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stefanstefan
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Polen zählt erstmals seine Kriegsopfer
Von Knut Krohn, Warschau
Offiziell wird bis heute von sechs Millionen Toten ausgegangen. Doch diese Zahl war einst willkürlich festgelegt worden.
Siebzig Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg kennt Polen immer noch nicht die genaue Zahl seiner Kriegsopfer. Alle kommunistischen Regierungen in Warschau sind nach dem Krieg von sechs Millionen Toten ausgegangen, eine Angabe, die nicht nur von Fachleuten immer wieder bezweifelt wurde.
Diese Zahl sei nach dem Krieg von den Behörden willkürlich festgelegt worden, erklärt der Historiker Andrzej Kunert und beruft sich auf nach dem Fall des Eisernen Vorhangs gefundene Archivdokumente. Bei ihrer Bilanz hätten die kommunistischen Beamten nur Polen und Juden, aber keine Ukrainer, Weißrussen und andere Minderheiten berücksichtigt.
Um endlich Licht in das Dunkel zu bringen, wurde nun ein Projekt zur Ermittlung der Kriegsopfer gestartet.
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Die Stiftung Deutsch-Polnische Aussöhnung bietet ab sofort eine Internetplattform an, wo Bürger Angaben über Kriegstote und Verfolgte machen können. Das Projekt baut auf bereits vorhandenen Untersuchungsergebnissen auf. Bereits vor drei Jahren hat das Institut für Nationales Gedenken im Auftrag des Kultusministeriums damit begonnen, Daten über polnische Kriegsopfer zu sammeln. Rund 1,5 Millionen Einträge sind bisher in einer zentralen Datei gesammelt, die nun ausgewertet werden müssen. Dariusz Pawlos, Leiter der Stiftung Deutsch-Polnische Aussöhnung, hofft, in den nächsten drei Jahren diese Datenbasis deutlich ausbauen zu können. Große Erwartungen setzt er in die enge Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern in anderen Ländern. Auf der Internetseite kann ein Fragebogen abgerufen werden, über den online Angaben zu polnischen Opfern wie etwa Gettobewohnern, Deportierten, Zwangsarbeitern oder Kindern gemacht werden können. Natürlich werde der Fragebogen nicht nur auf elektronischem Wege abrufbar sein, sagt Dariusz Pawlos. Papierversionen würden zum Beispiel an Veteranenvereinigungen geschickt.
„Im August wird auch ein Wettbewerb für junge Leute ins Leben gerufen“, erklärt der Stiftungschef. „Die sollen dann in ihren Familien oder kleinen Dörfern Informationen über die Opfer des Zweiten Weltkrieges sammeln.“
Tomasz Merta, Staatssekretär im Kulturministerium, erklärte bei der Präsentation des Projektes vergangene Woche in Warschau, dass es ein „dramatisches Versäumnis“ sei, dass diese Untersuchungen nicht sofort nach dem Krieg durchgeführt worden sind. Damals hätten natürlich viel bessere Möglichkeiten bestanden, die tatsächlichen Opferzahlen zu ermitteln. Doch trotz vieler Schwierigkeiten könne auch jetzt noch viel zur Aufklärung über das Schicksal der polnischen Opfer des Zweiten Weltkrieges getan werden. Durch diese Anstrengungen werde ihnen die Ehre erwiesen, die ihnen gebühre.
Versöhnung bleibt ein fernes Ziel
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