NDR, Sonntag, 2. August 2009
Vor genau einer Woche waren wir unterwegs nach Jerusalem, der heiligsten Stadt der Juden. Hier stand vor rund 2.000 Jahren der jüdische Tempel.
In der jüdischen Hauptstadt dürfen Juden überall wohnen, sagt die Regierung.
Während der US-Nahostsondergesandte George Mitchell mit der Regierung in Jerusalem über einen Siedlungsbaustopp verhandelt, werden gleichzeitig Fakten geschaffen, wie zum Beispiel in Sheikh Jarrah, einem arabischen Stadtviertel.
Mitglieder einer radikalen jüdischen Organisation ziehen in ein leerstehendes Haus ein. Es hatte angeblich früher einen jüdischen Besitzer. Doch die arabischen Nachbarn protestieren, halten die Besetzung für illegal.
Die israelische Polizei schützt die Siedler, die eine Gerichtsgenehmigung vorweisen können. Ausländische Aktivisten beteiligen sich an den Protesten, sie werden fortgeschleppt, einige werden verhaftet.
"Die behaupten, dass sie hier leben dürfen, dass das Haus gekauft und in ihrem Besitz sei. Aber das ist Betrug, das ist nicht geklärt", klagt Mahmud El Saa’u. "Das Land gehört auf alle Fälle dem WAKF, der islamisch-religiösen Vereinigung."
Mahmud führt uns mit seiner Familie zu seinem Haus um die Ecke. Auch er hat eine Räumungsklage am Hals. Sein Haus war angeblich ebenfalls vor 1948 in jüdischem Besitz.
In Sheikh Jarrah sind mehr als 27 Familien vom gleichen Schicksal bedroht. "Sie sagen, sie hätten das Haus von einer Frau namens Dvora Green gekauft. Ich glaube nicht, dass eine Dvora Green je existiert hat. Sie haben die Dokumente gefälscht." "Die Juden wollen nicht nur unser Haus, sondern nach und nach jedes einzelne Haus. Sie fressen sich durch Jerusalem wie Motten, die Juden sind wie Motten", fürchtet Mahmuds Frau.
Was die Siedlerorganisationen machen: Sie bieten den arabischen Bewohnern Millionen an, damit sie ausziehen. Nur einige wenige nehmen das Geld an und gehen.
"Wir sterben lieber als dass wir hier weggehen", sagt Mahmuds Schwägerin Nura. "Heute haben sie Leute aus dem Haus gezerrt, sie geschlagen. Auch ich bekam etwas ab. Aber wir werden nie weggehen. Sie können uns erschießen, sie können uns töten, wir gehen nicht."
Der Siedlungsbau geht unbeirrt weiter
Zwei Tage später: Die europäischen Staaten fordern Israel erneut auf, den Siedlungsbau einzustellen. George Mitchell hat in Jerusalem bislang nichts erreicht.
Wir sind unterwegs zu einem sogenannten illegalen Außenposten im Westjordanland. Wir begleiten drei Siedler, die einen Wassercontainer zu einem Außenposten bringen wollen - das aber ist von der Armee verboten.
"Nur in Judäa und Samaria ist das verboten. Die Araber dürfen. Aber wenn Juden Wasser auf einen Berg bringen wollen, geht das nicht", erklärt der Siedler Tuvia Lerner.
Frage: Welcher Unterschied besteht denn zwischen dem Außenposten dort und dem da hinten, wo es Wassercontainer gibt?
"Das Datum der Gründung. Alles, was vor März 2001 gebaut wurde, ist anerkannt."
Wir fahren nach oben. Was Tuvia meint: In der sogenannten Roadmap zum Frieden hat sich Israel vor sechs Jahren dazu verpflichtet, alle Siedlungen, die nach März 2001 errichtet wurden, sofort abzureißen. Doch bislang geschah nichts.
Dieser Außenposten - er besteht aus zwei Hütten - existiert immer noch. Auch wenn die Armee ab und zu vorbeikommt und alles niederreißt. Kaum ist sie weg, wird alles wieder aufgebaut. Ein 14-jähriger Junge bewacht das Ganze.
Die israelische Regierung spielt ein doppeltes Spiel. Die Errichtung von Außenposten ist verboten und doch werden sie stillschweigend geduldet. Die Siedler interessieren sich nicht für internationale Gesetze. Sie leben nach dem Religionsgesetz, leben in einer anderen Welt. [...]
Ministerpräsident Netanjahu hat angeordnet, den Bau von 900 Wohnungen in Ostjerusalem zu stoppen. Doch das wird die Siedler nicht aufhalten, ein neues jüdisches Reich aufbauen zu wollen. Nur am Wochenende halten sie inne, da ist Shabbat, der jüdische Ruhetag