+ Auf Thema antworten
Seite 1 von 4 1 2 3 4 LetzteLetzte
Zeige Ergebnis 1 bis 10 von 34

Thema: Kulturrevolution von ganz unten

  1. #1
    Mitglied
    Registriert seit
    01.12.2006
    Beiträge
    6.307

    Achtung Kulturrevolution von ganz unten

    In jeder Gesellschaft waren es die politischen, religiösen, wirtschaftlichen und kulturellen Eliten, welche als Vorbilder dienten und die Normen und Werte einer Gesellschaft formten.

    Das kann man "Kultur von oben" nennen.

    Heute jedoch gibt es eine Kultur von unten. Die primitivsten Ghettoproleten sind Vorbilder für die Mittelschicht, ihr doppelt halbsprachliches Gestammel state of the art.

    Der Artikel will dieses Phänomen analysieren und zu erklären versuchen, was diesen Umschwung auslöste und welche Folgen er haben wird.

    [Links nur für registrierte Nutzer]

  2. #2
    Forist Benutzerbild von Black Jack
    Registriert seit
    27.11.2008
    Beiträge
    1.862

    Standard AW: Kulturrevolution von ganz unten

    Zitat Zitat von Chanan Beitrag anzeigen
    In jeder Gesellschaft waren es die politischen, religiösen, wirtschaftlichen und kulturellen Eliten, welche als Vorbilder dienten und die Normen und Werte einer Gesellschaft formten.

    Das kann man "Kultur von oben" nennen.

    Heute jedoch gibt es eine Kultur von unten. Die primitivsten Ghettoproleten sind Vorbilder für die Mittelschicht, ihr doppelt halbsprachliches Gestammel state of the art.

    Der Artikel will dieses Phänomen analysieren und zu erklären versuchen, was diesen Umschwung auslöste und welche Folgen er haben wird.

    [Links nur für registrierte Nutzer]
    Ich hatte keine Lust die konservative-antimoderne Speerspitze zu lesen, kann aber die o.g. These so nicht stehen lassen. Das ist ein konservativer Mythos per excellence! Selbstverständlich gibt es die edlen und kuktivierten Eliten, aber ihre Marginalisierung wird selbst von einer Elite bertieben, der Finazelite! Diese spezielle Elite ist es also selbst, die den Pöbel fördert. Denn es ist keinsefalls so, dass die von dir genannten Eliten gleichberechtigt sind. Ganz oben steht der "Finazadel" und deren oberstes Ziel ist eben nicht dem Schönen, dem Guten und dem Wahren zu dienen, sondern dem schnöden Mamon. Deshalb wird alles, was keinen Profit bringt, also nicht massenfähig ist, über Bord geworfen oder muss das Dasein eines Nieschenprodukts fristen. In der modrenen Kulturgeschichte ist ein unschönes Phänomen zu beobschten. Das Auftauchen einer neuen Kunstart, hat die Menscheit immer ihren besten Köpfen zu verdanken. Die Anfänge im Film, im Radio, im Fersehen oder in der Popmusik wurden von genialen Künstlern und Persönlichkieten gestelltet. Wie könnte es auch nicht anders sein. Dummköpfe haben nicht die Fähigkeiten, nicht die Visionen, um sich ins unbekannte Terain zu begeben.
    Nach und nach lernen aber auch die Dumköpfe sich der neuen Kunstform zu bedienen. Sehr zum Gefallen der Finanzelite. Wer will schon all dieses unverständliche und komplizierte Zeugs haben. Vor allem, wer will schon dafür zahlen?

    So setzt nach einer kurzen und grandiosen Anfangsperiode der neuen Kunst ihre Anpassung an das Gusto der Masse an. Vorangetrieben von einer Elite!
    Geändert von Black Jack (15.06.2009 um 19:39 Uhr)
    Kein Kommentar

