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Thema: Herbstgedichte

  1. #1
    in memoriam Benutzerbild von Zimbelstern
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    Standard Herbstgedichte

    Sinn einer losen Sammlung, die sich in anderen Strängen auch dem Winter, dem Frühjahr und dem Sommer widmen soll, ist die Einstellung Eurer Lieblingsgedichte bezogen auf die Jahreszeiten.

    Um zu beginnen:

    Zwei Gedichte von Rilke:


    Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
    Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
    und auf den Fluren laß die Winde los.

    Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
    gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,
    dränge sie zur Vollendung hin und jage
    die letzte Süße in den schweren Wein.

    Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
    Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
    wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
    und wird in den Alleen hin und her
    unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.
    und


    Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
    als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
    sie fallen mit verneinender Gebärde.

    Und in den Nächten fällt die schwere Erde
    aus allen Sternen in die Einsamkeit.

    Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
    Und sieh dir andre an: es ist in allen.

    Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
    unendlich sanft in seinen Händen hält.

    Überschrieben ist das erste Gedicht mit "Herbsttag", das zweite mit "Herbst".
    sapere aude!

    Die "EU" steht nicht für Europa!
    Die "UN" steht nicht für die Welt!

  2. #2
    don't mess with the Pig Benutzerbild von Peaches
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    Standard AW: Herbstgedichte

    Schöne Idee.

    Ich mochte immer Keats Ode an den Herbst:

    Season of mists and mellow fruitfulness,
    Close bosom-friend of the maturing sun;
    Conspiring with him how to load and bless
    With fruit the vines that round the thatch-eves run;
    To bend with apples the moss'd cottage-trees,
    And fill all fruit with ripeness to the core;
    To swell the gourd, and plump the hazel shells
    With a sweet kernel; to set budding more,
    And still more, later flowers for the bees,
    Until they think warm days will never cease,
    For Summer has o'er-brimm'd their clammy cells.
    (...)


    [Links nur für registrierte Nutzer] auch vollständig.

    Tut mir leid, ich hab keine deutsche Übersetzung auf die schnelle gefunden, die mich ansprach.
    don't blame the pig!

  3. #3
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    Standard AW: Herbstgedichte

    Zu Ende geht der Herbst


    Verdrossnen Sinn im kalten Herzen hegend,
    Reis ich verdrießlich durch die kalte Welt,
    Zu Ende geht der Herbst, ein Nebel hält
    Feuchteingehüllt die abgestorbne Gegend.
    Die Winde pfeifen, hin und her bewegend
    Das rote Laub, das von den Bäumen fällt,
    Es seufzt der Wald, es dampft das kahle Feld,
    Nun kommt das Schlimmste noch, es regent.




    Heinrich Heine




  4. #4
    in memoriam Benutzerbild von Zimbelstern
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    Standard AW: Herbstgedichte

    Ich lege mal mit Matthias Claudius nach, mit einem Gedicht, das ich dem Herbst zuordne:


    Der Mond ist aufgegangen,
    Die goldnen Sternlein prangen
    Am Himmel hell und klar;
    Der Wald steht schwarz und schweiget,
    Und aus den Wiesen steiget
    Der weiße Nebel wunderbar.

    Wie ist die Welt so stille,
    Und in der Dämmrung Hülle
    So traulich und so hold!
    Als eine stille Kammer,
    Wo ihr des Tages Jammer
    Verschlafen und vergessen sollt.

    Seht ihr den Mond dort stehen?
    Er ist nur halb zu sehen,
    Und ist doch rund und schön!
    So sind wohl manche Sachen,
    Die wir getrost belachen,
    Weil unsre Augen sie nicht sehn.

    Wir stolze Menschenkinder
    Sind eitel arme Sünder
    Und wissen gar nicht viel;
    Wir spinnen Luftgespinste
    Und suchen viele Künste
    Und kommen weiter von dem Ziel.

    Gott, laß uns dein Heil schauen,
    Auf nichts Vergänglichs trauen,
    Nicht Eitelkeit uns freun!
    Laß uns einfältig werden
    Und vor dir hier auf Erden
    Wie Kinder fromm und fröhlich sein!

    Wollst endlich sonder Grämen
    Aus dieser Welt uns nehmen
    Durch einen sanften Tod!
    Und, wenn du uns genommen,
    Laß uns in Himmel kommen,
    Du unser Herr und unser Gott!

