Kowaljow: Rote Armee war ein Heer von Vergewaltigern
18 09 2009
Moskau – “Im zweiten Weltkrieg hat die rote Armee niemanden befreit. Stalins Sowjetunion war gleichberechtigter Partner Nazi-Deutschlands im Rahmen der Einleitung des Zweiten Weltkriegs. Die Sowjetunion war einer der Initiatoren des Zweiten Weltkriegs. Und es gab nur zwei davon. Weder Polen, noch England oder Frankreich gehörten dazu” – schockierte am Donnerstag auf einer Podiumsdiskussion in Moskau, anläßlich des 70. Jahrestages vom Ausbruch des zweiten Weltkrieges, der bekannte russische Politiker, Menschenrechtler und Dissident Sergej Kowaljow, einen großen Teil der anwesenden Gäste. Der mutige Menschenrechtler verwies mit diesen und ähnlichen entwaffnenden Sätzen auf die laufenden Propaganda-Kampagne in Russland,
...welche dazu diene den ausländischen Klagen bezüglich der Mitverantwortung der Sowjetunion für den Ausbruch des 2. Weltkrieges, den Boden zu entziehen. Kowaljow bekräftigte seine Überzeugung, dass die Wahl zwischen einer Allianz mit Großbritannien und Frankreich oder einem Bündnis mit Adolf Hitler, von Stalin in gemeinem Pragmatismus entschieden wurde – wer brachte ihm mehr.
“Stalin war ein Pragmatiker. Er war nicht wie Leo Trotzki voll der Illusion, dass eine Weltrevolution möglich sei. Er verstand, dass das Leben viel komplizierter ist. Er dachte daran die Welt zu regieren. Allerdings dachte er als Pragmatiker. Elender Pragmatiker” – holte Kowaljow aus und fügte hinzu, dass die rote Armee im zweiten Weltkrieg niemanden befreit habe. “Ich kenne kein Land das von den Sowjets befreit wurde. Welche Länder sie erobert hatten wissen wir, halb Europa, Millionen von Menschen, aber wer befreit wurde weiß man nicht. Ich möchte die Aufmerksamkeit auf den Preis dieser Siege ziehen und die sowjetische Militärdoktrin war dahingehend sehr einfach – zusammen mit den Leichen der Feinde ertrank man in ihrem Blut. Eine Wahrheit der Geschichte ist auch in der Tatsache zu finden, dass die rote Armee sofort nach dem überqueren der sowjetischen Grenze sich in eine Horde von Eindringlingen verwandelte. Aber nicht nur eine Horde von Eindringlingen, sondern auch eine Horde von Plünderern, und Vergewaltigern. Dies war die abartige Kunst sowjetischer Kriegsführung” – sagte der Menschenrechtler.
Sergej Kowaljow liess aber in diesem Zusammenhang nicht unerwahnt, dass die Sowjetunion in diesem Krieg gewaltige Opfer erbracht habe und ihr den anschliessenden Sieg niemand streitig machen könne. Die Schuld an den sowjetischen Verbrechen sieht der Duma Abgeordnete auch korrekterweise nicht nur bei Stalin: “Die historische, moralische und politische Schuld an den sowjetischen Verbrechen hatte aber nicht nur Stalin zu tragen, als Alleinschuld einer einzelnen Person, sondern die ganze Nation. Sie liegt auf den Schultern von uns allen. Ja, auch wenn wir nicht frei in unseren Entscheidungen waren. Wir lebten in Angst und man hat uns betrogen. Aber niemand zwingt uns, dass wir diese hässlichen, brutalen und gemeinen Lügen glauben müssen” – betonte der legendären Dissident. Zum Abschluss seines Vortrages sagte Kowaljow, im Wissen um die Brisanz seiner Aussage in einem Lande wo man auch heute noch schnell in einem Gefängnis verschwindet: “Ich bin der Strenge meiner Worte bewusst, aber ich kann mir nicht helfen – das ist unsere Geschichte”.
Sergei Adamowitsch Kowaljow, geb am 2. März 1930 in Seredina-Buda, Oblast Sumy, Ukraine) war sowjetischer Dissident und ist heute russischer Politiker. Von 1990 bis 2003 war er Parlamentsabgeordneter und von 1993 bis 1995 Vorsitzender der Menschenrechtskommission im Kabinett des russischen Präsidenten.