Zitat von
NITUP
Ihr geht von einem vollkommen falschen Ansatzpunkt aus und bestätigt indirekt das Problem, um das es eigentlich geht. Der gute Mann hat sich doch nicht ob der Angst umgebracht, irgendwann seine Familie nicht mehr ernähren zu können. Geht Ihr tatsächlich davon aus, dass sich immer nur alles ums Geldverdienen dreht? Das ist doch gerade der Kern des Problems, dass alles immer nur auf das rein materialistische reduziert wird, anstatt zu erkennen, dass es um den Menschen als solches geht. Unterstellt Ihr jedem Profi-Sportler, nur des schnöden Mammons wegen in die Arena zu ziehen, oder könnte es nicht vielleicht doch sein, dass auch der Idealismus für die Sache Pate stand und steht, den Sport zum Beruf zu machen? Ich will gar nicht verhehlen, dass mir der Profisport höchst unsympathisch und vor allem zweifelhaft erscheint. Aber es gibt ihn nunmal, und der Tod dieses Fußballers steht auf erschreckende Art und Weise Exemplarisch für das Grundübel unserer Gesellschaft und unserer Zeit: Der Mensch darf sich nur noch über seine Leistungsfähigkeit definieren; nicht über seine Persönlichkeit, seine Stärken und(!) Schwächen. Und solange er funktioniert, empfängt er die Liebe des Publikums. Versagt er, dann fällt er ins Loch der medialen Bedeutungslosigkeit, nicht ohne ihn vorher genau dort hinzuschreiben.
Im aktuellen Fall hat jemand diesem Druck nicht mehr standgehalten, und die mediale Anteilnahme erscheint mir persönlich ziemlich heuchlerisch. Vorher hat sich niemand für die Probleme des R.E. interessiert, geschweige dass irgendwer auch nur erkannt hat, dass dort ein Mensch am ungeheuren Leistungsdruck -der übrigens nicht nur auf das Sportliche beschränkt ist- zugrunde ging.
Die meisten Profisportler, besonders im Fußball ist das der Fall, bedienen die Maschinerie der oberflächlichen Zurschaustellung bestens und werden so zum Teil des Problems. Und was die sogenannten Fans angeht, so sollte ein jeder von ihnen selbst mal darüber nachdenken, wie man mit der Erfolgslosigkeit so mancher Protagonisten in der Vergangenheit umging. Der Liebesentzug gerade gegenübern prominenten Fußballern ist ja keine Seltenheit, sondern eher die Regel.
Die Trauerfeier heute hatte schon ein gewisses Geschmäckle; nicht dass ich die Anteilnahme nicht nachvollziehbar fände. Im Gegenteil, in den Trauerreden kam der Kern des Problems klar zum Ausdruck, und wahrscheinlich jeder der anwesenden Fans wird im innersten nachvollziehen können, welche Ängste R.E. durchstehen musste, bis er an ihnen zerbrach. Wahrscheinlich jeder steht unter ähnlichem Leistungsdruck bzw. hat selbst am Leib erfahren müssen, wie man sich fühlt, wenn man ausschließlich nur auf seine eigene Verwertbarkeit reduziert wird. Unsere Gesellschaft basiert leider nur noch auf diesen Prinzipien.
Es wäre in der Tat zu begrüßen, wenn diese Tragödie ein Anlass für eine breite gesellschaftliche Debatte wäre, in deren Ergebnis die Erkenntnis sich Bahn bräche, dass der Wert eines Menschen weder am Kontostand noch an seiner Leistungsfähigkeit zu bemessen ist. Es gibt auch ein Leben außerhalb des Materialismus. Aber es ist zu befürchten, dass schon in ein paar Wochen niemand mehr darüber sprechen wird, denn die Schau muss ja weitergehen.