Zitat von
Kalmit
Bundespräsident Horst Köhler hat für seine Rede vor dem Arbeitgeberforum viel Lob erhalten. Er preist den freien Markt als ultimative Lösung für die wirtschaftlichen Probleme - die Unternehmer dankten es ihm mit stehenden Ovationen; auch in den Medien wird die Rede größtenteils positiv aufgenommen. Aber alleine die Tatsache, dass der Bundespräsident seine Rede ausschließlich vor Arbeitgebervertretern hält, lässt deutlich werden, wie eng die Wirtschaft inzwischen die Politik im Land umschlungen hat. Die Debatte um die Nebeneinkünfte hat gezeigt, auf welche Art und Weise die Wirtschaft versucht, auf politische Entscheidungen Einfluss zu nehmen. In seiner einseitig wirschaftsliberalen Rede taucht auch keine Kritik an Unternehmen wie der Deutschen Bank oder Siemens auf - die trotz enormer Rekordgewinne Arbeitsplätze in Deutschland vernichten. Und gerade diesen Unternehmen will jetzt die rot-grüne Regierung auch noch die Körperschaftssteuer senken. Man unterlässt dabei aber wieder einmal eine gesetzliche Verpflichtung, dieses Geld dann auch im Inland zu investieren!
In der wirtschaftspolitischen Debatte in Deutschland werden - trotz großer Gewinne der Unternehmen und Deutschlands Titel als "Exportweltmeister" - ausnahmslos ungemindert angebotsorientierte Methoden propagiert (z. B. Steuersenkungen für Unternehmen, längere Arbeitszeiten, Senkung von Löhnen und Lohnnebenkosten, Deregulierung, Abschaffung des Kündigungsschutzes, Zumutbarkeitsregelungen bei der Arbeitssuche usw.) - und alle anderen Methoden, die auf Erhalt des Sozialstaats setzen und eine nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik bedeuten würden, werden systematisch zerredet.
Gewerkschaften und SPD-Mitglieder, die die Rede von Horst Köhler zurecht inhaltlich als Ansammlung wirtschaftsliberaler Glaubenssätze kritisierten, wurden z. B. in Deutschlands auflagenstärkster Boulevardzeitung und in einigen weiteren Kommentaren sofort als "Reformbremser", "Bedenkenträger" und "Blockierer" gebrandmarkt. Und auch in alltäglichen politischen Fernsehtalkshows wird über alle Parteigrenzen hinweg nur darüber diskutiert, wie man es angesichts der überdramatisierten "Globalisierung" den Unternehmen in Deutschland denn noch angenehmer machen könnte - in der stillen Hoffnung, dass diese mit den Steuergeschenken nicht doch nur weiter Ihre Gewinne maximieren...
Den meisten bleibt doch nichts anderes übrig - Arbeitsplätze entstehen nur durch erhöhten Konsum! Dass man das Hauptproblem der wirtschaftlichen Krise in Deutschland - die schwache Binnennachfrage - in der gesamten Diskussion völlig außen vor lässt, ist den neoliberalen Meinungsführern nur Recht. Der Bürger wurde in den letzten Jahren immens belastet - sinkende Reallöhne, Praxisgebühr, Medikamentenzuzahlungen, Ausgliederung von Kassenleistungen, private Altersvorsorge, Ökosteuer, erhöhte Strompreise, steigende Gebühren usw. - Geld, dass nicht in den Konsum fließt; nicht an den Einzelhandel, nicht an den kleinen Handwerker usw. Auch Großunternehmen, die Menschen hier in die Arbeitslosigkeit entlassen (um diese ins Ausland zu verlagern) und soziale Abstiegsängste durch Arbeitsplatzverlust und Hartz IV tragen zur weiteren Eintrübung der Binnennachfrage bei. Etwas dagegen zu tun, hält offensichtlich momentan keine der etablierten Parteien für notwendig. Und die Arbeitslosenzahlen steigen und steigen...