Zitat von
Alex der Grosse
Der Ägäis-Konflikt
Der Ägäis-Konflikt zwischen Griechenland und der Türkei ist ein Streit um Territorium, Seegrenzen und Ressourcen, der nun mittlerweile fast 30 Jahre andauert und die bilateralen Beziehungen beider Nachbarn stark belastet. Erst seit kurzer Zeit bahnt sich eine Entspannung der Situation an: Die Türkei möchte durch die freundschaftliche Annäherung an Griechenland ihre Chancen auf einen EU-Beitritt verbessern.
Geologisch gesehen bildet der ägäische Festlandsockel inklusive aller Inseln eine Einheit. Nach der Genfer Seerechtskonvention wurde dieser Schelf jedoch durch eine mittlere Linie zwischen Griechenland und der Türkei getrennt, d. h. die Grenzlinie verläuft zwischen der türkischen Küste und den griechischen Inseln.
Historische Wurzeln des Konflikts
Bis zum Jahr 1973, in dem nahe der nordägäischen Insel Thasos Öl gefunden wurde, war die Ägäis Objekt lediglich rhetorischer Streitigkeiten zwischen Griechenland und der Türkei: Die Türken erhoben für den Fall einer einseitigen Status Quo-Änderung in der Zypernfrage Gebietsansprüche auf die griechischen ostägäischen Inseln sowie Westthrakien.
Diese Gebiete hatte die Türkei nach Abschluss des Vertrags von Lausanne (1923) an Griechenland verloren. Von türkischer Seite wurde argumentiert, dass eine einseitige Verletzung des Status von Zypern den Lausanner Vertrag hinfällig machen würde, was die Türkei wiederum zum rechtmäßigen Besitzer der genannten Gebiete mache.
Beide Staaten beanspruchten bis zu diesem Zeitpunkt vom ägäischen Festlandsockel aus sechs Seemeilen Hoheitsgewässer, in denen weitere Ölvorkommen vermutet wurden. Bereits im Jahr 1958 wurde auf der ersten Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen in Genf eine Ausdehnung der Hoheitsgewässer eines Staates von 6 auf 12 Seemeilen beschlossen.
Streit um die Ausdehnung der Hoheitsgewässer
Dieser völkerrechtliche Vertrag ratifizierte 1972 Griechenland, jedoch nicht die Türkei. Die Verweigerung von türkischer Seite erscheint nach einem vereinfachten Rechenexempel durchaus plausibel. Nach altem Seerecht kontrolliert Griechenland ca. 35 % der ägäischen Gewässer und die Türkei ca. 8,8 % (der größte Anteil der Ägäis, etwa 56 %, besteht aus internationalen Gewässern).
Würden beide Länder ihre Territorialgewässer auf 12 Seemeilen ausdehnen, würde der griechische Anteil auf 63,9 %, der türkische aber nur auf 10 % steigen. Der Anteil der internationalen Gewässer würde in diesem Fall auf 26 % zurückgehen. Diese territoriale Neuaufteilung würde die Ägäis zu einem griechischen Binnenmeer machen.
Eine Ausdehnung der griechischen Hoheitsgewässer auf 12 Seemeilen, die völkerrechtlich einwandfrei wäre, will die Türkei nicht akzeptieren. Wegen der zwangsläufigen Grenzverschiebung der internationalen Gewässer wären westtürkische Häfen von diesen abgeschnitten. Dies würde die Türkei einerseits zwingen, einen Großteil ihres Schiffsverkehrs über Griechenland abzuwickeln und zum anderen militärische Manöver in der Ägäis nahezu unmöglich machen, ohne griechisches Hoheitsgebiet zu tangieren. Vor diesem Hintergrund verkündete die türkische Regierung, eine Erweiterung der griechischen Hoheitsgrenzen in der Ägäis werde in der Türkei als ‚casus belli' (kriegsauslösendes Ereignis) betrachtet.
Ölfunde und Energiekrise verschärfen Situation
Bis zum Zeitpunkt der Ölfunde 1973 waren diese Bestimmungen nichts weiter als juristische Makulatur, wobei sich die Lage angesichts der weltweiten Energiekrise in den 70er Jahren schlagartig änderte. Da die Türkei die Genfer Konventionen nicht anerkannte, erteilte die türkische Regierung Ölförderungslizenzen für den ägäischen Festlandsockel auch jenseits der in Genf festgelegten Hoheitsgebiete.
Legitimiert sahen sich die Türken dadurch, dass sie den ägäischen Festlandsockel als eine geologische Fortsetzung Anatoliens betrachteten. Aus diesem Grund sei der Sockel als türkische Festlandküste zu bewerten, und die Genfer Trennungslinie müsste westlich der ägäischen Inseln liegen, für die wiederum Griechenland schon eigene Explorationslizenzen vergeben hatte. Nach jahrelangem Hin und Her und einem Verhandlungsmarathon, der bis zum Internationalen Gerichtshof in Den Haag führte, wurden bis heute keine konkreten Ergebnisse in der Ägäisfrage erzielt.
EU-Taskforce berät über den Konflikt
Aufgrund der EU-Ambitionen der Türkei entspannte sich die Situation um den Ägäis-Streit in den letzten Jahren jedoch deutlich. So wurde 2001 eine EU-Task-Force eingerichtet, die sich vierteljährlich treffen soll, um über eine Lösung des Konflikts zu beraten. Zudem wurden im selben Jahr die bilateralen Beziehungen beider Nachbarn durch zwischen-staatliche Verträge (z.B. die Verpflichtung zur gegenseitigen Unterrichtung über Militärmanöver in der Ägäis sowie zur Räumung von Landminen, die Einrichtung einer direkten Telefonleitung zwischen den Außenministerien und der Austausch der Zeitpläne für Militärmanöver) weiter intensiviert, wenngleich von einem Durchbruch der Verhandlungen noch nicht die Rede sein kann.
Dennoch sind die Hoffnungen groß, durch diese positiven Entwicklungen eine friedliche Beilegung der Streitigkeiten beider Länder gemäß den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Helsinki und der Beitrittspartnerschaft zu erreichen.
Erstveröffentlichung am 29.04.2002
Hi Sahin
Lies dir bitte diesen text genau durch ok. Griechenland hat recht und die Türkei unrecht.