  3. #3
    Mitglied
    Registriert seit
    01.12.2006
    Beiträge
    6.307

    Standard AW: Kulturrevolution von ganz unten

    Zitat Zitat von Black Jack Beitrag anzeigen
    Ich hatte keine Lust die konservative-antimoderne Speerspitze zu lesen, kann aber die o.g. These so nicht stehen lassen. Das ist ein konservativer Mythos per excellence! Selbstverständlich gibt es die edlen und kuktivierten Eliten, aber ihre Marginalisierung wird selbst von einer Elite bertieben, der Finazelite! Diese spezielle Elite ist es also selbst, die den Pöbel fördert. Denn es ist keinsefalls so, dass die von dir genannten Eliten gleichberechtigt sind. Ganz oben steht der "Finazadel" und deren oberstes Ziel ist eben nicht dem Schönen, dem Guten und dem Wahren zu dienen, sondern dem schnöden Mamon. Deshalb wird alles, was keinen Profit bringt, also nicht massenfähig ist, über Bord geworfen oder muss das Dasein eines Nieschenprodukts fristen. In der modrenen Kulturgeschichte ist ein unschönes Phänomen zu beobschten. Das Auftauchen einer neuen Kunstart, hat die Menscheit immer ihren besten Köpfen zu verdanken. Die Anfänge im Film, im Radio, im Fersehen oder in der Popmusik wurden von genialen Künstlern und Persönlichkieten gestelltet. Wie könnte es auch nicht anders sein. Dummköpfe haben nicht die Fähigkeiten, nicht die Visionen, um sich ins unbekannte Terain zu begeben.
    Nach und nach lernen aber auch die Dumköpfe sich der neuen Kunstform zu bedienen. Sehr zum Gefallen der Finanzelite. Wer will schon all dieses unverständliche und komplizierte Zeugs haben. Vor allem, wer will schon dafür zahlen?

    So setzt nach einer kurzen und grandiosen Anfangsperiode der neuen Kunst ihre Anpassung an das Gusto der Masse an. Vorangetrieben von einer Elite!
    Diese Kritik an der Ökonomisierung der Lebenswelten teilt die "konservativ-antimoderne Speerspitze" durchaus.

    Man muss aber zu Deinen Ausführungen anmerken, dass der neue Geldadel vielleicht was die Einkommensverteilung angeht eine "Elite" darstellt, nicht aber eine "Elite" in dem Sinne, wie der Begriff im Artikel gebraucht wurde. Die Eliten, um die es hier geht, sind die ethisch-sittlichen Vorbilder für eine Gesellschaft und wirken dadurch kulturprägend. Von modernen Medienmogule oder Aktienmillionären kann man das nicht behaupten.

    Dass ein Sony-BMG-Boss Interesse daran hat, dass sein Kunstprodukt, welches er verkauft, durch jeden erdenklichen Weg - z.B. durch Drogenskandale, Internetpornos, homophobe Texte usw. - Aufmerksamkeit und Verkaufszahlen zu schaffen versucht, ist klar. Aber woran liegt das? Dass die Masse auf dieses Zeugs abfährt. Zu Goethes Zeiten hätte sich um die primitiven Ergüsse, die heute die Verkaufsschlager sind, keine Sau (außer den Behörden) gekümmert, weil man sie für unkultivierten Müll gehalten hätte.

    Dass Müll ungehindert massentauglich wird, zeigt, dass schon etwas an der Gesellschaft kaputt ist, nicht umgekehrt.

  4. #4
    Forist Benutzerbild von Black Jack
    Registriert seit
    27.11.2008
    Beiträge
    1.862

    Standard AW: Kulturrevolution von ganz unten

    Zitat Zitat von Chanan Beitrag anzeigen
    Zu Goethes Zeiten hätte sich um die primitiven Ergüsse, die heute die Verkaufsschlager sind, keine Sau (außer den Behörden) gekümmert, weil man sie für unkultivierten Müll gehalten hätte.

    Dass Müll ungehindert massentauglich wird, zeigt, dass schon etwas an der Gesellschaft kaputt ist, nicht umgekehrt.
    Wie kann man so etwas behaupten. Zu Goethes Zeiten fand die Öffentlichkeit und die feine Kultur standesgebunden in den höheren Kreisen statt. Wer konnte sich sonst eine Zeitung oder ein Buch leisten? Es lag also an der Struktur der Gesellschaft, wenn sich die Eliten nicht mit dem Pöbel abgeben mussten. Und eine Massenkultur des Pöbels gab es zur jeder Zeit in der Menscheitsgeschichte. Die feinen Herren im Schloss hatten ihre Kultur, der Pöbel die seine. Während die feine Gesellschaft bei Wein und Kaviar isoliert zu Klängen von Bach oder Mozart den Abend verbrachte, vergnügten sich die Massen beim Dorffest zu Troubadouren-Lieder, dem - um dich zu zitieren - massentauglichen Müll.
    Kein Kommentar

  5. #5
    marc
    Gast

    Standard AW: Kulturrevolution von ganz unten

    Zitat Zitat von Black Jack Beitrag anzeigen
    Selbstverständlich gibt es die edlen und kuktivierten Eliten, aber ihre Marginalisierung wird selbst von einer Elite bertieben, der Finazelite! Diese spezielle Elite ist es also selbst, die den Pöbel fördert.
    Mh: ich glaube, das ist ein bisschen komplizierter, weil das eigentliche Problem die Strukturen sind und nicht konkrete Personen oder Organisationen. Immerhin könnte ein Großteil derjenigen, die für "das Wahre, Schöne, Gute" zuständig sind, ohne die Unterstützung der "Finanzelite" nicht überleben.
    (Man denke nur an die zahlreichen Preise und "Arbeitsstipendien", mit denen das Überleben vieler Schriftsteller gesichert wird, und die zu einem Gutteil aus der freien Wirtschaft finanziert werden. Auch an die Unterstützung für Galerien, Museen, oder daran, dass man auf immer mehr CD's lesen kann, diese Aufnahme sei "mit freundlicher Unterstützung der Bank XY" zustande gekommen. Die Deutsche Bank z.B. sponsort nicht nur die Berliner Philharmoniker, unser Vorzeigeorchester, sondern vergibt auch Stipendien für Nachwuchsmusiker.
    Wo Finanzeliten also entsprechende Eliten fördern, fördert der rotgrüne Gesinnungsstaat nur antifaschistische Hip-Hop-Festivals und das Saufen gegen Rechts.)

    Wie gesagt sehe ich das Problem also eher auf einer strukturellen Ebene.
    Das heißt: die Leere, die nach der "Dekonstruktion" von Geschlechterrollen, von Heimatverbundenheit, Religionen -- nach der Entfremdung des Menschen von seiner Umwelt, seinen Mitmenschen usw. entstanden ist, wird meist durch die ökonomische Ersatzreligion gefüllt.
    Das sich ein Buch wie Dieter Bohlens "Nichts als die Wahrheit" besser verkaufen lässt als "Dichtung und Wahrheit" ist wohl nur eine triviale Tatsache, die zu allen Zeiten gültig war. Auch zur Zeit der "Goldenen Zwanziger" z.B. war die "Kultur von Weimar" nur ein Mythos und Karl May, Hedwig Courths-Mahler hat sich besser verkauft als Hesse, Thomas Mann, Remarque; sanfte Schlager waren beliebter als Gustav Mahler und Schoenberg.

    Die Veränderung besteht jetzt nicht mal so sehr in der Orientierung an neuen Technologien (man könnte den Fernsehapparat ja auch benutzen, um sich anspruchsvolle Filme anzusehen und kann das Internet auch nutzen, um in Politikforen zu schreiben), sondern darin, dass "gut" nun tatsächlich nichts anderes mehr meint als "gut zu verkaufen." Friedrich der Große schrieb noch ein Flötenkonzert, Gehard Schröder klatscht zu "Gib mir ma n' Flasche Bier."
    Aber welcher andere Maßstab sollte auch gelten? Es wurde ja alles zerstört.

    Im Grunde sind selbst die gutmenschlichen Maßstäbe der ökonomischen Sichtweise untergeordnet: Feminismus ist gut, aber nur weil das wirtschaftliche Potential eines Unternehmens steigen würde, wenn sein Vorstand zur Hälfte aus Frauen bestünde. "We don't want a bigger piece of the pie. We want a different pie?" Pah, das ist vorbei! Heutiges Ziel: die erste Frau Ackermann.
    Oder nimm die Schwulen. Warum ist es gut, sie zu tolerieren? Weil sie kaufkräftig seien. Warum sind Nazischläger schlecht? Weil sie das Prestige einer Region und insofern den "Wirtschaftsstandort" schädigen.

    Das ist jetzt natürlich sehr polemisch, weil die rotgrüne Gesinnungsdiktatur ja nach wie vor besteht und sie oft auch im Kontrast zur marktwirtschaftlichen Logik steht. Aber ich glaube trotzdem, dass die Ausrichtung an der Gleichgültigkeit und der Wertneutralität der Ökonomie einen riesigen Schaden anrichtet und sich ein Großteil der heutigen Gutmenschlichkeit (die ich übrigens von linken Positionen trenne) dieser Ausrichtung unterworfen hat. Es gibt also eine ekelhafte Allianz, die einer der Gründe dafür ist, warum ich den Neokonservatismus so ablehne.

    Jetzt muss man neben dem Prinzip der freien Marktwirtschaft noch das Prinzip der Demokratie erwähnen. Demokratie ist Ausrichtung nach unten. Das ganze Currywurstgefresse, der Schiss, als arrogant zu gelten, das Geklatsche zu dümmlichen Schlagern, die gespielte Euphorie bei "Sportevents" - und wieder: Friedrich der Große und J. S. Bach im Gegensatz zu Steinmeier und Muhabbet. Ausrichtung nach unten.
    Überhaupt: mit dem Untergang der Frankfurter Schule ist im Grunde auch die Linke gestorben. Damals: der Versuch, das Volk nach oben zu ziehen. Heute: der Versuch zu beweisen, dass man ebenfalls ganz unten ist.


    Zitat Zitat von Chanan Beitrag anzeigen
    Man muss aber zu Deinen Ausführungen anmerken, dass der neue Geldadel vielleicht was die Einkommensverteilung angeht eine "Elite" darstellt, nicht aber eine "Elite" in dem Sinne, wie der Begriff im Artikel gebraucht wurde. Die Eliten, um die es hier geht, sind die ethisch-sittlichen Vorbilder für eine Gesellschaft und wirken dadurch kulturprägend. Von modernen Medienmogule oder Aktienmillionären kann man das nicht behaupten.
    Eine der deutschen Vokabeln, die es auch in den angelsächsischen Sprachschatz geschafft hat, ist ja der "Bildungsroman" und ich glaube, dass das auch für den sog. "Bildungsbürger" gilt. Man sollte jedenfalls unterscheiden zwischen Bürger, Bourgeoise im ... sagen wir: marxistischen Sinne und dem Bildungsbürger, der zwar nicht mehr die gleiche ökonomische Potenz besitzt, sich aber die kulturelle bewahrt hat. Bei dieser Unterscheidung könnte man also auch an obiges anknüpfen und betonen, dass sich aufgrund der ökonomischen Zwangsfixierung sein "kulturelles Kapital" (ich meine das positiv und nicht mit diesem negativen Beiklang wie bei Bourdieu) als wertlos erweist - weil Wert ja eben nur der ökonomische ist und Bushido insofern wertvoller als Helmut Lachenmann ist und Charlotte Roche wertvoller als Martin Mosebach.


    (P.S.: Erwartungsgemäß gefällt mir dein Text und ich glaube, dass du leider recht hast. )

  6. #6
    Mitglied
    Registriert seit
    01.12.2006
    Beiträge
    6.307

    Standard AW: Kulturrevolution von ganz unten

    Zitat Zitat von Black Jack Beitrag anzeigen
    Wie kann man so etwas behaupten. Zu Goethes Zeiten fand die Öffentlichkeit und die feine Kultur standesgebunden in den höheren Kreisen statt. Wer konnte sich sonst eine Zeitung oder ein Buch leisten? Es lag also an der Struktur der Gesellschaft, wenn sich die Eliten nicht mit dem Pöbel abgeben mussten. Und eine Massenkultur des Pöbels gab es zur jeder Zeit in der Menscheitsgeschichte. Die feinen Herren im Schloss hatten ihre Kultur, der Pöbel die seine. Während die feine Gesellschaft bei Wein und Kaviar isoliert zu Klängen von Bach oder Mozart den Abend verbrachte, vergnügten sich die Massen beim Dorffest zu Troubadouren-Lieder, dem - um dich zu zitieren - massentauglichen Müll.
    Aber auch diese Volksliedchen, oft von bekannten Dichtern gedichtet und auf Melodien berühmter Komponisten gelegt, oder gleich einer Operette entnommen, transportierten, so banal ihr Inhalt oft war (Frauen, Wein, Tanz...), die Sitten und Werte der vornehmen Gesellschaft. Oder kennst Du ein altes Volkslied, welches Kriminalität und Vergewaltigungen glorifiziert wie die im Artikel zitierten Ghettorapfabrikate?

    Mein Urgroßvater war ein einfacher Arbeiter, aber im Regal standen Hölderlin und Eichendorff und er hatte immer ein passendes Zitat parat. Das meine ich mit Kultur von oben: Die einfachen Leute orientierten sich an großen Genies.
    Wie ist es heute? Erst letzte Woche sah ich Kanzlerkandidat Steinmeier und seine Frau bei Beckmann über "Lady Gaga" plaudern. Das ist das Gegenteil, das ist Kultur von unten. Die staatstragenden Gesellschaftsschichten erziehen ihre Kinder mit "Just bust that dick/ I wanna take a ride on your disco stick".

    Bitte, wer diesen Unterschied nicht sieht...! Mir kann keiner erzählen, dass das "zu allen Zeiten so war".

  7. #7
    Mitglied Benutzerbild von Ajax
    Registriert seit
    09.09.2008
    Ort
    Lüneburg
    Beiträge
    8.380

    Standard AW: Kulturrevolution von ganz unten

    Zitat Zitat von Chanan Beitrag anzeigen
    Diese Kritik an der Ökonomisierung der Lebenswelten teilt die "konservativ-antimoderne Speerspitze" durchaus.

    Man muss aber zu Deinen Ausführungen anmerken, dass der neue Geldadel vielleicht was die Einkommensverteilung angeht eine "Elite" darstellt, nicht aber eine "Elite" in dem Sinne, wie der Begriff im Artikel gebraucht wurde. Die Eliten, um die es hier geht, sind die ethisch-sittlichen Vorbilder für eine Gesellschaft und wirken dadurch kulturprägend. Von modernen Medienmogule oder Aktienmillionären kann man das nicht behaupten.

    Dass ein Sony-BMG-Boss Interesse daran hat, dass sein Kunstprodukt, welches er verkauft, durch jeden erdenklichen Weg - z.B. durch Drogenskandale, Internetpornos, homophobe Texte usw. - Aufmerksamkeit und Verkaufszahlen zu schaffen versucht, ist klar. Aber woran liegt das? Dass die Masse auf dieses Zeugs abfährt. Zu Goethes Zeiten hätte sich um die primitiven Ergüsse, die heute die Verkaufsschlager sind, keine Sau (außer den Behörden) gekümmert, weil man sie für unkultivierten Müll gehalten hätte.

    Dass Müll ungehindert massentauglich wird, zeigt, dass schon etwas an der Gesellschaft kaputt ist, nicht umgekehrt.
    Der Vergleich mit Goethes Zeiten ist so nicht ganz richtig. Zu seiner Zeit erlebte die Massenpublikation von Trivialliteratur einen Aufschwung. Der Berufsschriftsteller gewann immer mehr an Bedeutung. Im Zuge der sogenannten Lesesucht Ende des 18. Jahrhunderts stieg die Zahl der verkauften Trivialliteratur und Belletristik enorm. Zuvor war es den oberen Schichten vorbehalten lesen zu können als auch die finanziellen Mittel für Bücher aufbringen zu können. Dies änderte sich nun und die mittleren Schichten begannen, aufgrund zunehmender Alphabetisierung, ebenfalls zu lesen, vorwiegend eben Belletristik. Mit Sicherheit besaß selbst diese Literatur einen höheren Wert als der Schund, der heute teilweise publiziert wird. Aber es ging in dieselbe Richtung.
    Damals klagten die Gelehrten auch über diese Art von Literatur.

    Wenn auch jetzt in den bezwungnen Hallen
    Tyrannei der Freiheit Tempel bricht:
    Deutsches Volk, du konntest fallen,
    Aber sinken kannst du nicht!

    Theodor Körner

  8. #8
    marc
    Gast

    Standard AW: Kulturrevolution von ganz unten

    Zitat Zitat von Chanan Beitrag anzeigen
    Aber auch diese Volksliedchen, oft von bekannten Dichtern gedichtet und auf Melodien berühmter Komponisten gelegt, oder gleich einer Operette entnommen, transportierten, so banal ihr Inhalt oft war die Sitten und Werte der vornehmen Gesellschaft. Oder kennst Du ein altes Volkslied, welches Kriminalität und Vergewaltigungen glorifiziert wie die im Artikel zitierten Ghettorapfabrikate?

    Mein Urgroßvater war ein einfacher Arbeiter, aber im Regal standen Hölderlin und Eichendorff und er hatte immer ein passendes Zitat parat. Das meine ich mit Kultur von oben: Die einfachen Leute orientierten sich an großen Genies.
    Zitat Zitat von Ajax Beitrag anzeigen
    Der Vergleich mit Goethes Zeiten ist so nicht ganz richtig. Zu seiner Zeit erlebte die Massenpublikation von Trivialliteratur einen Aufschwung. (...) Damals klagten die Gelehrten auch über diese Art von Literatur.
    Ich glaube, hier muss ich Chanan wieder recht geben: nicht nur, weil das Niveau der damaligen "Trivialkultur" viel höher war und viele Volkslieder z.B. von großen Komponisten geschrieben wurden, sondern auch, weil die Werte, die vermittelt wurden, eben andere waren.
    Also zur Zeit der Weimarer Klassik, die du angesprochen hast, hat ja eine Entwicklung begonnen, die dann in der Romantik ihren Höhepunkt erlebt hat, und die darauf abzielte, sich dem Volk deshalb zu nähern, weil man es quasi "heben" wollte, weil man es in Berührung bringen wollte mit großen Werten usw.
    Und nicht, weil man versuchen wollte, seinen Zustand zu konservieren, um Geld zu verdienen oder sich demokratisch anzubiedern.

    Ich habe auch ähnliche Erfahrungen mit meinen Großeltern gemacht, die zumindest mütterlicherseits keine Studierten waren, Schmiede, Kellner, Arbeiter, aber für die es selbstverständlich war, mal den Weg zur "Hochkultur" zu suchen und sich diesbezüglich einen Grundstock an Bildung zu verschaffen.

    Das viele Leute einfach keine Lust haben, den ganzen Tag nur Goethe zu lesen, ist natürlich klar und auch völlig unproblematisch, solange eben nicht diese "Kulturrevolution von ganz unten" einsetzt, die wir zur Zeit erleben.

  9. #9
    Mitglied Benutzerbild von Ajax
    Registriert seit
    09.09.2008
    Ort
    Lüneburg
    Beiträge
    8.380

    Standard AW: Kulturrevolution von ganz unten

    Zitat Zitat von marc Beitrag anzeigen
    Demokratie ist Ausrichtung nach unten
    Das ist der wichtigste Satz in Deinem auch sonst exzellenten Beitrag.
    Er sagt eigentlich schon alles darüber, wo genau das Problem liegt.

    Wenn auch jetzt in den bezwungnen Hallen
    Tyrannei der Freiheit Tempel bricht:
    Deutsches Volk, du konntest fallen,
    Aber sinken kannst du nicht!

    Theodor Körner

  10. #10
    Mitglied
    Registriert seit
    01.12.2006
    Beiträge
    6.307

    Standard AW: Kulturrevolution von ganz unten

    Ich kann Deinen Beiträgen zustimmen, marc, und danke Dir darüber hinaus für die Erwähnung von Roche, Muhabbet usw., welche ich soeben noch ergänzte.

+ Auf Thema antworten

Aktive Benutzer

Aktive Benutzer

Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)

Ähnliche Themen

  1. Dänemark muss ein ganz, ganz fernes Land sein...
    Von nosferatou im Forum Europa
    Antworten: 6
    Letzter Beitrag: 17.02.2008, 19:18
  2. Fremdenfeindlichkeit in Deutschland - "Ganz unten"
    Von Stuttgart25 im Forum Gesellschaft / Soziales / Arbeit / Bildung / Familie
    Antworten: 60
    Letzter Beitrag: 11.11.2007, 17:25
  3. Wallraff "ganz unten" liest Rushdie in Moschee
    Von CedricRotherwood im Forum Kunst - Literatur - Architektur - Musik - Film
    Antworten: 8
    Letzter Beitrag: 14.07.2007, 08:57
  4. Bush bäckt ganz, ganz kleine Brötchen .
    Von SAMURAI im Forum Internationale Politik / Globalisierung
    Antworten: 10
    Letzter Beitrag: 14.08.2005, 21:12

Nutzer die den Thread gelesen haben : 0

Du hast keine Berechtigung, um die Liste der Namen zu sehen.

Forumregeln

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •  
nach oben