von Michael Harth und Antonio Negri
"In einem provokanten und anregenden Manifest analysieren Michael Hardt und Antonio Negri die Strukturen der neuen Weltordnung. Scharfsinnig sezieren sie die Herrschafts- und Machtverhältnisse des globalen Kapitalismus und zeigen zugleich den Weg zu dessen weltweiter Überwindung auf."
Rezeption, Begrifflichkeiten und Implikationen anhand von Pressestimmen:
Die Rezeptionsgeschichte
"«Empire» war ein Schläfer. So heisst im amerikanischen Verlagsjargon ein Buch, das lange in den Regalen liegt - und plötzlich die Bestsellerlisten stürmt. Nun, so zitiert Harvard University Press einen begeisterten Rezensenten, sei das Buch so populär, dass man in ganz New York kein Exemplar mehr auftreiben könne. Knapp ein Jahr nach seinem Erscheinen ist das umfangreiche Pamphlet von Michael Hardt, einem Literaturprofessor an der Duke University, und Antonio Negri, einem politischen Philosophen aus Italien, zur Pflichtlektüre nicht nur der amerikanischen Linken geworden."
(Jan-Werner Müller in der NZZ vom 10.11.2001)
Die Rückkehr der Geschichte
"Empire (...) ist im Jahre 2000 in Buchform erschienen (bei Harvard UP), stammt von Michael Hardt und Antonio Negri und ist schon jetzt einer der großen Theoriebestseller der letzten Jahre, obwohl die Autoren ganz offen an Marx und Lenin anknüpfen und in überschwänglicher Weise eine Geschichtsphilosophie nach dem Ende der Geschichte verkünden."
(Martin Hartmann in der FR vom 18.10.2001)
Begriff "Empire"
"Laut Hardt und Negri sind Niklas Luhmann und John Rawls so etwas wie die Chefideologen des «Empire»: Das neue Reich basiere auf von selbst laufenden Gesellschaftssystemen, deren Eliten sich universellen, ewigen Frieden auf die normativen Fahnen geschrieben haben und überall dort intervenieren, wo sie die Werte des liberalen Kapitalismus gefährdet sehen."
(Jan-Werner Müller in der NZZ vom 10.11.2001)
"Zwar ist das Empire zuallererst ein Begriff - ein Begriff, der keine Metapher sein möchte. Aber zu einem nicht unbeträchtlichen Teil zieht er seine Stärke aus dem, was man mit ihm verbindet: Vom Römischen Imperium über das Britische Empire bis zum Imperium in George Lucas' »Krieg der Sterne«. Trotzdem: Es ist ein Begriff, der eine Herrschaftsform beschreibt, eine neue Form der Souveränität.
Dieses Empire ist aber kein Imperium im Sinne der oben genannten, man kann es sich eher als ein weltumspannendes Netzwerk aus nationalen Regierungen, supranationalen Institutionen wie den Vereinten Nationen oder dem IWF und internationalen Konzernen sowie den NGOs vorstellen. Anders als für den klassischen, auf Nationalstaaten zentrierten Imperialismus hat das Empire mit seiner globalen Befehlsgewalt weder ein politisches oder wirtschaftliches Außen noch ein lokalisierbares Zentrum - es ist sowohl dezentral als auch universal.
(...)
Man muss sich dieses Empire als ein sich selbst regulierendes System vorstellen, oder wie Negri und Hardt es mit einem von Foucault geborgten Begriff bezeichnen, als ein Dispositiv. Es ist supranational und von Einzelnen nicht steuer- oder beherrschbar. Um die interne Funktionsweise dieses Systems zu beschreiben, ziehen Negri und Hardt den Begriff der Biomacht heran. Zwar gibt es noch die Reste der Disziplinargesellschaft, die Fabriken, Schulen, Gefängnisse, die das Subjekt von außen zurichten, wichtiger ist aber das entstehende Kontrollregime, das seine Machteffekte direkt in den Körpern, Gehirnen und Gefühlen produziert."
