Huh, bin ich schon lange nicht mehr hier gewesen ....
Nun treibt mich der Neugier wieder hier her . Neugier in eigener Sache.
Ich werde hier den gleichen Beitrag posten, wie ich ihn in meinem Forum postete - andere Nutzerschaft/andere Reaktionen.
Zum Hintergrund:
Wie einige von Euch wissen, bin ich Kontingentflüchtling und Mitglied der jüdischen Gemeinde.
Was mir bereits mehrfach im Laufe meiner mehr als 10jährigen Gemeindezugehörigkeit auffiel, die die Voreingenommenheit und Arroganz, mit welcher die "Alteingesessenen" Gemeinde Mitglieder (deutsche Juden) gegenüber den neuen, Zugewanderten (Kontingentflüchtlingen) entgegen treten.
So nahm ich den Beitrag eines Nutzers, der hier ebenfalls glaube ich gemeldet ist, um ein Paar Gedanken zum Thema der Beziehung zwischen den deutschen und UdSSR-Juden mal ins Netz zu Diskussion zu stellen.
Den Beitrag finde ich bezeichnend: Sobald der Nutzer, selbst Gemeindemitglied, erfuhr, hinter meinem Nick tabasco/Kugelfisch befinde sich eine Kontingenflüchtling, war das erste, was er wissen wollte, die "Echtheit" meiner "jüdischen Wurzeln" und das erste, was ihm zum Thema einfiel, war die pauschale Unterstellung, nicht genug "jüdisch" zu sein.
Meine Antwort samt ein Paar ausschweifenden Gedanken zum provokanten Thema "Antisemitismus der deutschen Juden" möchte ich hier ebenfalls zu Diskussion anbieten.
Also hier ist die Ansprache an mich:
[Links nur für registrierte Nutzer]Zitat von Maxvorstadt
Direktverlinkung gehr leider nicht. Der Beitrag steht im freien Forum.
Und hier meine Antwort:
Verehrter Maxvorstadt, ich suchte eine Weile nach eine Möglichkeit die Gedanken, die meinen Schädel heute Nach sprengten, irgendwie ins Netz zu bringen, ohne aber dem umanandas Forum mit meiner Registrierung zu schmeicheln - bis mir die Möglichkeit einfiel.
Ich werde einfach Deinen Beitrag als Sprungbrett für ein neues Thema hier in der Politikarena nutzen .
Den Titel habe ich provokant ausgewählt - wie denn. Nun leider führ uns die Glotze &Presse mittels "jüdischen Stimme für den gerechten Frieden im Nahost" penetrant vor, dass weder jüdische Abstammung noch jüdische Erziehung noch jüdische Religionszugehörigkeit vor Blödheit und vor allem von dem Antisemitismus schützt, diesen im Gegenteil gewissermaßen legitimiert .
Du schreibt, Deine Eltern waren noch Juden, welche die Naziverfolgung hautnah erleben durften? Das ist sehr traurig ... ich möchte Dir eine andere Seite aufzeigen, die Dir zum besseren Verständnis der Kontingentflüchtlinge (das ist ein anderes Wort für "manchen Russen oder auch Ukrainer, welcher ihre jüdischen Wurzeln erst bei der Ausreise entdeckt haben") bestimmt verhelfen wird.
Deren Eltern (oder sie selbst - da der Altersdurchschnitt bei den Kontingentflüchtlingen sehr hoch ist) haben diese ebenso hautnah erlebt : Können wir nun diesen Kapitel kurz mal beiseite lassen ...
Schauen wir uns die Zeit nach dem II.WK an, die Zeit seit 50er Jahre, ZDJ wird gegründet und die Ära, in der jeder Deutsche in die Leichenstarre verfehlt, sobald er das Wort Jude hört, bricht an - und die Zeit in der UDSSR, in der die Mitglieder des Jüdischen Antifaschistischen Komitees zu "Kosmopoliten ohne Bodenhaftung" (meine freie Übersetzung) abgestempelt, der Zusammenarbeit mit "zionistischer imperialistischer Verschwörung" geschädigt und nach allen Regeln der Kunst entsorg wurden. Der Stalin verspricht für alle UdSSR-Juden einen Paradies in russischen Fernost, wer nicht freiwillig hinfährt, wird gedrängt, schikaniert und herummanövriert. Kurz vor dem Stalins Tod sind alle (!) jüdischen Institutionen verschwunden. Und BRD? Ah ja, junge Bundesrepublik unterstützt großzügig das neu aufkeimende jüdisches Leben. Die Fragestellung, die deutschen Juden und die neunen jüdischen Emmigraten aus Ost- und Südeuropa beschäftigt, ist eher moralischer Natur: ist es noch legitim, nach dem Holocaust, ein Jude in Deutschland zu sein, statt im Israel? Ich bin keine Zeithistorikerin, mir fehlt dafür die Bildung, der Überblick und der nötige Abstand - aber ist es nicht die Zeit, in der ein deutscher Opfer-Jude geboren wurde?
