Die Niederländer sollten sich schämen
Von Ludger Kazmierczak, ARD-Hörfunkkorrespondent Niederlande
Dass die Niederländer im Mai 2002 den kurz zuvor ermordeten Rechtspopulisten Pim Fortuyn posthum zum großen Gewinner der Parlamentswahlen machten, war noch nachvollziehbar. Mit seiner populistischen Parolen-Politik hatte der charismatische Publizist und Soziologe Farbe in die bis dahin eher triste politische Landschaft gebracht. Dass er es wagte, lange totgeschwiegene Tabuthemen auf die politische Agenda zu setzen, hat den Wählern imponiert. Endlich durfte offen ausgesprochen werden, dass die Integration vieler Ausländer gescheitert war und dass die Menschen Angst vor einer Islamisierung ihrer Gesellschaft hatten. Es bleibt das Verdienst des Rotterdamer Politikers, dass er die Niederländer von dem Zwang befreit hat, immer so vorbildlich tolerant und liberal zu sein. Denn längst war der Punkt erreicht, dass die Menschen keine Lust mehr darauf hatten, ein Jahrzehnte altes Klischee zu erfüllen.
Schlechte Zeiten für Rechtspopulisten
Das kurzzeitige Erstarken der Rechtspopulisten durfte als Ohrfeige für das politische Establishment verstanden werden. Und die etablierten Parteien versprachen folgerichtig: "Ja, wir haben verstanden." So machten sich die Christdemokraten, die Liberalen und selbst die Sozialdemokraten Fortuyns Gedankengut zu eigen und verschärften die niederländische Zuwanderungs- und Integrationspolitik. Das waren schlechte Zeiten für Rechtspopulisten.
"Schmierigen Provokateur und Islamhasser"
Umso unverständlicher ist es, dass der selbst ernannte Fortuyn-Epigone Geert Wilders als großer Triumphator aus der Europawahl hervorgegangen ist. Seine so genannte Partei für die Freiheit ist nach dem Stimmungstest von gestern zweitstärkste politische Kraft im Land, und Demoskopen trauen der PVV zu, bis zur Parlamentswahl im Mai 2011 noch zuzulegen. Der wasserstoffblondierte Sprücheklopfer Wilders hat weder die Ausstrahlung, noch den Intellekt eines Pim Fortuyn, und dennoch haben etliche Wähler dem schmierigen Provokateur, Europakritiker und Islamhasser ihre Stimme gegeben. Die Niederländer, die noch in den 90er Jahren gerne mit moralisch erhobenem Zeigefinger auf die ausländerfeindlichen Deutschen gezeigt hatten, sollten sich schämen.
Einziges Programm: Verteufelung des Islam
Dass das Land nie so tolerant und liberal gewesen ist, wie wir alle angenommen haben, ist längst bekannt,
aber dass sich die Sympathie für eine rechtsextreme, ausländerfeindliche und zudem diffamierende Politik so lange hält, ist erschreckend. Natürlich wiegeln die moderaten Kräfte nun ab und verweisen auf die niedrige Wahlbeteiligung und auf das schwierige Gebilde Europa, dass den Niederländern Angst macht. Aber das ist noch lange kein Grund, einem kleingeistigen Patrioten hinterher zu hecheln, dessen politisches Programm nur daraus besteht, den Islam zu verteufeln.
In den Niederlanden haben sich fast 20 Parteien für einen Parlamentssitz in Straßburg beworben, darunter auch konservativ-liberale Traditionsparteien, die Europa kritisch gegenüberstehen.
Die Euroskeptiker hätten durchaus demokratische Alternativen gehabt, haben sich aber für die undemokratische PVV entschieden. Liebe Nachbarn, ich bitte um Nachsicht, aber das ist hochgradig peinlich.