Bundestag steuert auf Konflikt mit Türkei zu
Der Bundestag wird aller Voraussicht nach die Türkei in einer fraktionsübergreifenden Entschließung auffordern, sich zu der historischen Verantwortung für die Massaker an den armenischen Christen im Osmanischen Reich zu bekennen. Der Beginn des Massenmords an den Armeniern jährt sich am 24. April zum 90. Mal.
In einer ersten Debatte im Parlament begrüßten Sprecher aller Fraktionen einen entsprechenden Vorstoß der CDU/CSU. Der Antrag soll zunächst in den Ausschüssen weiter beraten werden.
Verweis auf deutsche Mitverantwortung
Der Unionsabgeordnete Christoph Bergner erklärte, es handele sich um den ersten Versuch der deutschen Politik, aus eigenem Antrieb zum Schicksal der Armenier Stellung zu nehmen. Es gehe um das Gedenken an die hunderttausenden armenischen Christen, die im Osmanischen Reich brutal vertrieben, vielfach furchtbar misshandelt und mit planvoller Konsequenz und oft zügelloser Grausamkeit getötet worden seien. Bergners Fraktionskollege
Friedbert Pflüger verwies auf die Mitverantwortung des Deutschen Reiches, dessen Regierung von den Vorgängen gewusst und nichts unternommen hatte.
Der SPD-Abgeordnete Markus Meckel dankte der Union für ihre Initiative und äußerte sich überzeugt, dass es zu einem gemeinsamen Antrag aller Fraktionen kommt. Aus den Archivakten des Auswärtigen Amtes gehe klar hervor, dass es sich um Völkermord gehandelt habe, zu dem die deutsche Regierung geschwiegen habe.
Für die FDP betonte der Abgeordnete Rainer Stinner, dass es nicht um Schuldzuweisungen gehe, sondern darum, dass die Türkei ihre eigene Geschichte aufarbeite. Auch der Grünen-Politiker Fritz Kuhn dankte der Union ausdrücklich für den Antrag. Er wies Vorwürfe aus Ankara, der Bundestag mische sich in die inneren Angelegenheiten der Türkei ein, zurück. Der Bundestag entscheide allein, worüber er diskutiere.
Bundesregierung soll sich einsetzen
In dem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass sich die Türkei mit ihrer Rolle gegenüber den armenischen Christen "in Geschichte und Gegenwart vorbehaltlos auseinander setzt".
Im Text wird auf den Begriff des Völkermordes verzichtet. Die Rede ist vielmehr von Massakern und Vertreibungen. Damit blieb die Unionsfraktion in der Formulierung hinter einem Beschluss des Europäischen Parlaments (EP) vom Dezember 2004 zurück.
Ankara lehnt Begriff Völkermord ab
Das EP hatte die Türkei bei seiner Zustimmung zur Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen ausdrücklich aufgefordert, den Völkermord an den Armeniern als solchen anzuerkennen. Dagegen wehrt sich die türkische Regierung vehement.
In dem Antrag wird darauf verwiesen, dass bis 1916 den Massakern und Vertreibungen zwischen 1,2 und 1,5 Millionen Armenier zum Opfer gefallen seien. Die Türkei als Rechtsnachfolgerin des Osmanischen Reiches bestreite bis heute, dass diese Vorgänge planmäßig und von der osmanischen Regierung beabsichtigt gewesen seien.