ja auch nicht mehr so wirklich up to date.
    Ich bin gerne lernbereit für up to dateere Interdependenztheorien. Bis zum Nebenfachstudienabschluss habe ich leider keine elaborierteren gelernt.

  5. #35
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    Standard AW: Frage zu Ricardos Interdependenztheorie

    Zitat Zitat von Eldrad Ulthran Beitrag anzeigen
    Du hast insofern recht, das viele einfache Tätigkeiten verschwinden, aber es entstehen auch neue, und wie du selbst sagst, gibt es immer einen Markt für ortsgebundene Dienstleistungen, die vom Anspruch her durchaus mit einfachen industriellen Tätigkeiten gleichzusetzen sind. Und dieser Markt ist größer, als man annimmt. Natürlich ist die Frage wie lange heimische Akademiker noch konkurrenzfähig bleiben, berechtigt, aber mit diesem Problem schlägt sich Deutschland ja schon seit der Industrialisierung herum, das man entwickeln und forschen muß, um konkurenzfähig zu bleiben.
    Die Gefahr, die ich in einer protektionistischen Wirtschaft sehe, ist, dass man sich zurücklehnt und bequem wird. Außerdem kann wie 1923 ein unangehnehmer Sog entstehen, in dem immer mehr Länder protektionistisch wirtschaften, und die Weltwirtshaft irgendwann abgewürgt wird.
    Zurücklehnen und bequem werden sehe ich eher einige Staaten in der globalisierenden Welt im Ist-Zustand momentan, von einem schrumpfendem Wissensvorsprung und einem wachsenden Schuldenberg lebend.

  6. #36
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    Standard AW: Frage zu Ricardos Interdependenztheorie

    Zitat Zitat von Chanan Beitrag anzeigen
    Ich bin gerne lernbereit für up to dateere Interdependenztheorien. Bis zum Nebenfachstudienabschluss habe ich leider keine elaborierteren gelernt.
    Naja, in Sachen Ökonomie wüßt ich da ad-hoc auch niemanden, aber ich denk dir gehts ohnehin eher um den politischen Ansatz.

    Joseph Nye ist da an vorderster Stelle zu nennen.
    Vor allem sein Buch "Soft Power" hat viele interdependenztheoretische Ansätze, ordnet Wirtschaft allerdings etwas unter, kann also möglicherweise nicht ganz dem von dir gesuchten entsprechen.
    Er hat auch eines nur über Interdependenz geschrieben (Joseph S. Nye / Robert O. Keohane: Power and Interdependence. World Politics in Transition.), das hab ich aber selbst noch nicht gelesen.
    Es kennzeichnet die Deutschen, dass bei ihnen die Frage »was ist deutsch?« niemals ausstirbt.
    Friedrich Nietzsche

  7. #37
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    Standard AW: Frage zu Ricardos Interdependenztheorie

    Zitat Zitat von Chanan Beitrag anzeigen
    Zurücklehnen und bequem werden sehe ich eher einige Staaten in der globalisierenden Welt im Ist-Zustand momentan, von einem schrumpfendem Wissensvorsprung und einem wachsenden Schuldenberg lebend.
    Der wachsende Schuldenberg würde aber durch protektionistische Maßnahmen eher größer. Die These vom schrumpfenden Wissensvorsprung halte ich für eine unbewiesene Behauptung.
    Alles gleicht sich aus am Ende eines Tages, und alles gleicht sich noch mehr aus wenn alle Tage zu Ende gehen

  8. #38
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    Standard AW: Frage zu Ricardos Interdependenztheorie

    Zitat Zitat von EinDachs Beitrag anzeigen
    Naja, in Sachen Ökonomie wüßt ich da ad-hoc auch niemanden, aber ich denk dir gehts ohnehin eher um den politischen Ansatz.

    Joseph Nye ist da an vorderster Stelle zu nennen.
    Vor allem sein Buch "Soft Power" hat viele interdependenztheoretische Ansätze, ordnet Wirtschaft allerdings etwas unter, kann also möglicherweise nicht ganz dem von dir gesuchten entsprechen.
    Er hat auch eines nur über Interdependenz geschrieben (Joseph S. Nye / Robert O. Keohane: Power and Interdependence. World Politics in Transition.), das hab ich aber selbst noch nicht gelesen.
    Ich wäre auch an ökonomischen interessiert, die geben sich meist die Mühe, den Anschein zu machen, als würden sie irgendwas mathematisch beweisen, wogegen Keohane & Co. meist einfach postulieren.
    Ich verlange ja keine abschließende Weltformel, ich will nur einmal eine schlüssige Argumentation hören, und nicht nur "so ist es, Du Reaktionär/Kommunist".

    Werde aber nochmal nachblättern, was Nye angeht.

  9. #39
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    Standard AW: Frage zu Ricardos Interdependenztheorie

    Zitat Zitat von Eldrad Ulthran Beitrag anzeigen
    Der wachsende Schuldenberg würde aber durch protektionistische Maßnahmen eher größer. Die These vom schrumpfenden Wissensvorsprung halte ich für eine unbewiesene Behauptung.
    Unbewiesene Behauptung? Firmen in Fernost und Südasien, aber auch Südamerika oder Osteuropa stellen heute Produkte her, die sie vor 20 Jahren noch nicht mal aussprechen hätten können.

    Und Schweden hat in den 80ern mit protektionistischen Maßnahmen eine Haushaltskonsolidierung erreicht (heute zu EU-Zeiten natürlich unmöglich, schöne neue Welt).

  10. #40
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    Standard AW: Frage zu Ricardos Interdependenztheorie

    Zitat Zitat von Chanan Beitrag anzeigen
    Prima! Dann bin ich gespannt auf eine Herleitung, wie die Erkenntnis der nicht-konvertierbaren Arbeitskraft hinsichtlich der unterschiedlichen Güter die grundlegendste aller Implikationen des Modells, die Spezialisierung einer ganzen Volkswirtschaft analog zur Spezialisierung eines Individuums in der Gesellschaft, erweitern kann ohne sie auszuhebeln.
    Probier mal

    • Sloman, J., Hinde, K. 2007. Economics for Business (4 ed.); Harlow: Prentice Hall
    • Appleyard, D.R., Field, A.J., Cobb, S.L. 2008. International Economics; New York: McGraw-Hill (mein Favorit)
    • Piggott, J., Cook, M. 2006. International Business Economics. A European Persective; Basingstoke/ New York: Palgrave (gute Zusammenfassung in Kapitel 2)
    • Krugman, P.R., Obstfeld, M. 2000. International Economics. Theory and Practice; Reading: Addison-Wesley (muesste auch eine neuere Aufklage geben, habe ich aber nicht)


    Oder fang hiermit an:

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