Sie gilt als großer Erfolg im Kampf gegen die Wirtschaftskrise: Die Kurzarbeit. Nun steigt die Zahl der Betrugsfälle rasant an. Der Verdacht: Unternehmer zwingen ihre Mitarbeiter, trotz Antrag voll weiterzuarbeiten.
Abgeriegeltes Firmengelände
Es ist eine kleine Armee. Als sich der letzte Angestellte an der Stechuhr eingestempelt hat, fahren sie vor.
Unter der Federführung der Staatsanwaltschaft riegeln Beamte vom Hauptzollamt Ulm mithilfe der Bundespolizei das Firmengelände hermetisch ab. Kein Entkommen.
Unterlagen beschlagnahmt
Sie kontrollieren die 200 Mitarbeiter, vernehmen einige von ihnen noch vor Ort und beschlagnahmen nach sechsstündiger Razzia kistenweise Unterlagen. Dokumente über Arbeitszeitkonten, Auftragseingänge, Abrechnungen. Keine 50 Kilometer entfernt wiederholt sich zeitgleich das Szenario. Dort hat der Mittelständler ein weiteres Werk.
Verdacht des Betrugs
Der Verdacht wiegt schwer: Das Unternehmen hat Kurzarbeit angemeldet - wie seit Oktober 2008 bundesweit 109.500 Betriebe mit 3,07 Millionen Betroffenen. Obwohl der Staat einen Teil der Lohnkosten zahlt, soll der Geschäftsführer seine Angestellten zur Vollzeit verdonnert haben. Ehemalige Mitarbeiter haben Anzeige erstattet.
Manipulierte Arbeitszeiterfassung
Zur Vertuschung soll die Arbeitszeiterfassung manipuliert worden sein. Der Chef habe seine Angestellten angehalten, nach der Hälfte der regulären Arbeitszeit auszustempeln - aber dennoch weiterzuarbeiten.
Wenig Kontrolle
Alarmierender Anstieg an Missbrauchsfällen
"Es wird mehr getrickst als früher"
Immer skurrilere Anträge
Eishockeyspieler sollten auf Kurzarbeit gesetzt werden
Auch die Zentrale der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg hat etliche solcher Fälle parat. Kurios der Fall des Eishockeyklubs Kölner Haie, der seine Spieler auf Kurzarbeit setzen möchte und sich das Geld von der BA holen will. Die Begründung: Die Profis haben die Play-off-Runde nicht erreicht. Oder der Betreiber eines Golfplatzes, der wegen schlechten Wetters Kurzarbeit beantragt.
Berlin ist Kurzarbeit-Schlusslicht
Mit einer Quote von rund 1,77 Prozent gehört Berlin zu den Kurzarbeit-Schlusslichtern im Land.
Strikte Überprüfung unmöglich
Betrug und Nötigung
Kurzarbeit als letzte Rettung
Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts muss ein Arbeitnehmer in der Regel erst versuchen, innerbetrieblich eine Klärung herbeizuführen. Manch Arbeitgeber nimmt die Risiken in Kauf. Das Kurzarbeitergeld ist angesichts der desaströsen konjunkturellen Schieflage die einzig verfügbare Finanzspritze.