    So legt euch denn, ihr Brüder,
    In Gottes Namen nieder;
    Kalt ist der Abendhauch.
    Verschon uns, Gott! mit Strafen,
    Und laß uns ruhig schlafen!
    Und unsern kranken Nachbar auch!
    sapere aude!

    Die "EU" steht nicht für Europa!
    Die "UN" steht nicht für die Welt!

  5. #5
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    Standard AW: Herbstgedichte

    Aus dem Nachlass von Heinrich Heine

    Ach, alles, was hold und lieblich,
    Verwelkt und sinkt ins Grab.
    Die Gipfel des Waldes umflimmert
    Ein schmerzlicher Sonnenschein;
    Das mögen die letzten Küsse
    Des scheidenden Sommers sein.
    Mir ist, als müsst ich weinen
    Aus tiefstem Herzensgrund;
    Dies Bild erinnert mich wieder
    An unsre Abschiedsstund’.
    Ich musste von dir scheiden,
    Und wusste, du stürbest bald;
    Ich war der scheidende Sommer,
    Du warst der kranke Wald.


  6. #6
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    Standard AW: Herbstgedichte

    Die Raben

    Über den schwarzen Winkel hasten
    Am Mittag die Raben mit hartem Schrei.
    Ihr Schatten streift an der Hirschkuh vorbei
    Und manchmal sieht man sie mürrisch rasten.
    O wie sie die braune Stille stören,
    In der ein Acker sich verzückt,
    Wie ein Weib, das schwere Ahnung berückt,
    Und manchmal kann man sie keifen hören
    Um ein Aas, das sie irgendwo wittern,
    Und plötzlich richten nach Nord sie den Flug
    Und schwinden wie ein Leichenzug
    In Lüften, die von Wollust zittern.


    Georg Trakl
    (1887 - 1914)

  7. #7
    in memoriam Benutzerbild von Zimbelstern
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    Standard AW: Herbstgedichte

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    ---


    Hebbel:


    Spaziergang am Herbstabend

    Wenn ich abends einsam gehe
    Und die Blätter fallen sehe,
    Finsternisse niederwallen,
    Ferne, fromme Glocken hallen:

    Ach, wie viele sanfte Bilder,
    Immer inniger und milder,
    Schatten längst vergangner Zeiten,
    Seh ich dann vorübergleiten.

    Was ich in den fernsten Stunden,
    Oft nur halb bewusst, empfunden,
    Dämmert auf in Seel' und Sinnen,
    Mich noch einmal zu umspinnen.

    Und im inneren Zerfließen
    Mein ich's wieder zu genießen,
    Was mich vormals glücklich machte,
    Oder mir Vergessen brachte.

    Doch, dann frag ich mich mit Beben:
    Ist so ganz verarmt dein Leben?
    Was du jetzt ersehnst mit Schmerzen,
    Sprich, was war es einst dem Herzen?

    Völlig dunkel ist's geworden,
    Schärfer bläst der Wind aus Norden,
    Und dies Blatt, dies kalt benetzte,
    Ist vielleicht vom Baum das letzte.

    sapere aude!

    Die "EU" steht nicht für Europa!
    Die "UN" steht nicht für die Welt!

  8. #8
    Mitglied
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    Standard AW: Herbstgedichte

    Letzte Hoffnung
    Wilhelm Müller

    Hie und da ist an den Bäumen
    Manches bunte Blatt zu seh'n,
    Und ich bleibe vor den Bäumen
    Oftmals in Gedanken steh'n.

    Schaue nach dem einen Blatte,
    Hänge meine Hoffnung dran;
    Spielt der Wind mit meinem Blatte,
    Zittr' ich, was ich zittern kann.

    Ach, und fällt das Blatt zu Boden,
    Fällt mit ihm die Hoffnung ab;
    Fall' ich selber mit zu Boden,
    Wein' auf meiner Hoffnung Grab.

  9. #9
    Ouzo-Cola Benutzerbild von Skaramanga
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    Standard AW: Herbstgedichte

    Frosches Herbst

    Dem Frosch ist kalt
    Drum stirbt er halt.

  10. #10
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    Standard AW: Herbstgedichte

    Zitat Zitat von Skaramanga Beitrag anzeigen
    Frosches Herbst

    Dem Frosch ist kalt
    Drum stirbt er halt.
    Der Frosch hält Winterschlaf.
    Von Sterben keine Rede.

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