Die neuen Giftmischer
Verbrechen mit K.o.-Tropfen
Berlin -
Die neuen Giftmischer treiben sich in Clubs, Bars und sogar Hotels herum. Sie sind auf der Suche nach attraktiven Frauen, nach erzwungenem Sex. Sie kippen ihren ahnungslosen Opfern hinterlistig K.o.-Tropfen oder Pillen in den Drink. Die Wirkung der Substanzen macht die Frauen willenlos, benebelt bis zur Bewusstlosigkeit. Immer öfter schlagen die Giftmischer in Berlin zu. Das belegt eine neue Fallstatistik von Polizei und Senat. Sie zeigt auch, dass immer neue giftige Substanzen im Spiel sind. Die Kreativität der Frauenfänger ist beängstigend.
K.o.-Tropfen setzen Opfer völlig außer Gefecht
Aber der Reihe nach: In Berlin werden K.o.-Tropfen-Taten seit 2012 separat in der Polizeidatenbank erfasst. Im ersten Jahr der Auswertung gab es 150 relevante Strafanzeigen, im Jahr 2013 waren es 147. Nach Deinem leichten Abfall bis 2016 folgte dann ein starker Anstieg: 2017 kam es zu 211 Strafanzeigen wegen K.o-Tropfen und – wie jetzt herauskommt – 230 im Jahr 2018. Das ist ein bitterer Negativ-Rekord. Die genannten Zahlen stammen aus einer gestern veröffentlichten Senatsantwort an den Abgeordneten Marcel Luthe (FDP).
K.o.-Tropfen-Gangster griffen in den ersten Jahren meist zu Rohypnol, der sogenannten Vergewaltigungsdroge. Deren Wirkung wird von Opfern und auch von freiwilligen Konsumenten oft als „lähmend“ beschrieben. Man ist völlig außer Gefecht gesetzt, liegt mit offenen Augen auf dem Boden und kann zwar die Ereignisse beobachten, sich aber nicht bewegen. Es kommt zu Gedächtnislücken, die Erinnerungen an das Erlebte sind schwammig, dunkel. War Rohypnol zu Anfang noch das häufigste Mittel der Gangster (43 erfasste Fälle 2012), gibt es heute nur noch wenige Rohypnol-Fälle (9 Fälle 2018). Möglicher Grund: Der Stoff ist nicht so leicht zu bekommen, aber recht gut im Blut der Opfer nachweisbar. Der Täter hinterlässt damit Spuren.
Tatorte sind meistens Diskos, Wohnungen und Hotels
Leider haben die Giftmischer ihr Drogen-Repertoire inzwischen verfeinert und um neue Mittel erweitert. Der Trend geht klar zu GHB (131 Fälle 2018), dem Narkose-Präparat Ketamin (80) und Liquid Ecstasy (28). Ketamin wurde im 20. Jahrhundert zur Betäubung von Lazarettpatienten in Kriegen verwendet, hat aber Halluzinationen und krasse Alpträume als Nebenwirkungen. Es findet deshalb heute weit weniger Gebrauch in der Medizin.
Wenn die Bar zum Tatort wird
Ein Besuch in der Bar oder im Club kann für Frauen schnell zum Sex-Alptraum werden. Denn: In Berlin schlagen immer häufiger K.o.-Tropfen-Täter zu, die Frauen mit vergifteten Drinks gefügig machen. Der KURIER nimmt neue Polizeizahlen zum Anlass, das Phänomen genauer zu beleuchten. Ein Ergebnis: Es gibt auch weibliche Täter, die Männer betäuben
– und dann ausrauben.
Experten gehen davon aus, dass die Giftmischer ihre Opfer in erster Linie sexuell gefügig machen und ihre Macht auskosten wollen. Doch die statistische Erfassung der Strafanzeigen von K.o.-Tropfen-Fällen und der damit zusammenhängenden „Folgetaten“ (etwa Vergewaltigung) ist noch nicht perfektioniert. Das heißt, es lässt sich nicht immer auf Knopfdruck abfragen, was genau mit den Opfern passierte.
Fest steht: Bei 43 in Berlin begangenen Sexualdelikten und Raubstraftaten geht man davon aus, dass es K.o.-Tropfen-Taten sind. Fast alle Opfer waren zum Tatzeitpunkt 21 Jahre alt oder älter, es traf aber auch ein Kind und drei Jugendliche (14 bis 17 Jahre). Die meisten Tatorte waren Diskotheken (sieben Fälle), Wohnungen und Wohnhäuser (zehn) sowie Hotels (drei).