Indizien eines Steinzeitmassakers
Wie Forscher mithilfe von chemischen Knochenanalysen prähistorische Ereignisse rekonstruieren
Kerstin Viering
Es war eine große Katastrophe, die vor siebentausend Jahren über das kleine jungsteinzeitliche Dorf im Voralpenland hereinbrach. Mit Keulen, Knüppeln und Steinbeilen griffen Unbekannte die Dorfbewohner an, töteten mehr als hundert von ihnen und ließen sie kreuz und quer verteilt im Befestigungsgraben zurück. So lagen sie immer noch, als Archäologen vor zwanzig Jahren damit begannen, ein Gelände in der Nähe des niederösterreichischen Dorfes Asparn systematisch zu untersuchen. Asparn liegt rund fünfzig Kilometer nördlich von Wien.
Spuren von Tierzähnen an den Knochen zeigen, dass die Menschen nach ihrem Tod längere Zeit unbeerdigt im Freien gelegen haben müssen. "Sie wurden offenbar einfach dort hinein geworfen, es gibt keine Spur einer pietätvollen Bestattung", sagt Maria Teschler-Nicola, Anthropologin am Naturhistorischen Museum Wien. Mit Hilfe moderner chemischer Analysen der Knochen wollen sie und ihre Kollegen nun mehr über das Schicksal der Toten herausfinden.
Nach dem Angriff hörte die Siedlung offenbar auf zu existieren, denn die Archäologen fanden keinerlei Steinwerkzeuge und Keramikscherben aus jüngeren Epochen. Anthropologische Untersuchungen der Skelette zeigten, wie gewaltsam das Ende des Dorfes war: Sämtliche Schädel weisen schwere Verletzungen auf, zum Beispiel Brüche, wie sie durch kräftige Hiebe auf den Kopf entstehen. Viele Skelette sind zudem unvollständig, sie bestehen nur noch aus Brustkorb und Wirbelsäule, Arme und Beine fehlen. "Unter den Opfern sind sowohl Männer, als auch Frauen und Kinder", sagt Maria Teschler-Nicola. Das spreche eher für ein Massaker als für einen Krieg.
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