Man wird ja immer wieder mit der Forderung konfrontiert, die Trennung von Staat und Kirche endgültig zu beschließen. Dabei ist auffällig, daß diese Forderung nicht nur von humanistischer Seite kommt, sondern teils auch von den gerade konservativeren Christen.
So dürfte der prominenteste Kritiker des deutschen Kirchensteuersystems ein gewisser Papst Benedikt sein, der mehrmals vorgeschlagen hat, nach einer Reform des Steuersystems auch die Kirchensteuer zu "ersetzen" und zwar durch eine Art Sozialabgabe, die wahlweise an karitative Verbände oder an eine der Kirche zu leisten sei. (Seine Haltung dazu, daß Kirchen von der Grundsteuer befreit sind und die Gehälter von Kirchenleuten durch staatliche Zuschüsse auch jenseits der Kirchensteuer finanziert werden, ist mir hingegen nicht bekannt.)
Aber: sowohl durch persönliche Kontakte als auch durch das Lesen von Piusbrüdertexten, kreuz.net usw. scheint mir doch bekannt zu sein, daß die Verflechtung von Staat und Kirche relativ kritisch gesehen wird - sei es bzgl. der Finanzierung der Kirchen ([Links nur für registrierte Nutzer]), oder sei es bzgl. der Ansicht, durch diese Verflechtung müsse die Kirche Profil einbüßen, würde dazu neigen, sich dem Zeitgeist anzubiedern usw. Natürlich zielt diese christliche Kritik auf etwas anderes ab, als die humanistische - aber der langen Rede kurzer Sinn liegt jetzt nur darin, daß es bei diesem Thema nicht so simpel nur um "Christenbashing" geht.
Jedenfalls betrifft die Verflechtung von Kirche und Staat vorallem folgende Punkte:
1. Kirchen sind von der [Links nur für registrierte Nutzer] befreit. D.h., daß sowohl die Wohnungen von Bischöfen, Priestern usw. als auch die landwirtschaftlichen und städtischen Grundstücke der Kirchen grundsteuerfrei sind. Außerdem gibt es diverse Vergünstigungen bzgl. des Gebührenrechts.
2. Die Kirchen werden nicht nur durch die Kirchensteuer finanziert, sondern vorallem auch durch staatliche Zuschüsse an sich. Also jenseits der Frage, ob Bürger XY aus der Kirche ausgetreten ist oder nicht. Mein Heimatland Hessen zahlt, glaube ich, etwa 100 Millionen Euro jährlich für die Gehälter von Priestern usw. Dazu kommt, daß durch die steuerliche Abzugsfähigkeit der Kirchensteuer etwa Verluste von drei Milliarden Euro jährlich entstehen.
3. Obwohl die Kirchen oft auf das Recht pochen, Un- und Andersgläubige entlassen zu können und Betriebsräte genauso wie Tarifverträge oft nicht anerkannt werden, steigen die Staatsleistungen an die Kirchen entsprechend den Gehaltserhöhungen, die von Seiten der Gewerkschaften erkämpft werden.
4. Die Kirchen betreiben zwar viele soziale Einrichtungen, aber finanziert werden Caritas und Diakonie zu 98% aus Staatsgeldern; nur zu 2% aus Kirchengeldern. Und viele kirchlichen Altenheime und Krankenhäuser werden zu 100% durch die Krankenkassen und die Bundesländer finanziert. Der kirchliche Anteil an konfessionellen Kindergärten liegt bei circa 10%.
5. Theologische Fakultäten deutscher Universtitäten werden zu 100% vom Staat finanziert, aber Lehrbeauftragte können entfernt werden, wenn der Erzbischof dafür plädiert. (Beispiele: Drewermann, Ranke-Heinemann, Küng.) Es gibt sogar Lehrstühle für Philosophie und Geschichte, auf die nur mit Zustimmung des Erzbischofs Professoren gewählt werden können. Man bedenke hier auch den Religionsunterricht an staatlichen Schulen und die Debatte um Kreuze in den Klassenzimmern etc.
6. Für die Instandhaltung der meisten Pfarrhäuser und Kirchen ist der Staat zuständig. Das gilt also nicht nur für Gebäude, die unter Denkmalschutz stehen, sondern auch für viele Pfarrhäuser, für die der Staat, ergo: der Steuerzahler an sich aufkommen muss. Wenn Kirchen renoviert werden, werden circa 90% der Kosten vom Staat, nur knapp 10% von den Kirchen selber aufgebracht.
Edit:
Edit2:
"Ehrfurcht vor Gott" als verankertes Erziehungsziel verschiedener Landesverfassungen.
Und: [Links nur für registrierte Nutzer]
Ergo würde sich eine Trennung von Staat und Kirche vorallem auf ökonomische Aspekte auswirken, auf Aspekte der Bildung (Universtitäten, Religionsunterricht) und auf den Einfluß der kirchlichen Lehre in Bildungs- und Sozialeinrichtungen (Entlassung eines Religionslehrers wegen Heirat mit Protestantin, Entlassung einer Krankenschwester wegen Heirat mit geschiedenem Mann etc.)