In der Zeit, in der UdSSR-Juden-Intelligenzia repressiert und als "Feind des Volkes" entsorgt und die jüdische Mittelschicht herumschickaniert wurde, bei der Arbeit, bei der Studienplatz/Ausbildungsplatzvergabe, in der Schule, im Kindergarten gar auf der Straße, bekamen die besagten jüdischen Wurzeln bei den übrig gebliebenen deutschen Juden (die Du bei den Kontingentflüchtlingen so vermisst), einen neuen Trieb, der seit dem nur gegossen, gepflegt und verhätschelt wurde - der jüdischer Opfer-Status.
1997-1998 motzte Hagalil, zu Gedenkveranstaltung zum Befreiungstag von Auschwitz würden nur deutsche Juden kommen ... ich erwarte von dem jüdischen deutschsprachigen Internetportal mehr Verstand. Wer selbst als Jude keine Arbeit fand, keinen Studienplatz, wer gar auf der Strasse mit Judenfresse, haue nach Israel ab" angesprochen wurde, wessen Türen regelmäßig mit Davidsternen bemalt wurden, für dem ist Holocaust trotz der im deutschen ungeschriebenen Gesetz festgeschriebenen Einmaligkeit ein geschichtliches Ereignis in einer Reihe mit den anderen Pogromen. Klingt das für Dich blasphemisch?
Diese "jüdischen Wurzeln" hätte die überwiegende Mehrheit der UdSSR-Juden, die keine Helden sein wollte, am liebsten eingetütet und jedem per Post zugeschickt, der sich hätte haben wollen.
Sie wollte aber keiner haben. So entstand das Selbstverständnis der UdSSR-Juden: "... wie geht es Dir, Itzik? Naja, man dreht sich halt irgend wie. "
Man drehte sich. Irgendwie. Aber man war kein Opfer. Man war der Sieger. Über die Nazis.
Paradox?
Eigentlich soweit nicht.
Paradox wird es erst mal für die Kontingentflüchtlinge in Deutschland, als ihr Selbstverständnis von der deutschen Juden als (hagalil) "russischer Kulturverein" betitelt wird - und paradox wird es auch, wenn eine Internetnutzerin einem anderen Internetnutzer ihre Zugehörigkeit zu der orthodoxen jüdischen Gemeinde gesteht (was eine Abstammungsprüfung durch einen Rabbiner voraussetzt), worauf dieser erst mal bestrebt ist zu erfahren, inwieweit die erste in die "jüdische Welt" in der UdSSR involviert war.
Dein Verständnis der "jüdischen Welt" ringt mir nicht mal ein müdes Lächeln mehr ab. Es waren Deine Großeltern, die den Phänomen der "Assimilation der Deutschen Juden" mitprägten - und es waren meine Großeltern, dessen Muttersprache im Russischen Reich Jiddisch war und die (wie meine Tante) Russisch erst mal an der Uni mit 19 lernten.
So, nun, Lust auf weitere Schwanzvergleiche: mein Holocaust, Dein Holocaust, mein Haus/Pool/Auto/Schaukelpferdchen, Dein Haus/Pool/Auto/Schaukelpferdchen, meine jüdische Wurzeln, Deine Jüdischen Wurzeln ?
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Kurze Geschichte aus dem Leben
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Eine alte Frau, Kontingentflüchtling, 74 Jahre alt, 100% Schwerbehindert und 5% Sehkraft, kam zu einem vereinbarten Termin zu dem Landesrabbiner Netanel Wurmser in Stuttgart, um das Begräbnis ihrer Tante nach den jüdischen Ritus zu besprechen. Sie wartete über eine Stunde stehend im engen zügigen Korridor, bis der Herr Landesrabbiner überhaupt ankam.Er winkte der Frau zu "warten Sie noch ein Sekündchen" und verschwand im seinem Zimmer. Als die Frau nach 40 Minuten schüchtern die aus dem Zimmer des Landesrabbineres herausgehende Putzfrau fragte, wie lange sie noch waten müsse, hat diese gesagt, der Herr Landesrabbiner habe schon vor einer halben Stunde durch die Hintertür sein Zimmer verlassen und sei heute nicht mehr zu sprechen.
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Da hier auch ein Paar Kontis und ein Paar deutsche Juden schreiben, bin ich doppelt ob der Reaktionen und Rückmeldungen gespannt.
:cool2: