Lust auf einen Krimi vor dem Einschlafen ?
Dann solltet ihr den Schleuser Skandal in besagtem Spiegel lesen.
Extrem spannend von der ersten bis zur letzten Zeile.
Und das Beste: Alles wahr und in den letzten Jahren direkt vor unserer Haustüre passiert. *schauder*
Verantwortlich: Joschka Fischer, der das alles jetzt als "Fehler" seiner Mitarbeiter bezeichnet, für die er die "politische" Verantwortung (was immer das sein mag) übernimmt.

Hier ein paar kleine Auszüge aus der Spiegel Titelstory:

Das Bezirksrathaus Köln-Kalk liegt an einem kleinen Platz, wo Obdachlose und Drogensüchtige ihre Tage verbringen, wenn es wärmer wird. Vier Holzbänke, ein paar Dutzend Sträucher, ein Kiosk - kein Ort, an dem man sich als Normalbürger länger aufhält. An diesem Morgen fällt dem Stadtbediensteten K. auf, wie die Männer, die sich sonst an ihren Bierflaschen festhalten, Formblätter aus dem Rathaus ausfüllen.
K. zieht es vor, unerkannt zu bleiben. Er ist ein Mensch, der auf Ordnung achtet. ....Als sich die Szene anderntags wiederholt, wird er neugierig. Er stellt fest, dass die Papiere sogenannte
Verpflichtungserklärungen sind, die jeder unterschreiben muss, der einen Bekannten aus Osteuropa zu sich nach Hause einlädt. Mit seiner Unterschrift gibt der Einladende sein Einverständnis, dass er im Notfall alle Kosten des Aufenthalts trägt.
So entfaltet sich ein Skandal, der auf vertrackte Weise ukrainische Schlepper und schwäbische Geschäftemacher verbindet, osteuropäische Zwangsprostituierte und hochfahrende Diplomaten. Im Zentrum der Ermittlungen steht ein Herzstück der Regierung Schröder, die rot-grüne Ausländerpolitik.....

......Zweimal schon hat das Auswärtige Amt in Runderlassen die Vergabepraxis liberalisiert. Anfang September 1999 wurden die Botschaften angewiesen, die Verpflichtungserklärungen, mit denen Gastgeber für ihre Gäste finanziell gerade stehen, auch dann zu akzeptieren, wenn die Ausländerämter in Deutschland die Vermögenslage des jeweiligen Gastgebers nicht überprüft hatten.
Fünf Wochen später folgt ein weiterer Erlass, der osteuropäische Auslandsvertretungen auffordert, bei Vorlage eines sogenannten Carnet de touriste auf eine darüber hinausgehende Prüfung der Rückkehrbereitschaft des Besuchers zu verzichten....

Köln, Anfang Juni 2001
Bei den Gewerbeämtern der Stadt geht in diesem Frühsommer eine hohe Zahl von Anträgen ein, in denen Reisebüros angemeldet werden. Sie heißen ,.Marina Tours", „Conrad Reisen", „Reisestudio Vorhölter" oder „Travel Blum". Insgesamt 34 solcher Agenturen - die in Wirklichkeit nur auf dem Papier stehen - eröffnen Bargs Helfer über die Monate.
Barg hat das Verfahren rationalisiert. Statt weiter Einzeleinladungen zu verschicken, für die er sich zuvor die Unterschrift von Zufallsbekanntschaften oder Obdachlosen besorgte, organisiert er über Scheinfirmen nun Gruppenreisen. Er entwirft an seinem Computer ein Besuchsprogramm: Rheintour mit Besichtigung der Loreley. Besuch des Römisch-Germanischen Museums in Köln mit anschließendem Ausflug nach Antwerpen. Tagesfahrt in den Vergnügungspark „Phantasialand" bei Brühl....
Alles ist erfunden: Der Name der Busgesellschaft, die die Touristengruppe angeblich über die Weinstraße karrt, die Hotels, in denen die Gäste übernachten....

Kiew, Botschaft, Juli 2001
Die Visastelle ist der Nachfrage nicht mehr gewachsen. Die Zahl der Anträge hat sich binnen eines Jahres nahezu verdoppelt, die Ablehnungsquote ist auf o,89 Prozent gesunken. Weil nur zwei neue Dienststellen hinzugekommen sind, muss jeder Beamte bald 3000 Anträge pro Monat entscheiden. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit liegt bei zwei bis drei Minuten.
Rund um die Botschaft hat sich eine florierende Dienstleistungswirtschaft etabliert. Es gibt eine Gepäckaufbewahrung, zahlreiche Buden mit Lebensmitteln und Reisebedarf, Toilettenhäuschen auf dem Gehweg. Die Straßen sind mit Bussen und Autos zugestellt, die auf Kundschaft warten und die sie nach Erhalt des Visums direkt nach Deutschland bringen können. Die Haltestelle der Buslinie Kiew-Frankfurt, die die Deutsche Touring GmbH betreibt, liegt gleich vor der Tür. Im Fahrplan ist die Haltestelle als „Dt. Botschaft" ausgewiesen.

Düsseldorf, November 2001
Das Innenministerium in Nordrhein-Westfalen erhält einen Report der Bezirksregierung Köln über den „Arbeitsstrich" in der Domstadt und dem benachbarten Erftkreis. Die dort Aufgegriffenen seien zumeist Ukrainer, die vor Monaten mit einem Touristenvisum eingereist seien und nun ihre Arbeitskraft für drei Euro pro Stunde anböten. Die Leute seien oft so mittellos, dass sie in einem „unübersichtlichen Waldgebiet in Erdlöchern hausen".

Berlin, Weihnachten 2001
Seit Ende September lebt Irina in einer Wohnung in Berlin-Steglitz, grauer Mietsbau, zweite Etage. Sie teilt sich das Zimmer mit drei anderen Frauen. Im Raum nebenan lebt Rafal, der Aufpasser.... Irina ist klein und dünn und hustet viel. Sie ist Ende August nach Deutschland gekommen. Ein Bekannter hatte ihr einen Job als Haushaltshilfe versprochen, sie waren zusammen in ein Reisebüro gegangen.... Inzwischen schuldet sie den Leuten, die sie in die Bundesrepublik verfrachteten, 5500 Euro. Zu den Kosten für die Schleusung kommen Miete, Verpflegung, die Fahrten zu den Freiern, Kondome.
Wenn sie schwanger oder ernsthaft krank werden sollte, komme sie in einen Sack und dann in den Fluss, hat man ihr gesagt. Gehen darf sie erst, wenn die Schulden abgearbeitet sind. Sie weiß nicht, wann das sein wird, weil ihre Peiniger die Buchführung machen.

Berlin, Auswärtiges Amt, Januar 2002
Am 29. Januar geht ein neuer Runderlass zum Visumrecht an alle deutschen Auslandsvertretungen. In dem Schreiben mit dem Aktenzeichen 508-516.20 SB 2 verfügt das Ministerium, dass Reiseschutzversicherungen künftig auch im Ausland direkt verkauft werden dürfen. Die neue Regelung bedeutet für den Geschäftsmann Kühler den Durchbruch. Um Missbrauch zu erschweren, war ihm nur der Vertrieb über deutsche Reiseagenturen erlaubt gewesen.
Nun kann er seine Pässe gleich vor der Botschaft anbieten lassen.

Kiew, Botschaft, Februar und März 21
Schon eine Woche nach Inkrafttreten neuen Erlasses spitzt sich die Situation vor der Vertretung dramatisch zu. Auf der Slatoustiwska-Straße haben fliegende Händler ihre Stände errichtet, die das begehrte Reisedokument für bis zu 1000 Dollar anbieten.
Das Terminvergabesystem ist zusammengebrochen. Plätze in der Warteschlange werden für 50 Dollar angeboten, lokale Schlägertrupps übernehmen die Regie. Wer sich die Drückerpreise nicht leisten kann, campiert nachts vor dem Zaun, der die Botschaft umschließt, um seinen Platz in der Schlange zu halten.
Weil die beiden deutschen Anbieter der Reiseschutzversicherung mit Drucken nicht nachkommen, kursieren Kopien von Blankopässen. Die Prüfung der Reisegründe wird endgültig zur Farce.
„Besichtigung des Kölner Doms" ist die Antwort, die die Mitarbeiter jetzt hundertfach hören, wenn sie nachfragen. Die Antragsteller machen sich nicht mal mehr die Mühe, eine glaubhafte Legende zu er finden.
In den folgenden Wochen sendet die Botschaft eine Reihe von Drahtberichten um ihre Lage anschaulich zu machen.
Es sind verzweifelte Hilferufe.
Am 8. Februar meldet die Visastellen-Leiterin Hoppmann nach Berlin, dass die Botschaft von Antragstellern geradezu überschwemmt werde. Von einem „Kollaps" ist die Rede und davon, dass der Anteil von „schwarzen Schafen" jedes bislang bekannte Maß übersteige. Hoppmann bittet um Erlaubnis, zusätzliche Dokumente bei der Antragsprüfung heranziehen zu dürfen...
Die Antwort braucht fast drei Wochen.
Hoppmann wird darauf hingewiesen, dass ihre Bedenken „nicht durch entsprechende Statistiken gestützt" seien. Kein Grund also zu einer Verfahrensänderung. Das war's. Es folgen Namenszug und Paraphe.
Am 4. März schaltet sich der Botschafter persönlich ein. „Zustände vor den Toren der Visastelle der Botschaft Kiew drohen angesichts des täglichen Ansturms von bis zu 2000 Antragstellern zu eskalieren", meldet Dietmar Stüdemann nach Berlin. Er spricht von „mafiosen Strukturen", die sich herausgebildet haben, und appelliert eindringlich, die Zahl der Reiseschutzpässe zu limitieren.
Diesmal kommt die Antwort einen Tag später: Der Bitte könne leider nicht entsprochen werden....