Pius XII. wollte Hitler stürzen!
[Links nur für registrierte Nutzer]
"Nicht einmal ein halbes Jahr nach dem misslungenen Stauffenberg-Attentat und dem Scheitern der „Operation Walküre“ erfuhr Adolf Hitler die ganze Wahrheit über die Verschwörer des 20. Juli 1944. Er entnahm sie einem Bericht, den SS-Obergruppenführer Ernst Kaltenbrunner, Chef des Sicherheitsdienstes (SD), am 29. November 1944 verfasst hatte. Der Report umfasste 27 Schreibmaschinenseiten und enthielt alles, was die rund 400 SD- und Gestapo-Leute, die mit den Ermittlungen gegen die Verschwörer befasst waren, über die Auslandskontakte der Hitlergegner herausgefunden hatten. Der Widerstand, so konnte Hitler darin lesen, war schon aktiv geworden, als er, allem Völkerrecht zuwider, 1938 im Sudetenland einmarschiert war. Generaloberst Ludwig Beck trat daraufhin als Generalstabschef des Heeres zurück, als der „Führer“ weiter zum Krieg und zur „Zerschlagung der Resttschechei“ drängte. Er hätte sich einen geschlossenen Rücktritt der Generalität gewünscht. Stattdessen planten Generalmajor Hans Oster und Admiral Wilhelm Canaris, Leiter des Abwehramtes, einen Umsturz. Doch als England und Frankreich den deutschen Ansprüchen nachgaben und das Münchener Abkommen unterzeichneten, legten sie den Plan vorerst auf Eis. Statt der erwarteten Zuspitzung der Lage war es zu einer innenpolitischen Stärkung Hitlers gekommen. Erst die Kriegserklärung der Westmächte nach Hitlers Überfall auf Polen erschien ihnen als nächste Gelegenheit, einen Regimewechsel vorzubereiten. Doch dazu galt es, auf möglichst dezente Weise mit den Kriegsgegnern in Kontakt zu treten. So kam es zu einer Konstellation, die einmalig in der Geschichte war. Wie es im Kaltenbrunner-Bericht heißt: „Canaris und Oster unterhielten Verbindungen zum Papst durch den in der Abwehr eingebauten früheren Münchener Rechtsanwalt Dr. Joseph Müller. Müller war durch Vermittlung eines Domkapitulars Neuhäusler aus München bei dem damaligen Kardinalstaatssekretär Pacelli eingeführt und von diesem in der Krypta von St. Peter getraut worden. Er hatte, wie er sagt, hierdurch in vatikanischen Kreisen ein gewisses Ansehen erlangt, da dieser Vorgang eine ziemliche Ausnahme darstellte. Müller war dann mit Pacelli durch mehrfaches Zusammentreffen in ein gewisses persönliches Verhältnis gekommen, das auch zu politischen Gesprächen geführt hatte. Pacelli hat sich ihm gegenüber immer besonders zugänglich gezeigt. Müller nahm dann, insbesondere während des Krieges, und zwar bereits im Herbst 1939, eine enge Verbindung zum Jesuitenpater Leiber, dem Privatsekretär des Papstes auf. Von Leiber erhielt er eine Reihe von Informationen über die Einstellung des Papstes und der Feindmächte. Er führte mit ihm auch Gespräche über eventuelle Friedensmöglichkeiten, wobei ihm Leiber zu verstehen gab, dass die Voraussetzung für einen Friedensschluss ein Regimewechsel in Deutschland sei. (Hervorhebung im Original). Über Leiber hatte Müller Verbindungen zu englischen und amerikanischen Kreisen, insbesondere über den Amerikaner Taylor, der 1939 dem Vatikan einen Besuch abstattete, über den amerikanischen Bischof im Vatikan, zu England über den englischen Gesandten im Vatikan Osborne, zu dem durch Mittelsleute eine Verbindung hergestellt wurde.