(Tobias Rapp in der Jungle World vom 20.03.2002)
Globalisierung als Befreiung
"Negri und Hardt machen kein Hehl daraus, dass sie voller Bewunderung auf die Kraft des Kapitalismus zur Deterritorialisierung schauen. Wie Marx bewundern sie seine scheinbar unerschöpfliche Kraft zur Entgrenzung und Verflüssigung von Staat und Gesellschaft. Und so finster das Szenario ist, das sie mit dem Konzept einer neuen Herrschaftsform entwerfen, so sehr bestehen sie darauf, dass es sich bei der Konstituierung des Empire um einen Fortschritt gegenüber dem handelt, was es davor gab. »Man muss jede Nostalgie gegenüber den Machstrukturen, die ihm vorausgingen, zurückweisen und sich jeder politischen Strategie verweigern, die darauf hinausläuft, zum alten Arrangement zurückzukehren, etwa zu versuchen, zum Schutz gegen das globalisierte Kapital den Nationalstaat erneut zu stärken. Das Empire ist also in dem Sinne besser, in dem Marx darauf bestand, dass der Kapitalismus besser sei als die Gesellschaftsformationen und Produktionsweisen, die ihm vorausgingen. (...) Entsprechend können wir heute sehen, wie das Empire die grausamen Regime moderner Macht wegwischt und sich dabei das Potenzial der Befreiung erhöht.«"
(Tobias Rapp in der Jungle World vom 20.03.2002)
Begriff "Multitude"
"Hardt und Negri fassen die Subjekte, die sich gegen die Mechanismen der Globalisierung zur Wehr setzen, unter dem Terminus der multitude zusammen, was man wohl mit »Vielheit« oder »Vielzahl« wiedergeben kann. Schon gibt es in Frankreich eine Zeitschrift gleichnamigen Titels, die Hardt und Negri, aber auch Peter Sloterdijk zu ihrem erweiterten Herausgeberkreis zählt. Multitudes - damit sind in bewusster Vagheit all diejenigen gemeint, die gegen die negativen Kräfte der Globalisierung ankämpfen"
(Martin Hartmann in der FR vom 18.10.2001)
"Die Multitude, in der deutschen Ausgabe mit der »Menge« übersetzt. Ist der Begriff des Empire noch recht klar definiert, so ist die Multitude ein Begriff, der - um es freundlich zu formulieren - zu verschiedenen Auslegungen einlädt. Mal ist die Multitude das, was seit Jahrhunderten die Geschichte vorantreibt, das, was man bis vor nicht allzu langer Zeit Proletariat nannte und das sich nun eben neu materialisiert habe, mal ist es aber auch etwas ganz Neues, nie Dagewesenes, gerade erst in der Entstehung Begriffenes: Die Multitude, all die vielen Menschen, ich, du, er, sie, es - die immateriellen Arbeiterinnen und Arbeiter, die den fortschrittlichsten Ausbeutungsverhältnissen ausgesetzt sind. Und manchmal ist die Multitude nichts weiter als die linksradikale Variante dessen, was in der Boulevardpresse immer so schön »der kleine Mann« genannt wird.
(Tobias Rapp in der Jungle World vom 20.03.2002)
Die Multitude als A & O des Empires
"Diese Multitude ist nicht nur der Counterpart des Empires (...) Sie hat das Empire auch erschaffen. Es gebe das Empire gar nicht, wenn die Menge es nicht ständig produzieren würde. Deshalb, und das ist jetzt stark verkürzt, muss die Menge sich eigentlich nur noch das nehmen, was ihr eigentlich schon längst gehört."
(Tobias Rapp in der Jungle World vom 20.03.2002)
Die Verletzbarkeit des Empires
"dadurch, dass das Empire kein Außen mehr hat, ist es auch extrem verletzbar, jeder Angriff trifft es in seinem Kern. Gerade weil es allumfassend ist, ist es auch überall verwundbar. Da alle Organisationen sich von Hierarchien zu dezentralisierten Netzwerken wandeln, welche auf kein bestimmtes Territorium mehr fixiert sind, kann man das Netz auch an jeder Stelle kappen."
(Tobias Rapp in der Jungle World vom 20.03.2002)
Das Buch als Manifest
"»Empire« ist ein Manifest, und als solches sollte man es lesen (...). »Ein Manifest, ein politischer Diskurs heute muss sich bemühen, im Sinne Spinozas (der davon sprach, ein Prophet müsse sein eigenes Volk hervorbringen; T.R.) prophetisch zu wirken, also in Verbindung mit dem immanenten Begehren zu wirken, das die Menge organisiert«, schreiben Negri und Hardt gleich zu Anfang, und damit geben sie die Richtung vor. Will sagen, die Multitude gibt es in dem Augenblick, wo sie begreift, dass es sie gibt.
Und genau davon handelt die ganze Konstruktion der Multitude, in all ihrer Offenheit und Unbestimmtheit. Sie ist weniger Analyse von dem, was ist oder war, sie ist eher Ausblick auf etwas, was sein könnte."
(Tobias Rapp in der Jungle World vom 20.03.2002)
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