“ Schließlich beteiligte sich Papst Pius XII. an einer Verschwörung, die das Ziel hatte, Hitler zu stürzen! Diese erstaunliche historische Tatsache ist bestens dokumentiert. Sie wurde durch niemand geringeren als Dr. Josef Müller selbst bestätigt, der nach dem 2. Weltkrieg zum Mitbegründer der CSU (Christlich-Sozialen Union) wurde. In Bayern war er zeitlebens als „der Ochsensepp“ bekannt. Der Sohn eines fränkischen Bauern hütete als Junge die Ochsen seines Vaters, bevor er nach München ging und sich in der Weimarer Republik zum Rechtsanwalt hocharbeitete. 1979 verstorben, hat er nicht nur seine Autobiografie („Bis zur letzten Konsequenz“, 1967) verfasst und dem US-Harvard-Historiker Harold Deutsch Material zu seinem Buch „Verschwörung gegen den Krieg“ (1969) geliefert. Er sagte auch unter Eid im Seligsprechungsprozess für Papst Pius XII. aus, dessen Akten ich bei den Recherchen für mein Buch „Der Papst und der Holocaust“ (2018) einsehen konnte. Der US-Historiker Mark Riebling recherchierte Müllers unglaubliche aber wahre Geschichte erneut für sein Buch „Die Spione des Papstes“ (2017). Dokumente aus dem Londoner Foreign Office und dem National Archive in Washington D.C. belegen jedes Detail seiner „römischen Gespräche“. Doch begonnen hatte alles mit einem anderen Münchener, Dr. Wilhelm Schmidhuber, dem Honorarkonsul Portugals. Er war gerade zu einer Reserveübung eingezogen, als die allgemeine Mobilmachung befohlen wurde. Der Konsul sollte als Lageoffizier bei General Sperrle in Nürnberg dienen. Doch dem jovialen Lebemann, der ebenso Kosmopolit wie gläubiger Katholik war, gefiel die Aussicht auf das Soldatenleben gar nicht. So ließ er seine Beziehungen spielen und meldete sich bei einem alten Freund, Oberstleutnant Teschemacher, dem Chef der Abwehrstelle München. Auch Teschemacher war Katholik und kein Freund des Nationalsozialismus. Schmidhuber bot ihm an, sein Konsulat als Verbindungsstelle für Nachrichtenübermittlung zu nutzen, womit er als Konsul unabkömmlich wäre. Teschemacher wollte nur wissen, ob Schmidhuber über Kontakte zum Vatikan verfüge. Der Konsul bejahte. Jetzt wurde er für die Abwehr interessant. Teschemacher schickte Schmidhuber nach Berlin in die Abwehrzentrale, zu Generalmajor Hans Oster, dem Personalchef und Freund von Canaris, der zugleich der Kopf der Verschwörergruppe war. Wieder nannte er Namen und Position seiner Kontaktleute im Vatikan. Ob der Konsul bereit wäre, im Auftrag der Abwehr nach Rom zu reisen, ließ er anfragen. Schmidhuber bejahte, bat aber um einen Begleiter, der seine eigenen Beziehungen vorzüglich ergänzen könnte. Dieser Mann war Dr. Joseph Müller. In NSDAP-Kreisen galt er als suspekt, hatte er doch als Rechtsanwalt katholische Klöster und Orden gegen die immer häufigeren Übergriffe der Nazis verteidigt. Für Canaris war er deshalb vertrauenswürdig. Er befahl, Müllers Papiere in Ordnung zu bringen, dann flogen die beiden Münchener nach Rom, offiziell um über defätistische Stimmungen in Italien zu berichten. Fortan trat Schmidhuber in den Hintergrund, übernahm der „Ochsensepp“ die Operation. Müller, selbst streng gläubiger Katholik, verfügte tatsächlich über gute Kontakte zur Kurie. Er hatte in den Grotten von St. Peter geheiratet, sein Trauzeuge war der deutsche Monsignore Schönhöffer, der fortan als Mittelsmann fungierte. Über ihn ließ er anfragen, wie der Vatikan zu einem Frieden mit Deutschland stünde, ehe der Krieg über Polen hinausgreift. Die Antwort lautete, jede Möglichkeit, den Krieg auf Verhandlungsbasis zu beenden, würde begrüßt. Bald kam Müller mit Msgr. Ludwig Kaas in Kontakt, dem früheren Vorsitzenden der „Zentrums“-Partei, der nach der Machtergreifung der Nazis nach Rom geflüchtet war. Er war ein persönlicher Freund des Papstes noch aus der Zeit, als dieser in Deutschland als Apostolischer Nuntius tätig gewesen war. Kaas wiederum stellte ihn Pater Leiber vor, dem ebenfalls deutschstämmigen Privatsekretär Pius XII. Pater Leiber offenbarte Müller zum ersten Mal, dass Männer aus dem Generalstab und der Abwehr einen Militärputsch gegen Hitler planten. Ihre Ziele waren die Rückkehr Deutschlands zur Rechtstaatlichkeit, eine Föderation, der auch Österreich angehören sollte, ein Rückzug aus Polen und der Tschechoslowakei. Chef der Übergangsregierung sollte Generaloberst Ludwig Beck werden. Die Verschwörer wussten, dass der Staatsstreich nicht gewaltlos ablaufen würde, ja das Risiko eines Bürgerkriegs bestand. Bevor sie losschlagen konnten, benötigten sie zumindest die Zusicherung Englands, dass die Westmächte die neue Regierung anerkennen, zum Frieden bereit seien und keinen Vorteil aus der Verwundbarkeit Deutschlands ziehen würden. Der Mann, der ihnen als der ideale Vermittler erschien, war der Papst. Generaloberst Beck vertraute ihm blind, seit er Pacelli als Nuntius in Berlin kennen gelernt hatte. Auch Admiral Canaris kannte ihn persönlich und hatte mit ihm während seiner Zeit als Nuntius immer wieder Reitausflüge unternommen Er sollte die Verbindung zu den Briten herstellen, die Garantien der Regierung Chamberlain besorgen. Als Pius XII. durch Pater Leiber über die Pläne unterrichtet wurde, erbat er sich eine Nacht Bedenkzeit, dann sagte er zu. Es war die riskanteste Entscheidung seines Pontifikats. Nicht nur der Vatikan-Historiker Robert Graham fragte ratlos: „Wie konnte der Papst bei einer solch gefährlichen Aktion mitmachen?“ Selbst für Pater Leiber war es unbegreiflich; seiner Meinung nach sei Pius XII. dabei „viel zu weit gegangen“. Tatsächlich wären die Folgen fürchterlich gewesen, hätte Hitler zu diesem Zeitpunkt von dem Plan der Verschwörer und der Beteiligung des Papstes erfahren. Das Konkordat wäre aufgekündigt, die katholische Hierarchie an die Wand gestellt worden. Gleichzeitig hätte Mussolini das Verhalten des Papstes als Bruch der in den Lateranverträgen vereinbarten Neutralität gewertet. Sogar mit einer Besetzung des Vatikans durch die Faschisten war zu rechnen. Doch Pius XII. setzte jetzt alles auf eine Karte, da er keinen anderen Weg zum Frieden mehr sah. Am 6. November 1939 wurde Müller mitgeteilt, der Papst sei bereit, „zu tun, was er konnte“. Es war seine eigene, eine einsame Entscheidung; nicht einmal das Staatssekretariat wurde in die Pläne eingeweiht. Drei Wochen später traf sich Kaas mit dem britischen Vatikanbotschafter Francis d´Arcy Osborne und weihte ihn in die Pläne ein. Am 12. Januar 1940 empfing ihn Pius XII. in Privataudienz. Vier Wochen später traf man sich heimlich, unter Umgehung des Protokolls. Die nächsten Wochen ging es zwischen Berlin, dem Vatikan und London hin und her. Der deutsche Widerstand wollte die Bedingungen erfahren, unter denen Großbritannien zu einem Frieden bereit wäre. Die Antwort war sehr präzise: wenn es gelänge, die Regierung Hitlers noch vor Beginn einer Westoffensive zu stürzen. Dazu sei man in der Lage, vorausgesetzt, dass die britischen Friedensbedingungen annehmbar sind, hieß es aus Berlin. Müller übermittelte die Bedingungen, der Widerstand fand sie akzeptabel. Doch nichts geschah. Weder kam es zum Staatsstreich noch zur Westoffensive..."